Frontal | Laura Schmid

«Umweltschutz lässt sich mit jeder politischen Linie vereinen»

Laura Schmid ist seit rund einem Monat als Geschäftsführerin des WWF Oberwallis im Amt.
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Laura Schmid ist seit rund einem Monat als Geschäftsführerin des WWF Oberwallis im Amt.
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Laura Schmid: «Ich habe mich gefragt, ob meine Haut dick genug ist.»
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Laura Schmid: «Ich habe mich gefragt, ob meine Haut dick genug ist.»
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Laura Schmid: «Wir schauen der Stromindustrie genau auf die Finger.»
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Laura Schmid: «Wir schauen der Stromindustrie genau auf die Finger.»
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Quelle: RZ 0

Seit rund einem Monat­ führt die Visperin Laura Schmid die Geschäfte des WWF Oberwallis. Im Interview spricht die 29-Jährige­ über ihre Ziele, ihr Alter und ihr Verständnis­ von Umweltschutz.

Laura Schmid, als Ihnen die Stelle als Geschäftsführerin­ des WWF Oberwallis angeboten wurde, hatten Sie da Bedenken, diese anzunehmen?
Ja, ich hatte Bedenken und habe mir sehr gut überlegt, ob ich die Stelle annehmen will. Die Stelle als Geschäftsführerin des WWF Oberwallis war für mich immer ein Traumjob. Sie gibt mir die Möglichkeit, zwei meiner grössten Interessen miteinander zu verbinden. Einerseits den Einsatz für den Umweltschutz, andererseits das Engagement für meinen Heimatkanton, wo ich viel Entwicklungsspielraum sehe.

Warum dann die Bedenken?
Der WWF polarisiert im Oberwallis sehr stark. Es gibt viele Menschen, die unsere Ziele und Anliegen unterstützen, auf der anderen Seite aber auch einige Personen, die mit unserer Arbeit nur wenig anfangen können. Umweltdiskussionen werden bei uns sehr emotional geführt. Die Geschäftsleitung des WWF Oberwallis ist darum viel stärker exponiert, als die in anderen Kantonen. Bildlich gesprochen hat man als Geschäftsleiterin des WWF Oberwallis einen Posten inne wie als Trainer des FC Sitten. Man wird mit Argusaugen beobachtet und schnell kritisiert. Darum habe ich es mir gut überlegt, ob ich diese Stelle antreten will. Man muss eine dicke Haut haben, um diesen Job machen zu können, und ich habe mich gefragt, ob meine Haut dick genug ist. Ich weiss es zwar noch nicht, aber ich bin gewillt, es herauszufinden (lacht).

«Ich habe mich gefragt, ob meine Haut dick genug ist»

Mit 29 Jahren sind Sie eine eher junge Geschäftsleiterin­. Sehen Sie darin Vor- oder Nachteile?
Es hat sicherlich seine Nachteile. Es ist so, dass mir in gewissen Themen effektiv die Erfahrung fehlt. Ich habe­ zwar Erfahrungen, was die politischen und kommunikativen Aspekte meiner Arbeit betrifft. Bei Verhandlungen, welche ja ein zentraler Bestandteil der Arbeit des WWF sind, dagegen muss ich meine Erfahrungen noch machen. Aber das hat nur bedingt mit meinem Alter zu tun. Ich bin neu in meinem Job. Ich müsste meine Erfahrungen genauso machen, wenn ich zehn Jahre älter wäre. Andererseits ist meine Jugend aber auch eine Chance. Man hat nämlich doch den «Ah-sie-ist-Jung»-Bonus. Man nimmt sich für mich mehr Zeit, es wird einem mehr Geduld entgegengebracht, was sicher ein Vorteil ist, um in meinem neuen Job Fuss zu fassen.

Was für eine Umweltschützerin sind Sie, eher radikal oder gemässigt?
Ich sehe mich als pragmatische Umweltschützerin. Ich denke, dass es Generationen von Umweltschützern gab, die zu radikal waren. Diese gingen oft aufs Ganze, auch wenn sie damit in Kauf nahmen zu scheitern. Moralisch konnten sie zwar sagen: «Wir haben es versucht», erreicht haben sie teilweise aber nur wenig. Ich dagegen möchte Lösungen finden, die für alle stimmen, die aber natürlich den Umweltschutz weiterbringen. Das bedingt natürlich situationsbezogenes Augenmass, aber ich denke, dass wir nur so weiterkommen. Ich gehe lieber einen Kompromiss ein und erreiche so eine Verbesserung, als dass ich mich moralisch gut fühle, aber nichts erreicht habe. Gleichzeitig muss man aber auch eine harte Linie fahren.

Das heisst?
Auch Umweltschutzgesetze sind Gesetze und nicht nur Empfehlungen. Ein Gesetz ist in unserer Demokratie etwas, was die Mehrheit der Gesellschaft für richtig erachtet und nicht etwas, das einfach so festgehalten wurde, weil man gerade Lust dazu hatte. Wer sich über Umweltschutzgesetze hinwegsetzt, der handelt darum undemokratisch. Darum ist der WWF auch zur Stelle, wenn Umweltschutzgesetze gebrochen werden. Und da sind wir dann auch kompromisslos, schliesslich gehen Verstösse gegen die Gesetze nicht nur gegen die Umwelt, sondern auch gegen die Demokratie. In dieser Sache gibt es keinen Unterschied, ob man zu schnell fährt oder illegal einen Wald rodet.

In dieser Antwort spürt man stark Ihre Ausbildung als Politologin. Wird der WWF Oberwallis mit Ihnen an der Spitze politischer?
Es ist eines meiner Ziele, vermehrt in den politischen Prozess einzugreifen. Der WWF mischt sich naturgemäss in den politischen Prozess ein, er kommuniziert und vertritt eine gewisse Meinung und hat seine Ziele, die nicht selten den politischen Prozess beeinflussen. Ich möchte aber in dieser Angelegenheit festhalten, dass der WWF nicht ein Organ des links-grünen Lagers ist. Umweltschutz lässt sich mit jeder politischen Linie vereinbaren. Ich sehe die Rolle des WWF als eine beratende. Wir haben einen gros­sen Erfahrungsschatz, den wir den Entscheidungsträgern in Politik und Behörden gerne zur Verfügung stellen, egal in welchem politischen Lager sie zu Hause sind. Das ist eines meiner grossen Ziele, der WWF soll Hand bieten und nicht als Störfaktor und Verhinderer gesehen werden.

Welche Themen liegen Ihnen dabei besonders am Herzen?
Da wären sicher der Tourismus und seine künftige Entwicklung. Dieser Sektor ist für das Wallis und die Menschen hier von zentraler Bedeutung. Darum ist auch dem WWF klar, dass der Tourismus einen entsprechenden Entwicklungsspielraum haben muss. Dennoch ist es wichtig, dass die Entwicklungen im Einklang mit den bestehenden Gesetzen vonstattengehen, auch aus Sicht des Tourismus selbst. Die Umwelt und die Landschaft sind das Grundkapital des Tourismus. Wenn versucht wird, durch die Hintertür hier noch ein Wäldchen zu roden oder dort ein Schutzgebiet aufzuheben, schneidet sich der Tourismus ins eigene Fleisch. Die Touristen kommen nicht mehr, wenn wir jeden Quadratmeter der Alpen in einen Vergnügungspark verwandelt haben.

«Umweltschutzgesetze sind nicht nur Empfehlungen»

Wir müssen uns überlegen, wie wir den Tourismus weiterentwickeln können, ohne noch viel mehr Land zu erschliessen und zu verbauen. Ein schönes alpines Dorf darf nicht zur Stadt werden, kein Tourist möchte das. Darum glaube ich, dass eigentlich im Grunde wenige Differenzen zwischen Umweltschutz und Tourismus bestehen. Dabei muss ich aber betonen, dass man auch hinter das Offensichtliche schauen muss. Eine Landschaft, die schön aussieht, muss noch lange nicht gesund sein. Auch hier hat der WWF seine Aufgaben. Ein Fluss mit klarem Wasser, in dem aber nichts mehr lebt, ist kein gesunder Fluss.

«Wir schauen der Stromindustrie genau auf die Finger»

Womit wir bei Ihrem zweiten Schwerpunktthema wären­, der Wasserkraft.
Der WWF ist selbstverständlich für saubere und erneuerbare Energie, also auch für die Wasserkraft. Aber nicht um jeden Preis. Studien zeigen, dass rund 95 Prozent der Gewässer in der Schweiz für die Stromproduktion genutzt werden. Das Ausbaupotenzial der Schweiz ist ausgeschöpft. Die Kraftwerks­projekte, die derzeit anstehen, erinnern mich daher oft an das Auspressen einer Zitrone, die schon ausgepresst ist. Mit neuen Wasserkraftwerken kann die Stromproduktion nur noch minimal erhöht werden, die Folgen für wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen dagegen sind teilweise katastrophal. Darum kann der WWF der Wasserkraft nicht einfach einen Blankoscheck ausstellen. Wir werden bei jedem Projekt Vor- und Nachteile prüfen und entsprechend reagieren. Wir schauen der Stromindustrie genau auf die Finger, besonders da die Preise für Strom aus Wasserkraft nachgeben.

Warum das?
Gesetzlich muss bei jedem Wasserkraftwerk eine gewisse Restwassermenge im Bachbett verbleiben. Aller­dings ist dies bei vielen bestehenden Wasserfassungen nicht der Fall. Das Gesetz verlangt darum eine entsprechende Sanierung, mit Umsetzungsfrist von 1992 bis 2012. Man ist hier also stark im Hintertreffen. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Sanierungen wirtschaftlich vertretbar sein sollten. Da die Kraftwerksgesellschaften derzeit weniger verdienen, befürchten wir Abstriche bei den Sanierungen.

An einem Thema werden Sie ebenfalls nicht vorbeikommen – dem Wolf. Wie sieht Ihre Position hier aus?
Die Wolfsfrage wird auf nationaler Ebene entschieden, nicht im Oberwallis. Und die Position des WWF ist klar: Der Wolf ist in ganz Europa geschützt und soll es weiterhin bleiben – das gilt auch im Wallis. Zudem sollten wir die Verhältnisse wahren: Über 90 Prozent der während des Alpsommers verlorenen Schafe sterben wegen Unfällen oder Krankheiten, nicht durch Risse von Grossraubtieren. Werde ich auf den Wolf angesprochen, so gebe ich gerne Auskunft. Auch hier bin ich für eine pragmatische Haltung, besonders, da das Thema Wolf so emotional diskutiert wird. Guter Herdenschutz hat auch das Potenzial, die Diskussion zu entspannen. Mein Ziel ist es aufzuzeigen, dass das Zusammenleben mit dem Wolf auch im Wallis möglich ist.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Laura
Name Schmid
Geburtsdatum 15. Dezember 1985
Familie ledig
Beruf Geschäftsleiterin WWF Oberwallis
Hobbies Wandern, Lesen, Velofahren

Nachgehakt

Der Wolf gehört ins Wallis.  Ja
Auf meinem Teller landet nur Essen aus ökologischem Anbau.  Ja
Das Wallis ist umweltschutztechnisches Brachland.  Nein
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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