Stalking | Braucht es eine eigene Strafnorm?

Bund will keine Stalking-Strafnorm – Das sagt eine Betroffene dazu

Die Dunkelziffer bei Stalking ist immer noch hoch.
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Die Dunkelziffer bei Stalking ist immer noch hoch.
Foto: Symbolbild Lutz Stallknecht/pixelio.de

Quelle: RZ 0

Im Gesetz brauche es keine eigene Stalking-Strafnorm, findet das Bundesamt für Justiz. Das sei falsch, sagt eine Betroffene, die eine lange Leidensgeschichte hinter sich hat.

Im Auftrag des Parlaments hatte sich das Bundesamt für Justiz (BJ) mit der Frage befasst, ob das Schweizerische Strafgesetzbuch um den Tatbestand des Stalkings erweitert werden sollte, um Opfer besser schützen zu können.

«Strafnorm nicht nötig»

Vor Kurzem kamen die Juristen des BJ allerdings zum Schluss, dass davon auszugehen ist, dass «auch mit einem spezifischen Straftatbestand die Strafbarkeit in etwa auf gleicher Stufe einsetzen würde wie nach der heute geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung». Das bedeutet: Auch wenn es im Gesetz Stalking als eigenen Straftatbestand geben würde, wäre es kaum möglich, die Täter früher zu bestrafen. Gäbe es einen solchen Straftatbestand, gäbe es zwar die Möglichkeit, die einzelnen Handlungen eines Stalkers in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, so die Juristen des BJ, allerdings würden Beweisprobleme bestehen bleiben. «Eine zwangsläufig sehr offene gesetzliche Formulierung könnte hier gar zu noch grösseren Schwierigkeiten führen. Der Schutz der Opfer liesse sich mit einer Stalking-Strafnorm wohl nicht entscheidend verbessern», heisst es seitens des Bundesamts für Justiz.

Täglicher Terror

Anders sieht dies eine Betroffene. Die Frau aus der Region war jahrelang Opfer eines Stalkers. B. S.* wurde von ihrem Arbeitskollegen belästigt und gestalkt. «Er schrieb mir ständig Nachrichten und Briefe, machte mich in der Öffentlichkeit schlecht, mein Leben drehte sich nur noch um diesen Mann und seine Besessenheit von mir», sagt sie. «Ständig tauchte er in meinem Alltag auf und verfolgte mich.» Auch vor Sachbeschädigungen und der Belästigung der Familie von B. S. macht Stalker I. F.* nicht halt. «Bis dahin kannte ich das Wort Stalking gar nicht und glaubte auch nicht, dass ich davon betroffen sein könnte», sagt B. S. «Erst als ich zur Polizei ging, erklärte man mir, dass ich ein Stalking-Opfer sei.» Als I. F. begann, auch die Kinder von B. S. in die Angelegenheit hineinzuziehen und zu belästigen, keimte in der Frau der Gedanke, dass sich die ­Sache wohl nicht von selbst lösen würde. «Das war der Moment, in dem ich mir so richtig bewusst wurde, dass hier eine Grenze überschritten wird», erinnert sich die Oberwalliserin.

«Wie in Trance»

Doch bis zum Gang zur Polizei musste es noch schlimmer werden. Erst als I. F ihr gegenüber körperlich gewalttätig wurde, fasste B. S. den Entschluss, die Behörden einzuschalten. Den Gang zur Polizei beschrieb B. S. «wie in Trance». «Natürlich stritt er alles ab», sagt B. S. «Es stand Aussage gegen Aussage, ich konnte nichts beweisen.» Die Angst sei überwältigend gewesen, sagt B. S. «Das Haus verliess ich meistens mit laufender Handy­kamera, um beweisen zu können, wie mich der Stalker verfolgt. Zu Hause hatte ich Angst, das Licht anzumachen, weil sonst immer direkt SMS kamen, in denen klar wurde, dass er gerade mein Haus beobachtet.»

«Diese Haltung ist falsch»

Von den Behörden gab es für B. S. zunächst keine Hilfe. «Die Polizei hörte sich meine Geschichte zwar an und war auch sehr bemüht», sagt sie. «Die Beamten machten mir aber auch klar, dass ihnen die Hände gebunden sind.» Darum finde sie es falsch, dass sich der Bund gegen eine Stalking-Strafnorm ausspreche. «Als Betroffene ist man unendlich allein, man isoliert sich und niemand kann einem helfen», sagt B. S. «Der Polizei sind indes die Hände gebunden, auch wenn sie einem noch so gerne helfen würde. Ich denke, dass eine spezifische Stalking-Strafnorm es schon erleichtern würde, die Opfer von Stalking zu schützen.» Enttäuscht sei sie gewesen, so B. S. «Ich dachte immer: Die Polizei ist doch da, um zu helfen, um mich zu schützen. Dass den Behörden die Hände gebunden sind, hat das ohnehin schon übermächtige Gefühl der Hilflosigkeit nochmals gewaltig verstärkt.»

Hilfe aus dem Umfeld

Während es in vielen Fällen von Stalking nie zu rechtlichen Konsequenzen für die Täterinnen und Täter kommt, ging der Fall von B. S. schlussendlich doch vor Gericht. I. F. wurde dabei schuldig gesprochen. «Allein hätte ich nicht die Kraft gehabt, einen Prozess durchzustehen», sagt die Betroffene. «Nur dank der Unterstützung aus dem privaten und beruflichen Umfeld kam es zu einer Bestrafung meines Stalkers.» Sie hoffe jedoch, dass auch Betroffene, denen ein solcher Rückhalt nicht vergönnt sei, Gerechtigkeit widerfahren würde. «Eine Stalking-Strafnorm wäre dafür sicher ein richtiger und wichtiger Schritt», sagt B. S. «Wenn die Behörden schneller eingreifen könnten, und die Opfer nicht die derzeitige Beweislast tragen müssten, könnte viel Schmerz verhindert werden.»

*Namen geändert

Martin Meul

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