Region | Mit Oberwalliser Beteiligung

Trauercafé als Treffpunkt für neue Hoffnung

Lilian Corchia-Rieder und Stéphanie Berger betreiben in Bern ein Trauercafé.
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Lilian Corchia-Rieder und Stéphanie Berger betreiben in Bern ein Trauercafé.
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Quelle: RZ 0

Sie wollen einen Raum schaffen, in dem die unterschiedlichsten Leute Platz finden, ihre Trauer zu verarbeiten. Die Lötschentalerin Lilian Corchia-Rieder und ihre Kollegin Stéphanie Berger haben in Bern ein Trauercafé eröffnet.

Die Idee entsteht während einer Zugfahrt von Luzern nach Bern. Die Kipplerin Lilian Corchia-Rieder (43) und ihre Kollegin Stéphanie Berger (46) wollen ein Trauercafé in Bern eröffnen. Es soll kein Gastronomiebetrieb sein, sondern ein Ort, an dem sich Trauernde zweimal im Monat – jeden zweiten Mittwoch – austauschen können. Seit der Umsetzung im Sommer 2017 hat die ­Lötschentalerin mit ihrer Basler Kollegin zahlreiche wertvolle Erfahrungen gewonnen. Die Hintergründe.

Persönliche Erfahrungen mit Trauer

Vor viereinhalb Jahren verliert Lilian ihren Papa und erfährt in einer Zeit von tiefer Trauer zahlreiche Momente der Zuversicht. «Zusammen mit meiner Mama und meinen Geschwistern, aber auch mit der Dorfbevölkerung in meiner Heimatgemeinde habe ich in dieser Zeit einen starken Rückhalt und Zusammenhalt gespürt, sodass ich mehr über das Thema Trauer erfahren wollte.» Dann entscheidet sie sich für eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin. Dabei lernt sie Stéphanie Berger kennen, die – wie sie – in Bern wohnhaft ist. «Bezüglich Trauercafé ist Stéphanie das Zugpferd, denn sie arbeitet auch als Trauerbegleiterin», sagt Lilian, die im August eine weitere ­Ausbildung zur Familien-Trauerbegleiterin absolvieren wird. Wie die 43-jährige Oberwalliserin hat auch Stéphanie nach dem Tod ihrer Mutter und ihrer Schwester um nahestehende Menschen getrauert. Beide kennen sie die Wichtigkeit einer Trauerphase und wissen gleich­zeitig, dass nicht alle Menschen gleich mit der Trauer umgehen.

Trauer als anspruchsvolle Dame

Erste Erfahrungen im Trauercafé in Bern zeigen auf, dass die meisten Trauernden nicht unmittelbar nach dem Verlust eines Menschen Platz in der Gesellschaft mit Lilian und Stéphanie finden. «Gerade in den ersten Tagen und Wochen erfahren die Leute einen starken Rückhalt aus der ­Familie oder der Bevölkerung», erklärt Stéphanie. «Viele unserer Besucher finden erst später – nach einigen Monaten – den Weg zu uns.» Hinzu kommen Menschen, welche die Trauer zuerst verdrängen und erst zu einem späteren Zeitpunkt um den Verlust eines geliebten Menschen trauern können. «Das muss man akzeptieren, doch wichtig ist, dass die Trauer grundsätzlich einen Platz findet», sagt Lilian dazu und erinnert sich an einen Satz, den der griechische Diplompsychologe und Psychotherapeut Jorgos Canacakis einmal gesagt hat. Die Trauer sei wie eine anspruchsvolle Dame; sie wolle gesehen, gehört, verstanden, akzeptiert und ernst genommen werden. Wer das Trauercafé in Bern besucht, wird von den beiden Trauerbegleiterinnen stets ernst genommen und geht keine Verpflichtung ein, regelmässig dabei sein zu müssen. «Wir ­betreiben das Trauercafé ehrenamtlich und freuen uns über alle, die den Weg zu uns finden», sagt Stéphanie.

Keine Kinder der Traurigkeit

Zu Beginn eines Abends im Trauercafé wird den Besuchern eine Suppe serviert. «Es ist uns wichtig, dass die Menschen eine warme Mahlzeit erhalten und demnach auch erwärmende Gespräche führen können», so Lilian, die in einer Onkologie-Praxis als medizinische Praxisassistentin arbeitet. Bewegende Momente haben sie im Trauercafé bereits mehrere erlebt. Einen «Höhepunkt» liefert dabei eine Dame. Stéphanie erinnert sich: «Sie stand kurz vor der Scheidung und war enorm traurig, als sie zu uns kam.» Nach intensiven Gesprächen im Trauercafé habe sie auf einmal mit der Faust auf den Tisch geklopft und gesagt, dass sie nun die Lösung im Scheidungsprozess kenne. «Sie wirkte sehr klar und verliess unser Lokal.» Offensichtlich habe sie im Café viel Kraft und Mut gewonnen für anstehende Entscheidungen. Trauer findet nicht nur dort statt, wo jemand einen nahestehenden Menschen verloren hat. Für die Trauerbegleiterinnen ist klar, dass Trauer an unterschiedlichen Orten vorkommt. Im Alltag. Im Beruf. Im Hobby. Im Sport. Sowohl Lilian wie auch Stéphanie ­versuchen, nach dem rund zweistündigen Beisein im Trauercafé anschliessend abzuschalten. Lilian sagt: «Das gelingt mir meist ganz gut. Zudem nehme ich aus den Gesprächen oft eine ­tiefe Dankbarkeit mit, für alles, was wir haben.» Sie gesteht jedoch, dass es schon Gespräche gab, in denen auch sie zu Tränen gerührt war. Grundsätzlich sind sich Lilian und Stéphanie aber einig: «Kinder von Traurigkeit sind wir beide bestimmt nicht.»

Simon Kalbermatten

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