Porträt | Amadé Perrig (73) pendelt zwischen Arizona und Zermatt – als unermüdlicher touristischer Frontarbeiter

«Professoren sind Theoretiker»

Der Frontmann. Amadé Perrigs Credo: «‹Chrampfen› und das Budget gezielt einsetzen.»
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Der Frontmann. Amadé Perrigs Credo: «‹Chrampfen› und das Budget gezielt einsetzen.»
Foto: Walliser Bote

Quelle: WB /tr 15.05.19 0
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ZERMATT | Das Urgestein der Tourismus-Direktoren, Amadé Perrig, wirft zwei St. Galler Professoren fehlende Fronterfahrung im Verkauf vor. Nur Theoretiker könnten behaupten, das Marketing-Geld im Ausland werde wirkungslos ausgegeben.

Der Vorwurf mangelnder Kenntnisse an der Verkaufsfront gilt für Perrig selbst gewiss nicht. Sein gesamtes Berufsleben verbrachte er im Tourismus. Nach dem Wirtschaftsstudium an der Uni Bern (Nebenfach Tourismus) beschäftigte er sich zuerst mit der Planung, ehe er 25 Jahre operativ tätig wurde – ab 1974 zehn Jahre als erster vollamtlicher Kurdirektor von Saas-Fee, anschliessend 15 Jahre in Zermatt. Der agile Schaffer und frohgemute Denker nutzte mit seinem euphorischen Temperament die ihm zugestandenen Freiräume zum Wohle beider Stationen.

Der mit einer Amerikanerin verheiratete Brigerberger lebt im Winter in Arizona, ansonsten in Zermatt. «Auf Mandatsbasis bin ich immer noch lustvoll für Zermatt tätig», sagt er. Bis 75 will er weitermachen. Die Arbeit hält ihn geistig fit, körperlich tut es täglich eine gehörige Ration Sport. Motivieren musste er sich nie. Seine angeborene Energie würde noch heute locker reichen für zwei.

Deshalb mag er sich auch gehörig ärgern, wenn Leute von ihrem Bürostuhl aus beurteilen, «was bei der touristischen Marktbearbeitung im Ausland falsch laufen soll». Die Vorwürfe der beiden renommierten St. Galler Tourismus-Professoren Christian Laesser und Pietro Beritelli weist er als Frechheit zurück. Sie vertreten im Schweizer Jahrbuch für Tourismus die provokative These, es bringe wenig, im Ausland teure Werbe- und Kommunikationskampagnen zu fahren, um mehr Gäste in die Schweiz zu holen. Schweiz Tourismus investiert hier jährlich rund 60 Millionen Franken.

«Meint etwa jemand, die 12 000 Chinesen, die dieser Tage gruppenweise die Schweiz besuchen, kämen von sich aus zu uns?», fragt Perrig. «Nein, dahinter steckt sehr viel Arbeit», gibt er die Antwort gleich selbst. Und stösst sich an der kritischen Berichterstattung über den Besuch der ersten Gruppe von 4000 Personen diese Woche in Luzern. Statt Fragen nach einer Übersättigung und des Wohlgefühls der Einheimischen hätte er lieber gehabt, wäre der gute Job der Touristiker gelobt worden. Denn eines müsse man wissen. «Man kann da die Schweiz durchaus übergehen. Es gibt sehr viele schöne Orte auf dieser Welt.»

Harte Frontarbeit bei den Reiseveranstaltern sei deshalb mehr denn je gefragt. «Überzeugen» ist Perrigs Schlüsselwort. «Und dafür muss man unermüdlich dran sein.» Ihm selbst fällt das leicht, auch mit 73 noch. Das sei ein gutes Stück Charaktersache. Kaum etwas macht er lieber, als mit Tour Operatoren und Medienschaffenden an Fachmessen und selbst inszenierten Meetings im persönlichen Kontakt zu stehen, ihnen unermüdlich die Vorzüge der Schweiz schmackhaft zu machen. «Wem das nicht liegt, ist nicht lange an der Front.» Und genau in dieser fehlenden Konstanz sieht er eines der Probleme im Auslandmarketing. «Die Leute kommen und gehen», sagt er. «In der ­Regel sind sie sehr gut ausgebildet. Aber viel zu technokratisch.» Was das heisst? «Sie beten ihre Power-Point-Präsentation runter, statt mit den Leuten zu reden.» Das sei falsch. Wer nicht zuhören könne, wisse nicht, was der Markt wolle.

Bis heute bereitet Perrig den Besuch von grossen Tourismusmessen minutiös vor. Jedes Gespräch wird vor- und nachbereitet, Zermatt Tourismus und die interessierten Hoteliers bekommen davon eine schriftliche Einschätzung. In anderthalb Tagen schaffe er 40 Meetings, sagt Perrig. Das sei das Ergebnis von Organisation und Effizienz, aber auch des persönlichen Netzwerks. Dieses hat er sich über Jahrzehnte weltweit aufgebaut. Perrig war vor 30 Jahren der erste Schweizer Kurdirektor in China. Die Japaner begeisterte er mit Jodel und Schwyzerörgeli. Der Handorgel nicht mächtig, liess er darin kurzerhand eine Ländlermusik-Kassette einbauen. Das «Playback» von der Bühne spürten die wenigsten, wie ehemalige Reisebegleiter glaubhaft versichern. Perrig lacht: «Nein, die Orgel habe ich leider nicht mehr.»

Seit zehn Jahren konzentriert er sich nun auf den nordamerikanischen Markt. Er sei der schwierigste von allen, nach eigenen Gesetzen organisiert. «Die nationalen Reiseveranstalter lassen sich an zwei Händen abzählen. Alles andere läuft über kleine Travel-Agenten, ja gar sogenannte ‹Kitchen-Agenten›, die ihr Geschäft von zu Hause aus anbieten.» An dieses Adressenmaterial komme nur, wer vor Ort sei und die Besonderheiten des Markts verstehe. «Eine Datenbank wie meine braucht jahrelange Aufbauarbeit.» Dafür fehle vielen Ausdauer, Geduld und Herzblut.

«Der Verkauf an der Front ist der schwierigste Job von ­allen», ist Perrig überzeugt. Alle Konzepte und Strategien der Professoren und Politiker, ja selbst die gute Infrastruktur mit einem passenden Angebot brächten letztlich nichts, komme es nicht zu einem Vertragsabschluss. Deshalb sei die Wegbereitung und Kontaktvermittlung so entscheidend. «Die Preise handeln dann die Leistungserbringer aus.»

Nichts geht in der Marktbearbeitung über den direkten Erstkontakt. Das ist laut Perrig beinharte Knochenarbeit. Ihr folgen immer wieder unermüdliche motivierende Kontakte mit dem Ziel, dass der Reiseveranstalter die Destination schliesslich in sein Angebot aufnimmt. Da erkläre sich Erfolg oder Misserfolg. Und nicht in Wetter, Währung, Wirtschaftslage oder Terrorangst. Wie sonst hätte der amerikanische Gast, von Barack Obama bis Donald Trump stets von Europa-Reisen abgehalten, sonst so zulegen können? In der Tat: 2009 zählte Zermatt 73 342 amerikanische Logiernächte. Zehn Jahre später sind es 182 768.

Perrig will das nicht alles auf seine Mühle legen. Sehr vieles sei der guten Teamarbeit in der Basisstation und bei Schweiz Tourismus geschuldet, auch zusammen mit verschiedenen Hoteliers. Sein Part sei, vor Ort das Netzwerk zu bewirtschaften und Projekte anzuschieben. Er kennt mittlerweile rund 200 Reiseveranstalter persönlich. Und, noch wichtiger, sie ihn. An den Messen wollen sie schon im Voraus wissen, wann und wo er denn am Swiss-Abend seine Raclette streichen werde. So wird nun mal verkauft. Den Perrig-Jodel gibt es als Zugabe.

Neben den Reiseveranstaltern sind auch die Journalisten wichtig. Perrig: «In Radio- und TV-Shows kommt nur, wer die entscheidenden Leute kennt.» So sendete etwa eine berühmte Quiz-Show von ABC eine ganze Woche lang zur Prime Time (19.00 bis 19.30 Uhr) aus Zermatt, täglich verfolgt von 40 Millionen Zuschauern. Oder eine Bachelor-Show gestaltete ihre finale Rosenübergabe in Zermatt. «Bei den zuvor während zehn Tagen aufgenommenen Bildern bekam sogar ich noch Gänsehaut», sagt Perrig.

Die professorale Kritik empfindet Perrig gegenüber den Frontleuten als eine Frechheit. Meinen denn diese Theoretiker, die Gäste kämen von sich aus in die Schweiz?» Dann sollten sie mal Urs Kessler von den Jungfrau-Bahnen auf einem seiner Asien-Trips begleiten. Das sei knallharte Arbeit. Perrigs Fazit: «Je weiter der Markt von uns entfernt liegt, desto schwieriger wird die Arbeit.» Für Zermatt zeigt sich auch in Asien Erfreuliches. In den letzten zehn Jahren steigerte sich dieser Markt von 117 000 auf 296 000 Logiernächte.

Deshalb sei entgegen aller Kritik klar: «Wer ‹chrampft› und sein Geld vor Ort gezielt einsetzt, investiert es gut.» Das belegt Perrigs Marketing-Budget von 90 000 Franken für den nordamerikanischen Markt. Der US-Gast gibt in Zermatt im Schnitt täglich 280 Franken aus, was einen Mehrwert von über 30 Millionen Franken schafft.

Und was hält der bestandene Perrig von den elektronischen Verkaufskanälen? Der alleinige Glaube an Internet und Social Media lässt keine nachhaltige Marktbearbeitung zu, ist er überzeugt. Die Reiselustigen würden sich ihre Ideen sehr wohl dort holen, aber letztlich gerne über einen Veranstalter buchen, um allfällige Risiken abzusichern. Folglich brauche es weiterhin Tour Operators mit einem verlässlichen Preis-Leistungs-Verhältnis im Angebot. Womit der kundige Marktbearbeiter wieder im Spiel ist.

Thomas Rieder
15. Mai 2019, 17:21
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