Interview | Jasmin Holzer ist Wildtierpflegerin

«Wenn du einen Fehler machst, bist du tot!»

Jasmin Holzer bei einem medizinischen Training mit einem sibirischen Tiger.
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Jasmin Holzer bei einem medizinischen Training mit einem sibirischen Tiger.
Foto: zvg

Tiere sind Holzers grosse Leidenschaft.
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Tiere sind Holzers grosse Leidenschaft.
Foto: Walter Zoo

Quelle: RZ 0

Jasmin Holzer aus Eggerberg arbeitet seit über vier Jahren im Walter Zoo im sankt-gallischen Gossau als Wildtierpflegerin. Im Interview spricht sie über ihre Leidenschaft für Tiere und Gefahren bei der Arbeit.

Jasmin Holzer, als Wildtierpflegerin üben Sie einen Beruf aus, der für Menschen aus dem Wallis eher ungewöhnlich ist, da man ihn hier bei uns gar nicht erlernen kann. Wie kam es dazu, dass Sie heute diesem Job nachgehen?
Tiere haben mich schon als Kind fasziniert. Ständig habe ich verletzte oder kranke Tiere mit nach Hause genommen, um sie aufzupäppeln. Daher träumte ich auch schon früh von einer Arbeit in diesem Bereich. Während der OS interessierte ich mich dann für den Beruf der tierärztlichen Praxisassistentin. Ich merkte dann aber, dass das nichts für mich war. Ich wollte weniger den Tieren durch Operationen helfen, sondern mich eher pflegerisch um sie kümmern. Jedoch ist es in der Wildtierpflege schwierig, etwas zu finden. Also legte ich den Gedanken an diesen Beruf beiseite und machte eine Lehre als Bäckerin und Konditorin, woran ich auch Gefallen hatte. Nachdem ich ein paar Jahre in diesem Bereich gearbeitet hatte, entschied ich mich dann endgültig, auch ausserhalb des Wallis nach einer Stelle im Tierbereich zu suchen. Vor rund viereinhalb Jahren durfte ich dann im Walter Zoo in Gossau meine Zweitausbildung beginnen, welche sich dank meiner Erstlehre um ein Jahr verkürzte. Nun bin ich seit mehr als zwei Jahren fest angestellte Wildtierpflegerin.

Bei der Ausbildung zur Tierpflegerin kann man sich auf Heim-, Versuchs- oder in Ihrem Fall Wildtiere spezialisieren. Warum haben Sie diese Richtung gewählt?
Ich hatte immer schon ein Faible für exotische Tiere und Wildtierpflegerin ist eine der wenigen Möglichkeiten, mit solch exotischen Tieren in direkten Kontakt zu kommen, zumindest in der Schweiz (lacht).

Diesen Wunsch kann man durchaus als in Erfüllung gegangen betrachten. Heute kümmern Sie sich um Sibirische Tiger, Leoparden und vieles mehr. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Im Moment ist meine Arbeit besonders abwechslungsreich. Zurzeit bin ich nämlich ein sogenannter «Springer». Das heisst, ich bin auf mehreren Revieren eingeteilt, kümmere mich also um die unterschiedlichsten Tierarten. Vornehmlich sind es aber die Raubkatzen, was mir besonders Spass macht.

Warum das?
Raubtiere sind mir einfach die liebsten (lacht).

Und was heisst es, mit Raubtieren zu arbeiten?
Einen grossen Teil der Arbeit macht das Putzen der Anlagen aus. Dann müssen die Gehege aber auch immer wieder neu eingerichtet werden, zum Beispiel indem man frische Äste hineinlegt. Bei den Raubkatzen arbeiten wir auch mit Gerüchen, sodass die Tiere immer mal wieder etwas Neues erschnüffeln können. Dann sind für die Katzen natürlich auch Klettermöglichkeiten von grosser Bedeutung. Wichtig ist, dass man sich den Bedürfnissen der jeweiligen Tierart anpasst. Alles in allem kann man sagen, dass es darum geht, die Tiere zu beschäftigen.

Ist es schwierig, ein Wildtier zu beschäftigen, zum Beispiel im Vergleich zu einem Hund?
Bei der Beschäftigung folgen wir dem Grundsatz, dass wir den Tieren Dinge anbieten, die ihnen im Zoo im Vergleich zur freien Wildbahn fehlen. Das können wie gesagt verschiedene Gerüche sein, die wir im Gehege verstecken und die die Tiere dann erschnüffeln können. Dann gibt es aber auch die Möglichkeit, Futter so anzubieten, dass es für die Tiere mit einer gewissen Herausforderung verbunden ist heranzugelangen. Allerdings hat jedes Tier seinen eigenen Charakter und ist daher nicht gleich leicht zu beschäftigen.

Lassen sich manche Tiere gar nicht beschäftigen?
Nein, beispielsweise das medizinische Training kann bei unterschiedlichsten Tierarten gemacht werden. Bei den Raubkatzen arbeiten wir hierzu nur durch das Gitter hindurch. Das Tier muss dabei ein sogenanntes Target berühren. Tut es dies, wird es mit einem Stück Fleisch belohnt. Dieses Training hat das Ziel, dass wir die Tiere aus der Nähe betrachten können, zum Beispiel wenn sie eine Verletzung haben, oder aber auch Blut abnehmen können, ohne dass das Tier narkotisiert werden muss.

Das heisst, Sie dressieren Wildtiere.
Unser Ziel ist es, die Tiere so wild zu lassen, wie es geht. Man muss aber auch sagen, dass alle unsere Tiere in Zoos geboren und aufgewachsen sind. In der Natur wären sie ziemlich verloren. Daher kann man nicht sagen, dass wir ein wildes Tier abrichten. Und das medizinische Training dient sehr stark dem Wohl der Tiere, denn jede Narkose, die nicht gemacht werden muss, ist gut. Dabei muss auch gesagt werden, dass wir die Tiere zwar beschäftigen, aber nicht bemuttern wollen. Das heisst, wir greifen nicht bei jeder Kleinigkeit ein, zum Beispiel wenn es Streit oder Rangordnungskämpfe gibt.

Sie arbeiten viel mit Raubkatzen, welche Rolle spielt das Thema Gefahr in Ihrem Berufsalltag?
Im Umgang mit einem Sibirischen Tiger, der 280 Kilogramm auf die Waage bringt, gilt: «Wenn du einen Fehler machst, bist du tot!» Man weiss zwar nie, wie ein Tier schlussendlich reagiert, wenn man plötzlich mit ihm im Gehege ist. Aber selbst wenn ein Tiger nicht angreift, sondern nur spielen möchte, hält ein Mensch das nicht aus. Im Umgang mit Raubtieren ist daher grösste Wachsamkeit nötig.

Was sagen Sie in diesem Zusammenhang zu Videos, in denen Leute mit Löwen richtiggehend kuscheln?
Ich bin sehr gerne bei meinen Tieren und ich will nicht sagen, dass ich nicht auch gerne ab und an mal mit ihnen kuscheln würde (lacht). Andererseits finde ich ein solches Verhalten aber auch nicht richtig. Denn es entspricht nicht dem natürlichen Verhalten dieser Wesen.

«Ein ‹normaler› Tiger kuschelt nicht mit Menschen»

Ein «normaler» Tiger kuschelt nicht mit Menschen! Und wir wollen ja so wenig wie möglich in das natürliche Verhalten der Tiere eingreifen. Deshalb verzichten wir auf solche Aktionen. Und übrigens gibt es im Internet genauso viele Videos, in denen das Kuscheln mit Raubkatzen gehörig schiefgeht.

Apropos Löwen. Im Herbst gibt es für Sie neue Schützlinge.
Ja genau, dann wird die brandneue Löwenanlage im Walter Zoo eröffnet. Geplant ist, dass drei Tiere zu uns kommen, ein Männchen und zwei Weibchen. Darauf freue ich mich sehr. Ganz besonders toll wäre es natürlich, wenn es dann auch schon bald Nachwuchs geben würde. Trotzdem sollen sich die Tiere genug Zeit nehmen dürfen, sich erst mal aneinander und an die neue Umgebung zu gewöhnen.

Wenn Sie sich ein Tier für den Walter Zoo wünschen könnten, welches wäre das?
Der Gepard.

Warum?
Es sind einfach faszinierende Jäger. Ihre Geschwindigkeit, ihre Jagdtechnik und ihre einzigartige Zeichnung machen sie für mich schlicht zum aufregendsten Tier von allen.

An Zoos gibt es auch immer wieder Kritik. Manche sagen, dass hier Tiere nur zur Belustigung der Menschen gehalten würden. Was sagen Sie zu solchen Aussagen?
Früher war es in der Tat so, dass in Zoos die Tiere einfach nur ausgestellt wurden. Heutzutage hingegen haben Zoos einen Bildungsauftrag. Wir zeigen den Menschen, welche faszinierenden Tierarten unsere Welt bevölkern und vor allem wie der Mensch diese Lebewesen bedroht. Zoos wie der Walter Zoo versuchen darum auch mit gross angelegten Artenschutzprogrammen, Tierarten vor dem Aussterben zu bewahren. Vielleicht gibt es einige Arten bald nur noch in Zoos, da sämtliche natürlichen Lebensräume dieser Arten von uns Menschen zerstört wurden. Zudem hat sich auch bei der Art, wie die Tiere in den Zoos gehalten werden, viel getan. Die Anlagen sind heute viel grösser und artgerechter, das Personal viel besser geschult, um den Bedürfnissen der Tiere nachzukommen.

Stichwort Artenschutz. Tiere, die in Zoos geboren wurden, sind nur schwer auszu­wildern. Gegen das Artensterben in der Wildbahn können also auch Zoos nicht viel unternehmen.
Zoos verfolgen mehrere Ziele. Einerseits wird wie gesagt versucht, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Dann aber engagieren sich die Zoos bei Projekten direkt vor Ort, die finanziell unterstützt werden. So gesehen trägt ein Eintritt in den Zoo auch zum Erhalt der Arten in der freien Wildbahn bei. Ausserdem werden pro Jahr über 50 Tierarten von Zoos wieder ausgewildert. Deshalb ist ein Auswildern, sofern der Lebensraum wieder hergestellt ist, möglich.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Jasmin
Name Holzer
Geburtsdatum 15. September 1990 
Familie ledig
Beruf Wildtierpflegerin
Hobbies Bogenschiessen

Nachgehakt

Hauskatzen sind mir zu klein. Nein
Sibirische Tiger sind die schönsten Tiere der Welt. Nein
Meine Schützlinge veräppeln mich auch einmal. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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