Frontal | Peter Oggier, Direktor Naturpark Pfyn-Finges

«In zwei Jahren wird nochmals über den Naturpark abgestimmt»

Peter Ogger: «Zum Naturpark gehört nicht nur der Pfynwald.»
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Peter Ogger: «Zum Naturpark gehört nicht nur der Pfynwald.»
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Peter Oggier: «Kinder reagieren sensibler auf Natur und Umwelt.»
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Peter Oggier: «Kinder reagieren sensibler auf Natur und Umwelt.»
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Biologe Peter Oggier (55) leitet den Naturpark Pfyn-Finges. Im Frontalinterview spricht er über den Umgang mit Zecken, die fehlende Identifikation mit dem Naturpark und die Abstimmung in den Partnergemeinden.

Peter Oggier, in den letzten Tagen und Wochen herrschten zum Teil sehr heisse Temperaturen. Hat das einen direkten Einfluss auf die Tier- und Pflanzenwelt im Naturpark?
Sowohl als auch. Es gibt einige Pflanzen und Früchte, die mit der Hitze nicht so gut klarkommen. Demgegenüber gibt es Organismen wie Insekten, denen die langen trockenen Perioden mit wenig Niederschlag entgegenkommen. In den letzten Tagen hört man im Mittelwallis sogar Zikaden singen. Man kommt sich vor wie in Südfrankreich.

Hat die Schönwetterperiode auch einen positiven Einfluss auf die Besucherzahlen?
Nein, die Besucherzahlen sind diesen Frühling eher rückläufig. Warum das so ist, ist schwer zu sagen. Ich glaube aber nicht, dass das mit dem Wetter zu tun hat.

Der Naturpark Pfyn-Finges hat vor einem halben Jahr eine Umfrage lanciert, bei der die Einwohner der Parkgemeinden ihre Vorschläge einbringen konnten. Was ist dabei herausgekommen?
Die Umfrage ist noch nicht ausgewertet. Aber wir haben festgestellt, dass das Bewusstsein der Leute, dass sie in einem Naturpark wohnen, zu wenig ausgereift ist. Aber es wird mit jedem Jahr besser. Wir bemühen uns immer noch darzulegen, dass der Naturpark nicht nur der Pfynwald ist, sondern die zwölf Gemeinden, in deren Perimeter auch Veranstaltungen wie das Open Air Gampel oder das Literaturfestival in Leukerbad stattfinden. Wir möchten die Leute sensibilisieren, dass sie ein Teil des Naturparks sind und wir im Natur- und Landschaftszentrum in Salgesch für die Administration zuständig sind. Daran arbeiten wir.

Warum fehlt die Identifikation mit dem Naturpark?
Das braucht seine Zeit. Die Leute sind sich zu wenig bewusst, dass sie mit dem Label arbeiten könnten und in einer wunderbaren Gegend wohnen. Auch die Tatsache, dass wir im gesamten Alpenbogen die meisten 4000er haben, haben wir zu wenig verinnerlicht. Darum fehlt wahrscheinlich auch die grosse Identifikation.

Sie haben mit Ihrem Team in der Vergangenheit verschiedene Schwerpunkte gesetzt, um die Menschen zu sensibilisieren, mit Rohstoffen aus der Natur richtig umzugehen. Hat sich dieser Einsatz gelohnt?
Auf alle Fälle. Wir haben mit einem Baumschnittkurs in Salgesch angefangen, und heute bieten wir fünf solche Kurse in der ganzen Region an. Wir mussten natürlich auch selber lernen, was ein Naturpark ist und wie man ihn bekannter macht. Das hat mit den klassischen Exkursionen angefangen. Inzwischen haben wir gelernt, noch mehr direkt zu den Leuten zu gehen. Die Bäume im eigenen Garten interessieren viel mehr als ein Schmetterling, der auf einer Roten Liste steht. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn man die Leute darauf anspricht, wie man richtig kompostiert, einen Baum schneidet oder wie man Früchte verwerten kann, dann kann man sie begeistern. Das mussten wir auch lernen.

Sie bieten nicht nur Kurse für Erwachsene an, sondern setzen auch auf Umweltbildung an den Schulen. Wie ist das Echo?
Sehr gut. Wir gehen nicht mehr mit den Schülerinnen und Schülern auf eine Exkursion, sondern wir gehen in die Schulen und bauen mit ihnen zusammen einen Schulgarten an. Inzwischen haben wir schon viele Partnerschulen.

Sind die Jugendlichen für Umweltthemen empfänglicher als die Erwachsenen?
Nicht unbedingt. Aber die Kinder sind begeisterungsfähiger. Natürlich haben wir die Hoffnung, dass daraus auch eine gewisse Nachhaltigkeit entsteht. Die Kinder wachsen mit dem Naturpark auf und reagieren sensibler auf Themen wie Natur und Umwelt.

Kommen wir auf die Bedeutung des Naturparks zu sprechen. Wie ist der wirtschaftliche Nutzen des Naturparks Pfyn-Finges?
Der wirtschaftliche Nutzen ist enorm. Nehmen wir das Beispiel der Hallwag-Strassenkarte. Darin sind alle Natur- und Nationalpärke weltweit grün eingezeichnet. Das ist auch auf allen Geo-Portalen wie Google Maps und so weiter vermerkt. Das ist eine unbezahlbare Sichtbarkeit. Das kann man nicht kaufen und hat eine starke Besucherlenkung zur Folge. Darum finde ich es auch schade, dass wir hier im Wallis nicht noch mehr Naturpärke haben. Dies im Gegensatz zu Graubünden und Bern. Kommt hinzu, dass wir von unseren zwölf Partnergemeinden, abgestuft nach Grösse und Finanzkraft, rund 200 000 Franken erhalten. Damit stemmen wir ein Budget von zwei Millionen pro Jahr. Das heisst, jeder Franken wird verzehnfacht. Das ist eine unglaubliche Rendite. Auch die Mandate und Zusammenarbeit werden nach Möglichkeit in der Region vergeben.

Alle vier Jahre wird eine neue Leistungsvereinbarung mit dem Bafu ausgearbeitet. Was sind die zentralen Punkte für die Vereinbarung 2020–2024?
Die zentralen Themen sind immer ähnlich. Aber wir wollen noch weiter gehen. In Sachen Umweltbildung wollen wir jedes Jahr zwei, drei neue Gruppen ansprechen. Dazu gehören Partnerschulen genauso wie der Bereich Landwirtschaft. In den letzten Jahren haben wir auch das Vernetzungsprojekt in den Rebbergen vorangetrieben. Hier möchten wir in den nächsten Jahren nochmals einen Schwerpunkt setzen. Wir wollen zusammen mit den Rebbauern die Ökologie im Rebbau verbessern, wollen teilbegrünte Reben und Trockensteinmauern erhalten.

Sind die Rebbauern für solche Vorschläge empfänglich?
Ja, sehr sogar. Es gibt ja immer mehr Rebbauern, die mit ihren Kunden in die Rebberge gehen und ihnen erklären, wie die Traube ins Glas kommt. Genau diesen Prozess könnte man noch fördern. Im Gegensatz zum Ausland wird bei uns trotz mechanisierter Prozesse noch viel Handarbeit gemacht. Dazu braucht es verschiedene Zugänge, beispielsweise die Natur, die Weinherstellung und so weiter. Die Weinbauern waren ein wesentlicher Faktor, dass der Naturpark Pfyn-Finges überhaupt erst entstanden ist. Sie waren zwar anfänglich auch ein bisschen skeptisch, haben aber schnell gemerkt, dass ein Naturpark viele Chancen bietet.

Einzelne Gruppierungen waren anfangs gegen die Realisierung des Naturparks. Hat sich das inzwischen geändert?
Das werden wir spätestens in zwei Jahren sehen. 2021 wird nochmals an jeder Urversammlung der zwölf Perimeter-Gemeinden über den Naturpark abgestimmt. Eigentlich hätte man diesen Schritt umgehen können, aber ich bin der Meinung, dass die Bewohner der einzelnen Gemeinden über ihren Naturpark befinden sollen. Wir haben jetzt acht Jahre gearbeitet und möchten zehn weitere Jahre weiterarbeiten. Die Jäger und traditionellen Landwirte waren eine der Gruppen, die anfangs grosse Bedenken hatten. Inzwischen haben wir aber ein sehr gutes Einvernehmen und ich bin zuversichtlich, dass sie einer Verlängerung des Vertrags zustimmen werden.

Ein leidiges Thema ist und bleibt der Müll, den die Besucher zurücklassen oder einfach im Park deponieren. Wie machen Sie dagegen?
Der Clean-Up-Day ist nach wie vor ein grosser Erfolg. Der gesammelte Müll ist von 1,8 auf 1,6 Tonnen zurückgegangen. Und wir haben weniger Mülldeponien. Früher gab es ganze Sofas und Reifenstapel, die im Pfynwald entsorgt wurden. Das gibt es heute glücklicherweise nicht mehr. Inzwischen gibt es nicht nur im Pfynwald einen Putztag, sondern im ganzen Gebiet des Naturparks. Da lassen sich viele Leute schnell begeistern.

Wie in vielen anderen Regionen sind auch im Naturpark die Zecken ein Thema. Wie gehen Sie dagegen an?
Einmal im Jahr machen wir eine sogenannte Zeckenexkursion. Dabei werden die Besucher genau informiert und sensibilisiert. Dazu steht auf jeder Anmeldung für eine Exkursion, wie man sich gegen Zecken schützen kann. Dazu verteilen wir einen Anti-Zecken-Spray. Auf den Wanderwegen im Schutzgebiet schauen wir darauf, dass sie nicht überwuchert werden. Und natürlich muss nach jedem Besuch jeder darauf bedacht sein, sich selber zu kontrollieren.

Haben diese Massnahmen auch direkte Folgen auf die Exkursions-Teilnahmen?
Ja, wir haben dadurch weniger Anmeldungen zu verzeichnen. Es gibt sogar ganze Schulklassen, die ihre Exkursionen absagen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man offensiv und klar darüber kommunizieren muss. Dann muss man sich auch keine Vorwürfe machen.

Die Berner Fachhochschule scheint mit einer Studie zur Roten Waldameise ein natürliches Bekämpfungsmittel gefunden zu haben. Ist das für den Naturpark Pfyn-Finges ein Thema?
Ich kenne die Studie nicht. Aber man muss natürlich aufpassen, dass der ökologische Kreislauf nicht gestört wird. Ich habe von einer anderen Studie gelesen, die besagt, dass ein grösseres Fuchs-Vorkommen dazu beiträgt, dass es weniger Zecken gibt. Ob sich das bewahrheiten würde, ist fraglich.

Zu guter Letzt, was für Wünsche und Visionen haben Sie als Direktor des Naturparks Pfyn-Finges?
Ich würde mir wünschen, dass die Leute in allen Bereichen überlegter agieren und sich die Frage stellen: Ist das gut für meine Nachfahren? Es geht nicht darum, irgendwelche Verbote aufzustellen oder dass man nicht mehr heizt, nicht mehr isst oder nie mehr fliegt. Sondern es geht darum, in kleinen Schritten etwas zur Nachhaltigkeit beizutragen. Zudem möchten wir die natürlichen Ressourcen fördern. Darum suchen wir aktuell Helferinnen und Helfer, um Früchte von Wildbäumen zu pflücken. Auch innovative Köche sind gefragt, die die Früchte verarbeiten können. Es ist wichtig, den Leuten klarzumachen, was vor unserer Haustür wächst und was man Gutes daraus machen kann.

Walter Bellwald

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