Gespräche mit Unparteiischen zeigen auf | Oberwallis

So mies werden Schiedsrichter im Wallis behandelt

Mittendrin. Ein Schiedsrichter bei einem regionalen Fussballspiel im Oberwallis. Ohne Unparteiische kann kein Fussballspiel angepfiffen werden.
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Mittendrin. Ein Schiedsrichter bei einem regionalen Fussballspiel im Oberwallis. Ohne Unparteiische kann kein Fussballspiel angepfiffen werden.
Foto: RZ

Quelle: RZ 1

Ein Schiri gehört zum Fussball wie ein Ball und zwei Tore. Dennoch fehlt oft der Respekt vor den Unparteiischen. Drei Schiedsrichter aus dem Oberwallis packen aus.

Sie haben einen schweren Stand: die Schiedsrichter. Im Gegensatz zu Spielern oder Trainern sowie Zuschauern, die zwischendurch ihre Meinung auf den Platz schreien, wird im regionalen Fussball der Fehler oft mit dem Schiedsrichter gesucht. Die RZ setzte sich mit drei langjährigen und erfahrenen Schiedsrichtern an einen Tisch: Dominik Borter (47), Christian Ammann (30) und Franz Pfammatter (69). Sie zeigen einen exklusiven Einblick in das Leben eines Schiedsrichters.

Schiedsrichter mit Wasser geduscht
Es war ein Junioren-A-Spiel in Raron vor mehreren Jahren. Der Gastgeber spielte gegen den FC Crans-Montana. Dieser zeigte sich von einer unfairen Seite, weshalb Franz Pfammatter (69), langjähriger und erfahrener Schiedsrichter aus Visp, gleich mehrere Spieler des Feldes verweisen musste. Dies ging so weit, dass das Spiel abgebrochen wurde. Pfammatter erinnert sich: «Die Unterwalliser wollten mit sechs Spielern weiterspielen, doch das ist laut Reglement nicht möglich, deshalb war ich gezwungen, das Spiel abzubrechen.» Obwohl Pfammatter richtig handelt, eskaliert die Situation: A-Junioren von Montana ziehen ihr Shirt aus und «duschen» den Schiedsrichter mit Wasser aus Eimern. «Ich erinnerte mich noch an die Rückennummern der Spieler, sodass ich im Spielrapport alles festhalten konnte», sagt Pfammatter, der seit 41 Jahren regelmässig Fussballspiele leitet – mittlerweile selbst in der Bergdorfmeisterschaft (BDM) und Gommer Meisterschaft (GFM), zwischendurch aber immer wieder Spiele der 4. Liga und 5. Liga, sowie einzelne Juniorenspiele. Früher war er auch in höheren Ligen regelmässig als Spielleiter im Einsatz. Der frühere Spieler und Trainer pfiff in seiner zweiten Saison 75 Spiele. «Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag war ich während dieser Zeit fast ausschliesslich auf dem Fussballplatz», erinnert er sich.

Viel Hektik in Oberwalliser Derbys
Dass es dabei speziell in Spielen zwischen Ober- und Unterwalliser Klubs hektisch und emotional wird, glaubt Pfammatter nicht. Als Schiedsrichter sieht er jedoch ein anderes Problem, wenn deutsch- und französisch sprechende Teams aufeinandertreffen: «Die Oberwalliser befürchten oft, dass sie von einem Oberwalliser Schiri besonders schlecht behandelt werden, weil dieser auf keinen Fall den Verdacht aufkommen lassen will, er wäre parteiisch. Die Unterwalliser wiederum vermuten genau dies, weil er dieselbe Sprache spricht wie ihr Gegner.» Bei Teams aus unterschiedlichen Sprachregionen machte er erst vor einem Jahr eine schlechte Erfahrung. Als St. Niklaus auf heimischem Terrain gegen einen Unterwalliser Liga-Konkurrenten antreten musste, wurde Pfammatter verbal provoziert. «Weil ich eine Aktion anders interpretierte als die Unterwalliser, beschimpften sie mich und schuldigten mich an, besoffen zu sein.» Pfammatter rapportierte den Vorfall. Der Klub wurde gebüsst. Pfammatter macht deshalb vor den Spielen die Teams immer darauf aufmerksam, dass er stets neutral pfeifen werde, unabhängig davon, wer nun spiele. Zusammenfassend sagt er: «Generell gehe ich lieber ins Unterwallis, um Spiele zu leiten.» Eine Aussage, die sein Schiedsrichter-Kollege Dominik Borter (47) aus Turtmann nicht teilt. «Jedes Spiel ist anders. Ich pfiff kürzlich ein Spiel zwischen zwei Mannschaften mit Spielern aus unterschiedlichen Ländern – ohne Probleme.» Und dann sagt er: «Oberwalliser Duelle, in denen man denkt, dass sie problemlos ausgetragen werden, entwickeln sich oft zu hitzigen Spielen.» Wie viel Hektik und Emotionen aufkommen, hat laut Borter auch mit dem Schiri zu tun. Was zeichnet einen guten Referee aus? «Ein Schiedsrichter muss primär Freude am Fussballsport haben, ist regeltechnisch versiert, physisch fit und er muss in meinen Augen eine Persönlichkeit sein und glaubwürdig wirken.»

«Ich pfeife, was ich wahrnehme»
Borter fand erst mit den Jahren mehr und mehr Gefallen an der Rolle des Schiedsrichters. Zwischenzeitlich leitete er während zwei Jahren Spiele in der 1. Liga. Die Saison 2016/17 ist nun die 30. Saison, in der er aktiv ist. Heute pfeift er drei bis vier vorwiegend 2.- und 3.-Liga-Spiele im Monat. Dabei zieht er ein positives Fazit: «In all den Jahren musste ich nie ein Spiel abbrechen.» Dennoch habe er zwischendurch immer wieder Situationen erlebt, bei denen einzelne Spieler den Respekt vor dem Unparteiischen verloren haben. Borter präzisiert: «Im Übrigen können dies auch Trainer oder Zuschauer sein, die von der Seitenlinie aus einen schlechten Einfluss nehmen.» Er hat in all den Jahren eine persönliche Strategie gefunden, in der er Spielern, Trainern und Betreuern oft auf eine einfache Weise die Arbeit eines Schiedsrichters schildern kann. «Der Schiedsrichter pfeift nicht das, was ist, sondern das, was er wahrnimmt.» Heisst in der Praxis: «Ich habe ein Foulspiel gesehen.» Borter: «Könnte ich eine Wiederholung sehen, müsste ich vielleicht erkennen, dass es kein Foulspiel war, doch ich habe es so wahrgenommen, das hilft vielen Leuten, unsere Arbeit besser zu verstehen.» Für den Schiedsrichter ist klar: «Wer diesen Grundsatz versteht, kann die Leistung eines Schiris eher anerkennen.» Dennoch machte auch er schlechte Erfahrungen als Schiri: «Körperlich wurde ich nie bedroht, doch einmal erhielt ich anonyme SMS, das ging dann doch zu weit», sagt er.

Persönliche verbale Attacken
Christian Ammann (30) stammt wie Borter aus Turtmann und leitet Spiele in der 2. Liga und 2. Liga Inter. Vor 12 Jahren fand er Gefallen daran, Fussballspiele als Schiesrichter zu leiten. Er erinnert sich: «Ich habe selbst lange Fussball gespielt und verlegte dann meinen Wohnsitz in die Deutschschweiz. Deshalb konnte ich nicht mehr jede Trainingseinheit besuchen und hatte so am Wochenende auch keine Garantie auf Einsatzminuten.» Ammann handelte und wurde Schiri. «Ein grosser Vorteil eines Schiedsrichters ist die Koordination; wir können oft mitbestimmen, wann wir ein Spiel leiten wollen.» Ammann – er leitet zusammen mit seinem Bruder einen landwirtschaftlichen Betrieb in Turtmann – pfeift im Schnitt über ein Spiel pro Woche. Meist macht er dabei gute Erfahrungen. Auch er wurde jedoch aufs Übelste verbal attackiert. Es geschah bei einem 2.-Liga-Spiel in Raron, als Ammann Provokationen gegenüber seinem Vater hören musste, der früher selbst als Schiedsrichter im Einsatz stand. «Sie sagten mir, ich pfeife genauso schlecht wie er damals, das fand ich daneben.» Ammann betont, dass sich ein Schiedsrichter bei einem zweifelhaften Entscheid durchaus einmal etwas anhören muss, aber sobald es persönlich wird, hört für ihn der Spass auf. Er weiss: «Manch ein Spieler reagiert aus den Emotionen heraus und nervt sich manchmal auch wegen ihm selbst.» Damit hat Ammann kein Problem. Und: «Ein Schiri muss bei einem Fehler geradestehen.» Ammann hat gute Erfahrungen damit gemacht, als er einen Fehler eingestanden hat und sich dafür entschuldigte.

Probleme auch im Juniorenfussball
Probleme mit den Schiedsrichtern gibt es auch im Juniorenbereich. Im Frühling bei einem Junioren-D-Spiel in Naters blieb eine Spielleiterin praktisch während des gesamten Spiels im Mittelkreis stehen und leitete von dort aus das Spiel. Die Folge: Mit einem erfundenen Elfmeterpfiff entschied sie die knappe Partie (3:2, die Red.) zugunsten des Heimteams. Ein Schelm, der denkt, diese junge Dame habe nur wegen den 40 Franken Entschädigung das Spiel geleitet. Immerhin hat der Verein daraufhin reagiert und die Schiedsrichterin nicht mehr aufgeboten. Ansonsten ist im Juniorenfussball laut Christian Ammann ein anderer Trend erkennbar. «Meist sind es die Eltern an der Seitenlinie, die als Brandstifter auftreten und oft unnötig Hektik ins Spiel bringen», sagt er. Ammann weiss, wovon er spricht. Vor einigen Jahren leitete er selbst noch Juniorenspiele und erinnert sich an eines in Siders zurück: «Die Eltern gingen damals aufeinander los und auch ich musste mir einiges anhören.» Der Auslöser: Eine «unnötig ins Spiel gebrachte Hektik» von den Eltern, die sich das Spiel vom Spielfeldrand angeschaut haben.

Simon Kalbermatten

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Kommentare

  • Viége - 150

    Der Fussball ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft! Das viele Menschen eine dünne Zündschnur haben und kein Fairplay mehr kenne erlebe ich im Alltag leider auch zunehmend :-(

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