Motosport | Rallye-Pilotin aus Brig-Glis

«Ich habe Benzin im Blut»

Franziska Martig mit dem Formel-4-Boliden: «Will möglichst viele Erfahrungen sammeln.»
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Franziska Martig mit dem Formel-4-Boliden: «Will möglichst viele Erfahrungen sammeln.»
Foto: zvg

Volle Kraft voraus: Das Tognali-Racing-Team ist perfekt eingespielt.
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Volle Kraft voraus: Das Tognali-Racing-Team ist perfekt eingespielt.
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Quelle: RZ 0

Franziska Martig-Mathys (29) ist Rallye-Co-Pilotin und fährt in der Formel 4 mit. Martig über Tempo, heisse Boliden, Frauen im Rennsport und laute Motoren.

Der Motor des Peugeot 206 XS Sport heult auf. Pilot Marco Tognali und Co-Pilotin Franziska Martig vom Tognali-Racing-Team sitzen angespannt und konzentriert in ihren Sitzen. Seit drei Jahren sind die beiden ein eingespieltes Team. Mit Erfolg: In der Rallye du Valais ist das Tognali-Team immer vorne dabei.

Als Co-Pilotin verpflichtet

Die Leidenschaft für schnelle Autos hat Martig seit ihrem 18. Lebensjahr. «Damals habe ich angefangen, mich für Motoren und Geschwindigkeiten zu interessieren», erinnert sie sich. Mit ihrem ersparten Geld kauft sie sich einen Ford Focus ST, rüstet ihn nach und ersteht eine Rennlizenz. Mit dem getunten Renncar (175 PS) unter dem Hintern und der Rennlizenz im Sack fährt sie verschiedene Slalom-Rennen in der Schweiz. Gegen ihre männliche Konkurrenz kann sich Martig nicht nur behaupten, sondern fährt regelmäs­sig Podesplätze ein. «Da hat mich das Rennfieber endgültig gepackt», sagt die passionierte Rennfahrerin, die hauptberuflich als Quality Inspector bei der Synthes arbeitet. Auf der Suche nach einem Rennteam landet sie schliesslich beim Tognali-Racing-Team in Ersigen, wo sie gleich als Co-Pilotin verpflichtet wird.

‹Gebetsbuch› statt Bibel

Während Marco Tognali den Renn­boliden lenkt, ist Franziska Martig für die Kurvenansage zuständig. Was bisweilen banal klingt, ist in der Realität eine ebenso wichtige wie wertvolle Aufgabe. «Ich muss die Rennstrecke im Kopf haben und den Piloten navigieren», erklärt Martig. Dazu braucht sie das sogenannte ‹Gebetsbuch›. «Darin kann ich genau ablesen, wie die Strecke angeordnet ist.» Neben einem guten Timing – «ich muss in Gedanken immer 100 Meter voraus sein» – ist auch die körperliche Leistung nicht zu unterschätzen. «Die Rennautos sind praktisch nicht gefedert, weil sie leicht sein müssen. Und mit 200 km/h über den Asphalt zu donnern, ist für die Bandscheiben nicht wirklich gut. Man spürt jeden Schlag.» Auch die Nackenmuskulatur wird stark beansprucht. «Darum ist es wichtig, dass man genug Kondition und eine ausreichende Fitness mitbringt, um die Rennen schadlos zu überstehen», so Martig.

Von einem Baumstamm gestoppt

Auch wenn es bisweilen holprig zu und her geht, Franziska Martig hat für ihre Rennfahrerkollegen nur lobende Worte übrig. «Rallyefahrer sind die Besten», sagt sie stellvertretend für die ganze Gilde. «Egal ob im Regen, auf Schnee, im Nebel oder bei Nacht – als Co-Pilot musst du dich auf deinen Rennfahrerkollegen verlassen können und umgekehrt.» Trotz aller Routine und Professionaliät kommt es aber auch zu Zwischenfällen. Das hat auch Franziska Martig schon am eigenen Leib erlebt. «Bei der Rallye du Chablais hatten wir einmal einen Abflug», sagt Martig wie nebenbei. «Es regnete stark und die Strecke war mit Schlamm bedeckt. Dabei haben wir eine Kurve nicht gekriegt und sind von der Stras­se abgekommen. Zum Glück hat uns ein Baum gestoppt.» Wie war die erste Reaktion nach diesem Höllentrip? «Wir haben geflucht, weil wir gut unterwegs waren», so Martig. Keinen Moment darüber nachgedacht, nicht mehr in ein Rennauto einzusteigen? «Nein.» Franziska Martig schüttelt den Kopf. «Wenn Angst und Unsicherheit mitfahren, dann muss man sich einen anderen Sport suchen. Die Gefahr muss man einfach ausblenden.»

Am Lenkrad eines Formel-4-Boliden

Das Tognali-Team mit Franziska Martig steckt mitten in der Saisonvorbereitung. «Am Wochenende vom 23. und 24. April starten wir mit dem Critérium Jurassien, der soganannten Jura Rallye, in die neue Saison. Wir hoffen natürlich, gleich mit einer Topplatzierung zu punkten», sagt Martig. Dass eine Rallye-Saison ein kostspieliges Abenteuer ist, versteht sich von selbst. «Darum sind wir nicht abgeneigt, wenn sich noch der eine oder andere Sponsor meldet.» Wenn Martig nicht als Co-Pilotin im Einsatz steht, sitzt sie selbst in einem Formel-4-Boliden hinter dem Lenkrad. «Erst im März war ich im tschechischen Prerov zu Testfahrten eingeladen.» Mit Erfolg. Noch diesen Sommer darf Martig für ein Privatteam ein bis zwei Rennen fahren. Für die passionierte Rennfahrerin ein Glücksfall. «Ich freue mich riesig darauf und will möglichst viele Erfahrungen sammeln.» Wie schwer ist es eigentlich, sich in einer Männerdomäne zu behaupten? «Ich habe Benzin im Blut», sagt Martig selbstbewusst. «Und eine Frau kann auch beim Autosport ihren Mann stehen.»

Walter Bellwald

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