Frontal | Seetal/Aargau

«Ich sitze den Leuten akustisch gerne auf dem Schoss»

Wieder auf Tour: Die Walliser Sängerin "Sina".
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Wieder auf Tour: Die Walliser Sängerin "Sina".
Foto: Pat Wettstein

Quelle: RZ 1

Am kommenden Samstag startet Sina ihre neue Tournee. Was für Songperlen die Konzertbesucher erwartet, was sie am Älterwerden schön findet und warum sie sozial­kritische Themen musikalisch anspricht, erzählt sie im RZ-Frontalinterview.

In zwei Tagen tauchen Sie ab auf Ihre neue Live-Tour mit dem sinnigen Namen «Pärlutaucher». Wie ist Ihr Gemütszustand vor Ihrer Odyssee?
Odyssee ist eine schöne Bezeichnung in diesem Zusammenhang (lacht). Mir ist auch tatsächlich ein bisschen die Luft weggeblieben in letzter Zeit. Aber das passiert halt, wenn man so tief taucht. Im letzten halben Jahr habe ich mich zusammen mit meinen zwei wasserfesten Musikern auf die Suche nach neuem Songmaterial gemacht. Weil wir in dieser Zusammensetzung bereits vor zwei Jahren schon eine Tournee gespielt haben, ist die Erwartungshaltung an uns selbst auch entsprechend hoch. Wir wollten einiges anders machen und so den Abend auch für uns lebendig halten. Jetzt stehen wir kurz vor der Premiere und sind ganz schön aufgeregt.

Konkret: Was erwartet die Besucher?
Wir haben ein paar neue Titel komponiert. Das war eigentlich gar nicht geplant, aber es hat sich im Verlauf der letzten sechs Monate so ergeben. Diese Songs haben wir live im Übungsraum aufgenommen. Die Idee dahinter ist, dem Publikum einen Soundtrack mitgeben zu können, der an den Konzertabend erinnert – ein akustisches Spiegelbild unserer Performance auf der Bühne sozusagen. Die CD gibts nur exklusiv an unseren Konzerten zu kaufen und sie ist limitiert. Es ist ein Dank an die Fans, die in all den Jahren regelmässig an unsere Live-Shows kommen. Dann war ich in den letzten zwei Jahren mit meiner GoPro-Kamera unterwegs. Entstanden sind Bilder und Filme, welche die Stimmung der Songs untermalen.

Zusammen mit Ihren zwei Bandkollegen Peter Wagner und Michael Chylewski sorgen Sie für ein musikalisches und sprachliches Potpourri …
Bei den Proben waren wir oft erstaunt, dass das Set schon zu Ende war. Die neuen Songs und die Instrumentenwechsel machen das Ganze kurzweilig. Dann setzt man zu dritt ganz andere Prioritäten, als wenn die grosse Band auf der Bühne steht. Hier ist die Balance zwischen Reduktion und musikalischer Notwendigkeit entscheidend. Das Publikum soll auch die Zwischentöne hören. Und dieses Mal kommen eben noch bildliche Farbtupfer auf die Leinwand. Primär geht es aber nach wie vor um die Musik und die ist im kleinen Rahmen sehr viel intimer. In dieser Intimität lässt sich auch perfekt die eine oder andere Geschichte erzählen.

Sie sprechen es an: Sie haben für Ihre Tournee einen kleinen und stimmigen Rahmen gewählt. Fühlen Sie sich da wohler als auf der grossen Bühne?
Ich sitze den Leuten akustisch gerne auf dem Schoss. Das ist in einem kleinen Saal natürlich eher möglich. Es lässt auch mehr Interaktionen zu, wenn zum Beispiel jemand aus dem Publikum auf etwas reagiert, dann gibt mir der kleine Rahmen die Möglichkeit, darauf einzugehen. Wir haben wieder verschiedene Instrumente ausprobiert, das eine und andere selbst gebaut. Die alte Zigarrenschachtel des Grossvaters wird zum Perkussionsinstrument, ein Mikrofon in einer Tasche ersetzt das Schlagzeug. Der Bandsound ist entsprechend anders. Und es groovt auch, wenns durchsichtig ist.

Im Februar kommen Sie ins Kellertheater nach Brig. Können Sie den Auftritt vor heimischem Publikum geniessen oder verlangt Ihnen ein Heimspiel mehr ab?
Hm, schwierig. Ich erzähle bei meinen Auftritten auch viele Geschichten von meiner Herkunft. Umso aufmerksamer ist das heimische Publikum und hört genau hin, ob die Frau, die schon solange in der Deutschschweiz wohnt, «nid irgend ä Seich verzellt» (lacht). Andererseits ist es auch einfacher, vor heimischem Publikum aufzutreten, weil die Walliser vieles auch zwischen den Zeilen verstehen und es keine zusätzlichen Erklärungen braucht.

Sie reden, Sie scherzen, Sie fabulieren auf der Bühne. Werden Sie mit zunehmendem Alter auch experimentierfreudiger?
Das war ich eigentlich immer schon. Wenn jemand mit einer guten Idee auf mich zukommt, kann ich mich sehr dafür begeistern. Es ergaben sich in den letzten zwanzig Jahren immer wieder neue Konstellationen und Crossover-Projekte. Im Dezember spiele ich mit dem Argovia Symphonic Orchestra ein Konzert, bei dem meine Songs klassisch arrangiert werden. Aber auch Projekte wie im vergangenen Sommer, als ich mit einem Appenzeller Chörli und einem Appenzeller Streichquartett auf der Bühne stand, sind eine schöne Herausforderung. Ich probiere mich gerne aus – musikalische Wiederholungen im eigentlichen Sinne interessieren mich weniger. Und so werde ich hoffentlich eine immer bessere Kopie von mir selbst.

Apropos Alter: Sie haben dieses Jahr Ihren 50. Geburtstag gefeiert. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Ich habe mich nicht lange bei dieser Zahl aufgehalten, sondern mich einfach darüber gefreut, dass ich ohne gröbere Blessuren ein halbes Jahrhundert feiern konnte. Das wollte ich mit Familie und Freunden feiern. Ich merke natürlich, dass der Körper nicht mehr alles so einfach mitmacht und zwischendurch mal die Energie fehlt. Aber ich schlafe sehr gerne, das hilft. Erst letzthin habe ich mich nach dem CrossOver-Projekt mit Bastian Baker frühzeitg nach dem Konzert verabschiedet und ging schlafen. Bastian hingegen hat noch bis fünf Uhr früh durchgefeiert und war dennoch anderntags definitiv fitter als ich nach sieben Stunden Schlaf (lacht). Der junge Mann hat noch die nötige Power, um sich die Nächte um die Ohren zu schlagen.

Was ist das Schöne am Älterwerden?
Einerseits freue ich mich darüber, dass ich keine Umwege mehr machen muss. Als junger Mensch läuft man in eine Richtung, die vorgegeben wird und dann merkt man, was für Umwege es braucht, um ans Ziel zu kommen. Heute kann ich mich auf mich selbst verlassen, auf meine Erfahrung zurückgreifen und auch mal zurücklehnen. Zudem habe ich mir eine gewisse Gelassenheit angeeignet. Obwohl ich ein aktiver Mensch bin, kann ich mittlerweile gut zurückstehen und auch mal zwei und zwei gerade sein lassen. Das ist ein gutes Gefühl und braucht weniger Energie.

Elf Alben haben Sie bisher auf den Markt gebracht. Auf welches sind Sie besonders stolz?
Jedes Album steht für sich und für eine bestimmte Zeit. Den Leuten gefällt der eine oder andere Song, für mich ist es eine stete Weiterentwicklung, die vor 23 Jahren begonnen hat. Spontan würde ich das Album «Duette» erwähnen, weil es so aussergewöhnlich war. Mit jedem einzelnen Duettpartner haben wir den passenden Sound entwickelt. Und es war einfach schön, mit meinen Musikerfreunden zusammenzuarbeiten. Viele davon kenne ich seit über zwanzig Jahren.

Was für Pläne und Projekte stehen in den nächsten zehn Jahren an?
Ich plane nicht gerne so weit voraus. Ein bis zwei Jahre Ausblick kann ich mir noch vorstellen, der 10-Jahres-Plan ist mir aber zu abstrakt. Voraussichtlich gibts ein neues Album im 2018. Genaueres wird sich im nächsten Jahr herauskristallisieren. Erst mal spielen wir im Trio bis im nächsten Frühling. Und es gibt ein paar Anfragen für Bigband- und kammermusikalische Projekte. Schauen wir mal, wie sich das alles entwickelt.

Sie haben zwanzig Jahre in Zürich gewohnt und leben heute am Hallwilersee im Aargau. Sind Sie mehr Stadtmensch oder doch eher das Landei?
(überlegt lange) Ich bin immer noch zweimal pro Woche beruflich in Zürich anzutreffen. Aber ich merke zunehmend, dass mir die ruhige Land- und See-Umgebung gut tut, vor allem während der Touren. Mein Mann kommt aus der Umgebung am Hallwilersee und ich fühle mich hier als adoptierte Aarauerin sehr wohl. An Zürich und Basel, wo ich regelmässig probe, schätze ich das Angebot an Kultur, multikulturellem Austausch und die Nähe zum Wasser.

Sie bezeichnen sich selbst als (Walliser-)Patriotin, stehen aber ebenso für eine offene und tolerante Schweiz. Wie zeigt sich das im Alltag?
Ich vermeide es meistens, mich öffentlich zu politischen Themen zu äussern. Eine Ausnahme sind sozialkritische Themen, die spreche ich an, auch bei meinen Songs. So habe ich den Song «Himmel ob miär» vom letzten Album für eine Aktion der Glückskette zu Sammelzwecken für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt. Ich war aber auch als musikalische Botschafterin für die Stiftung «Learning for Life» tätig. Es treibt mich an, wenn ich in unserem Ort plötzlich Menschen sehe, die auf der Suche nach einem Neuanfang sind. Ich kann mir nicht genau vorstellen, wie es ist, plötzlich aus dem eigenen Umfeld vertrieben zu werden, aus dem du deine Identität beziehst und das deine Heimat ist. Erst wenn die Not zu gross wird, verlässt man sein Zuhause. Auch deshalb stehen wir hier in einer Verantwortung.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Ursula "Sina"
Name Bellwald
Geburtsdatum 28. Mai 1966
Familie Verheiratet
Beruf Sängerin
Hobbys Kino, Natur
   

 

Als Wahl-Aargauerin trage ich regelmässig weisse Socken.  Nein
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Meine schönste Perle habe ich bereits gefunden. Ja
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