Frontal | Alessandra Zenklusen und Diego Kreuzer

«Eine schwule und lesbische Veranlagung wird akzeptiert»

Diego Kreuzer und Alessandra Zenklusen vom Verein QueerWallis.
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Diego Kreuzer und Alessandra Zenklusen vom Verein QueerWallis.
Foto: RZ

Alessandra Zenklusen, Co-Präsidentin von QueerWallis.
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Alessandra Zenklusen, Co-Präsidentin von QueerWallis.
Foto: RZ

Diego Kreuzer, Co-Präsident von QueerWallis.
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Diego Kreuzer, Co-Präsident von QueerWallis.
Foto: RZ

Quelle: RZ 7

Werden schwule und lesbische Menschen öffentlich verunglimpft? Oder sind Vorurteile nur herbeigeredet? Alessandra Zenklusen und Diego Kreuzer vom Verein QueerWallis über ihre Erfahrungen im Alltag und ihren neuen Verein.

In der letzten Woche machte die Schlagzeile die Runde, dass ein Schwulenpaar aus dem Zürcher Nelson Pub geworfen wurde, weil sie sich geküsst hätten. Hat Sie diese Nachricht traurig oder eher wütend gemacht?
Diego: Vielleicht wurde die Nachricht medial aufgebauscht. Aber wenn das stimmt, finde ich es extrem schade, dass man eine Beiz verlassen muss, nur weil man sich küsst. Das machen heterosexuelle Paare ja auch.
Alessandra: Ich kann mich dieser Meinung nur anschliessen. Wenn es sich nur um einen Kuss gehandelt hat und sie darum das Lokal verlassen mussten, geht das zu weit. Aber wenn man sich in einem ­öffentlichen Lokal befummelt, ist es meiner Meinung nach legitim, wenn man aus einem Lokal verwiesen wird. Egal ob Hetero oder Schwule.
Diego: Oder man besucht ein entsprechendes Lokal, wo solche Sachen toleriert werden.

Das Schwulenpaar hat im Nachzug davon gesprochen, dass ihnen eine Welle von Schwulenhass entgegen­geschlagen sei. Ist Homophobie im Alltag immer noch spürbar?
Alessandra: Wenn sich zwei Frauen in der Öffentlichkeit küssen, zieht das unwillkürlich die Blicke der Männer auf sich. Der Grund ist einfach: Frauen werden leider immer noch als Sexobjekte angesehen. Nun gibt es Frauen, die fühlen sich belästigt, wenn sie von anderen angegafft werden und dann gibt es solche, die lässt das eher kalt. Dass hinter vorgehaltener Hand über ein Lesben- oder Schwulenpaar getuschelt wird, kommt immer wieder mal vor. Aber das ist bei jeder Minderheit so. Auch ein übergewichtiger Mensch wird in der Öffentlichkeit blöd angemacht oder schräg angeschaut. Letztlich kommts drauf an, wie man selbst mit der Situation umgeht.

Und wie gehen Sie damit um, wenn Sie schräg angeschaut werden?
Alessandra: Ich persönlich habe damit keine Probleme und lasse mich nicht provozieren.
Diego: Mich lässt die Sache auch kalt.

Mit anderen Worten: Sie ignorieren die Situation, wenn Ihnen jemand blöd daherkommt?
Diego: Da muss man unterscheiden. Wenn mich ­jemand provoziert, dann ignoriere ich die Person. Wenn mich jemand hingegen anständig anspricht, dann bin ich auch bereit zu reden und versuche, die Situation sachlich zu klären.
Alessandra: Blöde Sprüche hört man schon ab und an, aber darauf reagiere ich nicht.

«Frauen werden immer noch als Sexobjekte angesehen» (Alessandra)

Wie lebt es sich als schwule oder lesbische Person im Oberwallis?
Alessandra: Das Oberwallis ist eine sehr konservative Region. Aber auch hier geht man mit der Zeit. Letztlich kommt es auf jede/n Einzelne/n an, wie er oder sie sich gibt. Wenn man hinter seiner sexuellen Ausrichtung steht und selbstbewusst auftritt, dann wird man in der Öffentlichkeit akzeptiert. Wenn man keine Angriffsfläche bietet, kann man auch nicht angegriffen werden.
Diego: Ich bin schwul und stehe dazu. Als ich mit meinem damaligen Partner in Oberwald das Bahnhof­buffet übernommen habe, haben wir uns geoutet. Das gab auch nie Anlass zu irgendwelchen Diskussionen. Zumindest nach aussen hin. Die Reaktionen waren durchwegs positiv.
Alessandra: Ich glaube, dass eine schwule oder lesbische Veranlagung heute von der breiten Bevölkerung akzeptiert wird. Heute gibt es andere sexuelle Neigungen, über die man zu wenig weiss und die deshalb auf Ablehnung stossen.

Zurück zum Vorfall im Nelson Pub: Würden Sie Ihren Partner beziehungsweise Ihre Partnerin in einem öffentlichen Lokal küssen?
Alessandra und Diego: Ja, warum auch nicht?
Diego: An einem Kuss ist ja auch nichts dran. Man muss sich ja nicht gleich überfallen und die Wäsche vom Leib reissen (beide lachen).

Vielen Schwulen und Lesben wird vorgeworfen, dass Sie Ihre Gefühle im öffentlichen Raum exzessiver ausleben als Heteropaare und damit die Anwesenden provozieren. Was ist dran an diesem Vorwurf?
Alessandra: Also hier im Oberwallis ist das ganz bestimmt nicht der Fall (Diego nickt zustimmend). Ich glaube eher, dass sich die Leute, die dieser Community angehören, sogar eher zurückhalten. Das hat weniger mit dem Oberwallis an sich zu tun, sondern mit den Menschen, die hier leben. Es entspricht unserer Mentalität, dass man private Angelegenheiten in den eigenen vier Wänden regelt und sich in der Öffentlichkeit eher zurückhält. Das trifft sowohl auf hetero wie homosexuelle Paare zu.

Also ist dieser Vorwurf herbeigeredet?
Alessandra: Ich denke schon. Wie sich jemand in der Öffentlichkeit verhält, hat weniger mit der sexuellen Ausrichtung zu tun, als mit der Person an sich.
Diego: Solche Bilder sieht man mehr an der Gay Pride oder anderen öffentlichen Anlässen, wo sich Schwule und Lesben zur Schau stellen. Und solche Bilder werden von den Medien auch gerne inszeniert.
Alessandra: Aber prozentual gesehen inszenieren sich Schwule und Lesben nicht mehr als Heteropaare.

«Wenn mich jemand provoziert, dann ignoriere ich die Person» (Diego)

Die Schwulen und Lesben im Oberwallis sind vor ein paar Jahren mit dem Verein SchwuLeOb an die Öffentlichkeit getreten. Inzwischen wurde der Verein aufgelöst und die Page gelöscht. Der Grund: Der frühere Präsident wurde unter anderem wegen illegaler Pornografie verurteilt. Wie gross ist der Imageschaden für den Verein?
Alessandra: In der Deutschschweiz wurde diese Geschichte weit weniger aufgebauscht als im Wallis. Bei uns wurde der Name des Präsidenten immer wieder im Zusammenhang mit SchwuLeOb erwähnt, obwohl sein Handeln ja nichts mit unserem Verein zu tun hatte. Trotz dieser leidigen Geschichte war und ist der Imageschaden nicht allzu gross.

Trotzdem hat sich Ihre Community einen neuen Namen verpasst…
Alessandra: Eine Namensänderung stand schon lange zur Diskussion. Die erwähnte Angelegenheit hat dazu geführt, dass sich der Verein neu konzipiert und aufgestellt hat.
Diego: Zudem schliesst der neue Name viele sexuelle Ausrichtungen ein und nicht nur Schwule und Lesben, sondern auch heterosexuell ausgerichtete Menschen.

Der neue Verein QueerWallis ist auch in den sozialen Netzwerken aktiv. Trotzdem wirkt QueerWallis nach aussen hin wenig strukturiert. Täuscht der Eindruck?
Alessandra: Das hat damit zu tun, dass wir noch in der Aufbauphase sind. Einen Verein gründet man nicht einfach so von heute auf morgen. Dazu braucht es klare Vorgaben und Strukturen. Zurzeit sind wir daran, eine Homepage aufzubauen. Aber auch das braucht seine Zeit. Zudem sind wir auf der Suche nach neuen Mitgliedern, obwohl wir bei der Gründungsversammlung schon überraschend viele Personen begrüssen durften.
In Zahlen: Wie viele Mitglieder hat Ihr Verein?
Alessandra: Wir konnten rund 30 Mitglieder begrüssen und haben sie an der Generalversammlung auch über unseren Facebookauftritt informiert. Inzwischen haben wir rund 50 Personen in unserem Verein. Dazu kommen einige Passivmitglieder.
Diego: Unsere Mitglieder haben auch Verständnis dafür, dass wir Zeit brauchen, bis unser Auftritt und die Organisation eingespielt sind.

Sind alle Mitglieder des früheren Vereins QueerWallis beigetreten?
Alessandra: Wir haben praktisch alle Mitglieder übernommen, konnten aber auch neue Gesichter für unseren Verein gewinnen. Wir haben nicht nur schwule und lesbische Menschen bei uns im Verein, sondern konnten auch Heteros für unsere Anliegen gewinnen. Damit ist genau der Effekt eingetreten, den wir mit dem neuen Namen bewirken wollten.

«Ich will keine Kinder haben und auch keine adoptieren» (Diego)

Was für Aktivitäten bietet Ihr Verein an?
Alessandra: Wir treffen uns jeweils am letzten Freitag im Monat in den Lokalitäten der Aidshilfe Oberwallis an der Spittelgasse 2 in Visp zu einem Meinungsaustausch. Dabei kommen verschiedene Themen wie Outing oder sexuelle Probleme zur Sprache. Aber auch über Alltagsthemen wie Freizeitbeschäftigung oder Beruf wird geredet. An diesen Treffen werden auch Freundschaften geknüpft. Wir sind aber auch offen für Eltern, Freunde und Bekannte von unseren Mitgliedern, die ganz einfach einen netten Abend verbringen wollen. Nächstes Jahr wollen wir zudem an der Gay Pride mitmachen und als Verein auftreten. Auch Podiumsdiskussionen über Tabuthemen wie «Leben in einer Regenbogen­familie» wollen wir demnächst organisieren.

Stichwort Regenbogenfamilie: Viele gleichgeschlecht­liche Paare wollen Kinder adoptieren. Wie stehen Sie dazu?
Diego: Ich werde selbst keine Kinder haben und will auch keine adoptieren. Ich erfülle gerne meine Rolle als «Getti», aber damit hats sich auch. Aber ich glaube, ein Kind kann auch bei gleichgeschlechtlichen Eltern glücklich aufwachsen.
Alessandra: Ich will auch keine Kinder. Das hat aber nichts mit meiner sexuellen Ausrichtung zu tun, sondern damit, dass ich mich lieber auf meine berufliche Laufbahn konzentriere. Letztlich muss das jede und jeder für sich entscheiden. Es gibt Stimmen, die sich gegen gleichgeschlechtliche Eltern aussprechen, weil bei der Erziehung ein Mann, beziehungsweise eine Frau fehlt. Ich finde, damit macht man es sich aber zu einfach. Dann würde ja jedes Kind, das als Halbwaise oder in einer Scheidungsfamilie aufwächst, eine schlechte Erziehung bekommen. Insofern glaube ich, dass es keinen Einfluss auf das Verhalten eines Kindes hat, ob es in einem «normalen» Haushalt aufwächst oder bei einem gleichgeschlechtlichen Elternpaar. Ein Kind kann auch bei zwei Frauen oder zwei Männern glücklich sein.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Alessandra
Name Zenklusen
Geburtsdatum 19. März 1990
Familie ledig
Beruf Bankangestellte
Funktion Co-Präsidentin QueerWallis
Hobbies Kirchenchordirigentin
Vorname Diego
Name Kreuzer
Geburtsdatum 2. Oktober 1990
Familie ledig
Beruf Wirt
Funktion Co-Präsident QueerWallis
Hobbies Wandern, Klavierspielen

Artikel

Kommentare

  • Bartholomäus V. - 114

    Ein Mench mit Religion und Anstand enthält sich.

  • Pius Brunner - 715

    Wunsch und Wirklichkeit sind nicht immer kongruent. In einer derart konservativen, religiös geprägten Gesellschaft wie der des Wallis, lehnen viele ein solches Verhalten ab. Da helfen auch keine schönen Reden.

    • Brian - 10

      WAS bitte sollte denn dann helfen?

  • Lama - 2511

    Zum glück gibt es noch Leute die zu dem stehen was sie sind , Gratuliere euch für die offenheit , wünsche euch alles gute für die zukunft .

  • Viége - 2618

    Natürlich gibt es Fortschritte, dem Internet sei dank. Nur: In unseren Konserativen Kanton wird Homosexualität und Sexualität Allgemein immer noch stark tabuisiert !

  • Maria - 6018

    Chapeau, ihr zwei! Ihr seid absolut okeeeeee!

    • Lischen Müller - 823

      Woraus genau schließen sie das Maria? Nur weil die beiden gleichgeschlechtliche Liebe praktizieren, sind sie doch nicht zwingend okeeee. Sind Schwule per se bessere Menschen?

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