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«Ich fühle mich verarscht»

Bettina R.: «Ich wurde unter einem Vorwand heimgeschickt.»
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Bettina R.: «Ich wurde unter einem Vorwand heimgeschickt.»
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Quelle: RZ 3

Bettina R.* (19) wollte für ein Austauschjahr nach Amerika. Doch es kam anders. Jetzt klagt ihre Familie­ die Reiseagentur an.

«Ich fühle mich verarscht», sagt Bettina R. und ihre Mutter Rosemarie* ergänzt: «Wir fühlen uns im Stich gelassen.» Obwohl das Geschehen schon ein Jahr zurückliegt, sind die beiden Frauen immer noch sichtlich aufgebracht. Doch der Reihe nach.

Vorfreude auf ein Auslandjahr

August 2013: Bettina R., die das Kollegium besucht, will während ihrer Schulzeit ein Austauschjahr in Übersee machen. Darum informiert sie sich bei der EF Education AG in Zürich, einer renommierten Agentur für Sprachaufenthalte, für ein Austauschjahr in Amerika. Nur knapp drei Monate später bekommt sie die Bestätigung, dass sie bei einer Gastfamilie in Nebraska einen einjährigen Sprachaufenthalt verbringen kann.
Kostenpunkt: 15 000 Franken. «Ich habe mich riesig darauf gefreut», sagt Bettina, die schon kurz nach der Zusage per Mail Kontakt zu ihrer Gastfamilie aufnimmt. «Wir haben vorgängig Informationen und auch Bilder ausgetauscht», schaut der Teenager zurück. Am 22. Juli 2014 ist es schliesslich so weit: Bettina nimmt Abschied von zu Hause und fliegt nach Nebraska.

Im Nirgendwo gelandet

In Amerika angekommen, wird die Austauschstudentin schnell von der Realität eingeholt. «Mein Zimmer war sehr spartanisch eingerichtet und es fehlte ein Kleiderschrank», sagt Bettina. «Auch das Essen war sehr eintönig. Mehrheitlich gab es Pizza, Kuchen und Chips.» Das Schlimmste: Das Haus der Gastfamilie ist im Niemandsland. «Das nächste Haus war rund fünf Kilometer entfernt», klagt Bettina. Nichtsdestotrotz lebt sich die Natischerin schnell ein, besucht täglich die Schule, spielt in einer Volleyballmannschaft und fährt am Wochenende mit der Gastfamilie in den nächstgelegenen Supermarkt zum Einkaufen. Trotzdem fühlt sie sich einsam und verbringt viele Stunden mit Lesen, Skypen oder schaut sich Filme an. Obwohl Bettina viel Sport treibt und regelmässig isst, verliert sie an Gewicht. «Ich bin zwar von Natur aus sehr schlank, habe aber trotzdem abgenommen.» Eine Erklärung dafür hat die Austauschschülerin nicht. Schliesslich wird ihre Gastmutter darauf aufmerksam und schickt sie zum Arzt.

Verdacht auf Magersucht

Dieser verschreibt ihr Protein-Shakes. Obwohl Bettina der Anweisung des Arztes Folge leistet, kann sie nicht an Gewicht zulegen. Schliesslich schickt sie die Gastmutter zum Psychologen. «Ich war gerade mal fünf Minuten zum Vorsprechen in der Praxis. Dann wurde ich wieder hinausgeschickt.» Was Bettina nicht weiss: Hinter ihrem Rücken wird bereits alles in die Wege geleitet, um die Schülerin nur vier Monate nach ihrer Ankunft in die Heimat zurückzuschicken. Der Grund: Verdacht auf Magersucht. «Unsere Richtlinien sehen vor, Austauschschüler bei erhärtetem Verdacht auf schwerwiegende gesundheitliche Probleme wie Anorexia nach Hause zu schicken. Während des Austauschjahres tragen wir die Verantwortung für die Schüler und müssen dieser selbstverständlich nachkommen. Darauf verlassen sich auch die Eltern der Schüler», erklärt Mario Tschopp von der EF Education AG auf Anfrage.

Gepäck bis heute nicht eingetroffen

Für Bettina und ihre Familie kommt die Nachricht einer vorzeitigen Rückkehr wie ein Paukenschlag. «Ich wurde unter irgendeinem Vorwand heimgeschickt», sagt Bettina und ihre Mutter Rosemarie ergänzt: «Wir waren alle total konsterniert. Vor allem auch darum, weil Bettina nie irgendwelche gesundheitlichen Beschwerden hatte.» Das bestätigt auch ihr Hausarzt, der die Schülerin nach der Rückkehr untersucht. Was Rosemarie R. besonders ärgert, ist die Tatsache, dass sich die Agentur nach der Rückkehr ihrer Tochter nie nach ihrem Wohlbefinden erkundigt hat. Zudem warte man bis heute auf ein Gepäckstück, das Bettina bei ihrer überhasteten Abreise zurückgelassen hat. Das bestätigt auch Marco Tschopp von der EF Education: «Ich verstehe den Ärger der Familie. Wir werden aber alles in die Wege leiten, damit das Gepäckstück so schnell wie möglich nachgeliefert wird.»

*Namen der Redaktion bekannt.

Walter Bellwald

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Kommentare

  • Bernd - 70

    Lange Wege bis zur nächsten Behausung und kalorienreiches Essen müsste sie doch gewohnt gewesen sein?
    Da scheinen mir doch wesentliche Probleme der jungen Dame im Argen zu liegen...

  • Rico Ros - 71

    Da hat sich die kleine Maus zurückgezogen, gelesen, Filme geschaut und sich doch offensichtlich dem Kontakt mit den Gasteltern entzogen. Zudem wurde sie zusehens dünner, verlor an Gewicht.
    DA WÜRDEN BEI MIR ALLE ALARMKLOCKEN ANGEHEN! Nicht wie nach Hause mit dem depressiven Teenager!

  • Patty - 122

    Was hat sie geglaubt wo sie landet in Nebraska/USA?
    Ein Blick auf Google Earth als Vorbereitung für ein Auslandsjahr müsste doch drin sein.
    Lauter High Potentials am Start....

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