Frontal-Interview | Umweltbildner Armin Christen

«Vor 30 Jahren hätte man über Umweltbildung gelacht»

Armin Christen, Leiter Umweltbildung im Regionalen Naturpark Pfyn-Finges.
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Armin Christen, Leiter Umweltbildung im Regionalen Naturpark Pfyn-Finges.
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Armin Christen leitet den ­Bereich Umweltbildung im Regionalen Naturpark Pfyn-Finges. Ein Gespräch über seine Tätigkeit, das Verhältnis der heutige Jugend zur Umwelt und warum auch Umweltbildung sich mit Smartphones beschäftigen muss.

Armin Christen, was muss man sich eigentlich unter dem Wort Umweltbildung vorstellen?

Im Regionalen Naturpark Pfyn-Finges geht es grundsätzlich um alle Aspekte von Landschaft. Der Bereich Umweltbildung hat dabei die Aufgabe, die Bewohner und die Besucher für Natur- und Kulturlandschaften zu sensibilisieren. Dabei geht es darum, ein verantwortungsvolles Verhalten gegenüber der Umwelt herbeizuführen. Wir zeigen auf, welche Faktoren auf unsere Landschaft Einfluss nehmen.

Das tönt sehr abstrakt, können Sie ein praktisches ­Beispiel geben?

Im Park gibt es mehrere Schutzgebiete, am bekanntesten ist wohl das im Pfynwald. Umweltbildung zielt darauf ab, den Menschen zu erklären, warum dieses Gebiet geschützt ist. Sprich wir zeigen zum Beispiel mittels Exkursionen, welche seltenen Tier- und Pflanzenarten hier vorkommen und wie man sich verhalten soll, damit sie sich entfalten können. Dann gibt es aber auch die sogenannten «Schulen im Park», wo wir in der Nähe von Schulhäusern den Primarschülern aus der Region konkrete Umwelterfahrungen ermöglichen, sprich wo sie in Kontakt mit Kultur- und Naturlandschaft treten können.

Das heisst Umweltbildung bedeutet eigentlich Exkur­sionen und Schulausflüge in die Natur.

Ja, aber nicht nur. Umweltbildung meint auch die Erarbeitung von Dokumenten und Konzepten, mit deren Hilfe die Besucher den Park auf eigene Faust erleben können. Zum Beispiel erarbeiten wir für verschiedene Orte im Regionalen Naturpark einen «Mini-Guide», welcher die Landschaft erlebbar macht, in dem praktische Informationen und «Geschichten» zur Landschaft zu finden sind. Dann geht es aber auch darum, das Wissen für unsere Exkursionsführer bereit zu stellen, sodass die Qualität der Führungen stets gewährleistet ist. Wir haben drei festangestellte Guides, dazu kommen aber noch rund zehn Aushilfsführer. Da ist es wichtig, dass die Qualität stimmt. Und natürlich meint Umweltbildung auch unsere Ausstellungen im Natur- und Landschaftzentrum hier in Salgesch.

Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Wie entscheiden Sie, welche Themen in die Umweltbildung im Park einfliessen?

Wichtig ist, dass ein Bedürfnis da ist und dass ein neues Projekt verschiedene Akteure in der Region vernetzt. Die Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen ist uns sehr wichtig. Das zeigt sich zum Beispiel an unseren Projekten, die wir zusammen mit Schulen realisieren. Wir klären ab, wie ein Projekt in den Schulstoff integriert werden kann. Das bedingt natürlich, dass wir nicht nur mit den entsprechenden Lehrpersonen sprechen, sondern uns auch mit der Schuldirektion austauschen. Wir wollen die Schulklasse nicht nur als Teilnehmer an Exkursionen, sondern auch auf die Bedürfnisse der Klassen und Schulen eingehen. Und dann sind da noch die Vereinbarungen mit Bund und Kanton.

Wie sehen die aus?

Alle vier Jahre reichen wir bei Bund und Kanton die Projekte für die nächste Betriebsphase ein, welche sich in meinem Bereich auf ein nationales Umweltbildungskonzept stützen. Im Rahmen dieser Konzepte entwickeln die Pärke in der Schweiz dann ihre Projekte. Schliesslich werden wir von Kanton und Bund finanziert.

Was ist denn nach Meinung des Bundes zeitgemässe Umweltbildung?

Der Trend geht dahin, dass man versucht, Gruppen zu sensibilisieren, die bis anhin eher weniger mit Umwelt zu tun hatten, sprich man versucht neue Zielgruppen für die Umweltbildung zu erschliessen. Dann sollten die Angebote kreativ sein, sprich dass man zum Beispiel mehr anbietet als nur reine Exkursionen. Zeitgemäss ist auch, dass man als Park nicht allein agiert, sondern Akteure aus der Region in die Projekte miteinbezieht. Und ebenfalls wichtig ist, dass wir Angebote haben, die die Besucher alleine erleben können. In diesem Bereich eröffnet uns die Digitalisierung natürlich viele spannende Möglichkeiten, interessierte Gäste auch über Apps zu informieren. Die Angebote zu haben ist eine Sache, deren Nutzung die andere.

Interessieren sich die Menschen für Umweltbildung im Naturpark Pfyn-Finges?

Ich denke schon, das zeigt sich auch daran, dass viele unserer Angebote wie zum Beispiel das ornithologische Apéro teilweise komplett ausgebucht sind. Auf der anderen Seite sind wir von Faktoren wie Wetter und dergleichen stark abhängig.

Nehmen mehr Erwachsene oder Kinder und Jugend­liche die Angebote in Anspruch?

Das ist recht ausgeglichen.

Welche Teilnehmer haben Sie lieber, wo können Sie mehr erreichen?

Die grössten Effekte kann man bei Kindern unter sieben Jahren erzielen. In diesem Alter entsteht die Bindung zu Natur und zur Landschaft. Ich mag es jedoch auch, wenn ich erwachsene Teilnehmer habe. Hier entstehen oft sehr angeregte Diskussionen, das Feedback ist grösser als bei jüngeren Teilnehmern, was sehr bereichernd sein kann. Natürlich gibt es aber auch von Kindern Feedbacks. Wenn ich zum Beispiel Sätze höre: «Das ist ja wie in den Ferien», macht mir das sehr grosse Freude. So gesehen sind mir alle Teilnehmer lieb und teuer.

Oft hört man, dass die jungen Menschen zunehmend den Kontakt zur Natur und zur Umwelt verlieren ­würden. Wie beurteilen Sie diese Aussage?

Das ist natürlich eine sehr langwierige Entwicklung, meine Erfahrung im Bereich Umweltbildung ist hier wohl zu klein, um dies abschliessend beurteilen zu können. Wenn ich aber meine eigene Kindheit als Massstab heranziehe, so denke ich schon, dass sich der Bezug der heutigen Jugend zur Umwelt verändert hat.

Können Sie das ausführen?

Vor 30 Jahren hätte man über Umweltbildung gelacht. Kinder entdeckten die Umwelt und die Natur in ihrem Alltag, auf dem Schulweg oder im Garten. Heute muss man dieses Entdecken anleiten. Die Umwelt der Kinder hat sich stark verändert.

Wo orten Sie die Gründe dafür?

Die Verstädterung, auch auf dem Land, spielt sicher eine grosse Rolle, die Flächen, wo Kinder in Kontakt mit der Natur treten können, haben abgenommen. Auch die technischen Entwicklungen und die Bildschirmwelt haben dazu geführt, dass sich das Leben heute stärker in den eigenen vier Wänden abspielt. Dies verhindert natürlich, dass Kinder die Natur spielerisch von selbst entdecken.

Gibt es noch andere Faktoren?

Heute muss fast alles in irgendeiner Form ein Erlebnis sein, selbst das Einkaufen im Supermarkt. Das Konsumverhalten unserer Gesellschaft ist auch in der Umweltbildung sichtbar und dann sollte alles schneller, kürzer und dichter über die Bühne gehen. Diese Faktoren geben der Umweltbildung die Aufgabe, die Teilnehmer dort abzuholen, wo sie sind. Deshalb kann ich mir auch die Arbeit mit Smart­phones in der Natur vorstellen.

Wie rechtfertigt man denn den Aufwand, den man heute für etwas treiben muss, was früher von selbst ­geschehen ist?

Mit dem, um was es geht. Der Regionale Naturpark Pfyn-Finges heisst: «Wir haben hier eine der ursprünglichsten Landschaften der Schweiz.» Diese gilt es, unserer Meinung nach, als ein Kapital zu sehen. Das ist aber nur möglich, wenn das nötige Verständnis bei den Menschen vorhanden ist. Dieses Verständnis kommt aber nicht einfach so, man muss etwas über seine Umwelt wissen, seine Umwelt kennen. Schlussendlich entscheiden die Bewohner, welche Landschaft an die kommende Generation weitergegeben wird.

Sind Ihre Tätigkeiten so gesehen eine Art ideologische Schützenhilfe für den Regionalen Naturpark?

Nein, das ist nicht das Ziel der Umweltbildung. Auf die gemachten Erfahrungen und Wahrnehmungen der Teilnehmer haben wir wenig Einfluss. Was mich interessiert, ist der Dialog mit den Teilnehmern und Gästen. Ich habe festgestellt, dass die Bewohner der Regionalen Naturpärke der Schweiz sehr stark mit ihrer Landschaft verbunden sind und stolz darauf sind, dort zu wohnen. Ein Regionaler Naturpark zeigt Wege auf, wie das Potenzial Landschaft noch besser genutzt werden kann.

Bei Themen wie Natur und Landschaft geht es oft auch um Gefühle. Welche Rolle spielen Emotionen bei der Umweltbildung?

Positive Emotionen bei der Vermittlung sind zentral und werden den Teilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben. Wir sind dabei, ein Projekt unter dem Titel «Landschaft, Kunst und Wissenschaft» aufzugleisen. Ziel wird es sein, wissenschaftliche Erkenntnis über künstlerische Elemente zu vermitteln. Dies spricht eher eine emotionale Ebene an, fördert eine neue Wahrnehmung und bringt neue Besucher mit der Landschaft in Kontakt.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Armin
Name Christen
Geburtsdatum 15. Juni1966
Familie verheiratet, 2 Kinder
Funktion Leiter Umweltbildung Regionaler Naturpark Pfyn-Finges
Hobbies Musik, Theater, Schwimmen

Nachgehakt

Die Kinder von heute wissen zu wenig über die Umwelt  Ja
Der Park wird von mehr Auswärtigen als 
von Einheimischen besucht
Nein
Es ist problematisch wenn man nichts über 
seine Umwelt weiss
Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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