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«In 60 Jahren habe ich fast keine Musikübung verpasst»

Otto Jaggy spielte 60 Jahre in der "Konkordia" Varen.
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Otto Jaggy spielte 60 Jahre in der "Konkordia" Varen.
Foto: RZ

Quelle: RZ 0

Er ist Musikant durch und durch. Zwischen den Jahren 1954 und 2014 war Otto Jaggy Mitglied in der Musikgesellschaft Varen. 60 Jahre lang. Vor dem Oberwalliser Musikfest in Leukerbad spricht er über seine Erfahrungen und Erlebnisse.

Herr Jaggy, am Wochenende steigt in Leukerbad das Oberwalliser Musikfest. Sind Sie vor Ort?
Natürlich. Gerade in Leukerbad lasse ich mir ein «Oberwalliser» nicht entgehen, denn die Musikgesellschaft von Varen pflegt mit den beiden Musikgesellschaften von Albinen und Leukerbad seit Jahren ein sehr gutes Verhältnis. Früher gab es während mehreren Jahren auch ein Musikfest zwischen den drei Musikgesellschaften, welches stets in einem der drei Dörfer stattfand.

Varen war vor einem Jahr Gastgeber des «Oberwalliser». Damals konnte man auf den Support von Leukerbad zählen. Wird sich Varen nun «revanchieren»?
Ja, das werden wir mit Sicherheit tun. Für kleine Dörfer ist es eine Herausforderung, derart grosse Anlässe zu organisieren. Dennoch will man darauf nicht verzichten, denn ein Musikfest ist nun mal eine wichtige Einnahmequelle für einen Verein. Deshalb freuten wir uns vor einem Jahr über die Hilfe von Leukerbad und werden nun unsererseits Unterstützung anbieten.

Was bedeutet Ihnen denn Musik?
Die Musik bringt mich auf andere Gedanken und stellt mich auf. Ich war während 60 Jahren stets motiviert, die Musikproben zu besuchen. Auch wenn ich nebenbei noch 40 Jahre lang im Gesangverein und einige wenige Jahre in einem Jodlerverein in Siders mitgesungen habe, hatte das Musizieren immer erste Priorität.

Sie haben Ihre Arbeitszeit manchmal auf die Musik­proben abgestimmt.
Ja, es gab zwischendurch das Szenario, dass ich mir eine Arbeitsschicht so eingeteilt habe, um am Abend die Musikübung besuchen zu dürfen. In all den Jahren habe ich fast keine Probe verpasst und erreichte oft 100 Prozent bei der Anzahl besuchter Proben.

Können Sie Musik nach 60 Aktivjahren in der «Konkordia,» Varen, nun auch einfach einmal geniessen?
Ja, das kann ich bestimmt. Dennoch sehe ich immer noch den Wettbewerb dahinter und weiss, dass das Musikfest in Leukerbad für Varen wie eine Generalprobe ist. Denn: In zwei Wochen steht das «Eidgenössische» in Montreux auf dem Programm.

Was blieb Ihnen in all den Jahren für eine Erinnerung an die Musikfeste?
In 60 Jahren gab es für mich vor allem manch ein Glas Ehrenwein (lacht).

...und sonst?
Ich mochte die Anlässe immer sehr. Denn Musikfeste dienen auch dazu, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu pflegen. In all den Jahren bin ich nach Musikfesten immer sehr glücklich und zufrieden nach Hause gekommen. Es gab mehrere Leute, denen ich jeweils an einem Musikfest begegnet bin. Dann trank man zusammen einen Schluck Wein und redete über dies und das. Bei einem Musikfest steht die Gesellschaft im Vordergrund.

Und der Wettkampf?
Es ist gelogen, wenn jemand sagt, der sei sekundär. Natürlich will man stets eine möglichst hohe Punktzahl erreichen. Doch dazu braucht es auch ein bisschen Glück: Ich erinnere mich daran, dass wir beim «Vorspiel» einmal derart überzeugt haben, dass uns viele Musikanten aus dem Saal gratulierten und uns auch eine hohe Punktzahl voraussagten. Demnach gedämpft war die Stimmung, als wir an diesem Tag ein eher mässiges Resultat erhalten haben. Ein bisschen Glück gehört eben doch auch dazu.

Sie haben bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren Musikfeste erlebt. Inwiefern haben sich die Anlässe verändert?
Rein musikalisch liegen Welten zwischen den Stücken von damals und heute. Die Stücke sind heute weitaus professioneller, das ist klar. Die Übungen zudem bestimmt effizienter. Doch wer früher ein Musik­fest organisiert hat, der musste schon damals einen enormen Aufwand betreiben. Ich erinnere mich an ein Oberwalliser Musikfest 1974 in Varen, als ich Präsident der Musikgesellschaft war. Wir brauchten alle Einwohner, um das Fest auszutragen. Der Mütterverein rüstete damals Salat mitten auf dem Dorfplatz. Ohne sie hätte der Anlass nicht stattgefunden.

Sie sprechen das «Oberwalliser» 1974 an. Sie haben damals das Musikfest nach Varen geholt.
Ich war damals seit mehreren Jahren bereits Präsident der Musikgesellschaft und wollte eigentlich Platz schaffen für frische Kräfte. Doch irgendwie war ich besessen von der Idee, ein Oberwalliser Musikfest nach Varen zu holen. Die älteren Musikanten sagten mir damals, dass ich das ohnehin nicht schaffen werde. Das war der Ansporn, mich ins Zeug zu legen, so dass wir 1974 Gastgeber wurden.

Früher hatten die Musikgesellschaften noch keine Uniform. Wie kamen Sie eigentlich zu Ihrer ersten Uniform?
Die verdankte die Musikgesellschaft «Konkordia» einer «Partner-Musik» aus dem Dorf Wauwil in Luzern. Als diese Musikanten eine neue Uniform tragen durften, waren sie so grosszügig und schenkten uns ihre alte Uniform. Diese trugen wir während mehreren Jahren, ehe wir aus unseren Ersparnissen eine eigene Uniform anschafften.

Zwischen Ihrem 16. und 76. Lebensjahr waren Sie aktiv in der Musikgesellschaft von Varen. Was haben Sie ­eigentlich für ein Instrument gespielt?
Ich habe auf mehreren Instrumenten gespielt. Angefangen habe ich mit einer Posaune, dann spielte ich auf einem Es-Horn und auf einem Bass, ehe ich auf das Bariton wechselte, worauf ich über 50 Jahre lang spielte.

Gibt es einen Anlass, den Sie keineswegs missen möchten?
Es gab einen Ausflug nach Innsbruck, von dem die älteren Musikanten noch heute sprechen, das waren drei schöne Tage. Doch ich erinnere mich auch an einen Ausflug nach Nizza im Jahr 1969...

1969? Das muss ein toller Ausflug gewesen sein, wenn Sie sich daran noch erinnern können und diesen nun erwähnen?
Es war ein Musikfest, an dem es einen Einmarsch gab, der über eine Stunde lang dauerte. Kurz zuvor erhielten wir unerwartet die Zusage, dass wir den Einmarsch auf einem Wagen absolvieren durften. Somit musste wir nicht während einer Stunde durch die Hitze von Nizza marschieren. Der Anlass blieb mir jedoch auch deshalb noch in Erinnerung, weil meine Frau damals schwanger war, mangels Ehrendamen jedoch dennoch den Ausflug nach Nizza mitmachte.

Früher gab es einen Musikverein, einen Gesangverein und den einen oder anderen Sportverein. Heute ist das Angebot viel grösser, weshalb viele Musikgesellschaften mit Nachwuchsproblemen kämpfen. Wie erlebten Sie das in all den Jahren?
Das ist ein stetes Auf und Ab. Ich erinnere mich, dass wir grosse Nachwuchsprobleme hatten, wenn wir uns drei, vier Jahre zu wenig um junge Musikanten kümmerten. Doch dann gab es immer wieder einen Schub.

Hatten Sie im Zusammenhang mit der Musik auch ­irgendwelche Vorbilder?
(überlegt lange) Ja, da gab es wirklich jemanden. Otto Montani. Er war einer, den ich bewundert habe. Einmal durfte ich sogar auf seinem Instrument spielen, das war sehr speziell.

Erzählen Sie.
Ich spielte früher auch in einer Fussballmannschaft. Wir hatten ein Fussballspiel in Varen und ich kam nach Hause, als mir eine Hebamme mit meiner Frau vor unserem Haus begegnete. Meine Frau war hochschwanger und so fuhren wir zusammen ins Spital nach Siders. Am Nachmittag war jedoch Musikfest in Salgesch. Die Zeit reichte nicht mehr, um mein Ins­trument in Varen abzuholen, sodass ich auf Montanis Instrument spielen durfte. Das war generell ein sehr besonderer Tag für mich.

Herr Jaggy, vor zwei Jahren erhielten Sie die Auszeichnung für 60 Aktivjahre in der Musikgesellschaft (siehe Foto rechts). Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Ich muss ehrlich zugestehen, dass ich an diesem Tag sehr nervös war. Die Leute sprachen mich überall darauf an, gratulierten mir und wollten natürlich auch Hintergründe wissen, wie es möglich ist, so lange aktiv Musik zu spielen. Doch rückblickend war es ein schöner Tag, den ich sehr genossen habe.

Sie wurden auch mit einer internationalen Medaille ausgezeichnet (siehe Foto). Was bedeutet Ihnen das?
Die Auszeichnung ist eine grosse Ehre. Ich fasse die Medaille fast nicht an, derart viel Stolz spüre ich, wenn ich sie ansehe. Das bedeutet mir sehr viel.

Simon Kalbermatten

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Infos

Zur Person

Vorname Otto
Name Jaggy
Geburtsdatum 10. August 1938
Familie Verheiratet, zwei Kinder
Funktion 60 Jahre Musikant in Varen
Hobbies Wandern, Reben, Musik
   

Nachgehakt

 

Das Niveau der Musikgesellschaften im Oberwallis steigt jedes Jahr an. Ja
Die Musikfeste vor 50 Jahren waren schöner als diejenigen von heute. Ja
In Varen wird nie mehr jemand 60 Jahre in der Musikgesellschaft mitspielen. Joker
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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