Bargeld | Die Einführung «ihrer» 100-Franken-Note feierte die Gemeinde Ayent mit der Bevölkerung und viel Politprominenz
Eine Visitenkarte mit grossem Wert

Das Original. Marco Aymon, Gemeindepräsident von Ayent, Thomas Jordan, SNB-Präsident und Gustave Savioz, Präsident der Geteilschaften des «Grand Bisse d‘Ayent, posieren vor der Suone.
Foto: Keystone
Auf Alberto Giacometti folgt der «Grand Bisse d’Ayent», auf einen Künstler folgt Kulturgut. Gestern feierte die Gemeinde Ayent die neue Hunderternote, «ihren» Hunderter. Eine Geschichte über Verschwiegenheit, Stolz und Kulturerbe.
Wüsste man es nicht besser, könnte man glatt an eine geniale PR-Aktion denken: Die Gemeinde Ayent hat seit gestern eine Visitenkarte, die in der ganzen Schweiz tagtäglich hunderttausendfach den Besitzer wechseln dürfte. Der «Grand Bisse d’Ayent», die Suone auf Gebiet der Gemeinde auf der rechten Talseite des Rottens im Bezirk Hérens, prägt die Rückseite der neuen 100-Franken-Note, die gestern offiziell und mit grossem Tamtam in Umlauf gebracht wurde.
Die Gemeinde Ayent liegt im Unterwallis und erstreckt sich von 508 Meter über Meer bis zum Gipfel des Dreitausenders Mittaghorn. Bestehend aus elf Siedlungen und dem Feriendorf Anzère auf dem Sonnenplateau lebt die Gemeinde bis heute vom Tourismus, dem Weinbau und dank dem Wasserkraftwerk Tseuzier nicht zuletzt von der Hydroenergie.
Für die Bekanntheit Ayents über die Kantonsgrenzen hinaus sorgte bis vor rund einer Woche – nebst der Tourismusdestination – höchstens Christian Constantin, Doyen des FC Sitten und Enfant terrible des Schweizer Fussballs, der 1957 in der Gemeinde das Licht der Welt erblickte. Seit vergangenem Donnerstag ist Ayent aber auch der weniger fussballaffinen Bevölkerung ein Begriff, seit die neue Hunderternote mit dem «Grand Bisse d’Ayent» offiziell präsentiert wurde.
Nicht das Tagesthema
In Botyre, einem der Dörfchen der Gemeinde, in der das Fest für die Medienvertreter eröffnet wurde, kennt man sich, grüsst man sich. Man tratscht miteinander. Die Bevölkerung, der man an diesem «grossen Tag» über den Weg läuft, scheint sich indes nicht viel daraus zu machen aus dieser Lancierung der letzten Banknote der aktuellen Serie. Die Dialoge sind Allerweltsgespräche, an Banalität nicht zu überbieten: Es geht um den Hund, um das Kind, das sich auf die Schule freut, im Bistro sagt man danke für die Bedienung und schweigt weiter.
Ist das Thema zu gross für Ayent, seine elf Dörfchen und rund 4400 Einwohner? Haben sie sich bereits an die relativ neue Aufmerksamkeit gewöhnt? Oder machen sie sich einfach nicht so viel daraus? Darauf angesprochen gibt man sich in der Bevölkerung trotzdem stolz auf das Abbild der heimischen Suone auf der auflagenstärksten Schweizer Banknote. Im vergangenen Jahr waren es rund 134 Millionen Stück. «Es ist schön, dass die Region dadurch Aufmerksamkeit erhält», sagt beispielsweise die Wirtin des Café Restaurant du Soleil in Botyre, «aber es ist grösser als das.» Wie bitte? Es sei ein Zufall gewesen, dass gerade der «Grand Bisse d’Ayent» als Motiv ausgewählt worden sei, sagt sie. Ausserdem hätten Männer und Frauen im Wallis weitaus Grösseres erreicht und erschaffen. Eine Erklärung bleibt sie schuldig, Stolz und eine vermeintliche Prise Genugtuung schwingen nichtsdestotrotz mit.
«Motus et bouche cousue»
Dass es Zufall gewesen ist, der der Unterwalliser Gemeinde das Fest ins Dorf gebracht hat, zweifelt auch am offiziellen Festakt niemand an. Dieser findet im Préau, der Turnhalle der Orientierungsschule, in St-Romain statt. Anzüge, schöne Kleider und Deux-Pièces inmitten von Sprossenwänden, Stöckel- und glänzend polierte Herrenschuhe auf dem Linoleumboden. Der Kontrast könnte grösser nicht sein.
Während in der Turnhalle die Polit- und andere Prominenz Hände schütteln – die Fülle an Kandidaten der eidgenössischen Wahlen war erstaunlich –, darf die Bevölkerung im Festzelt auf dem Pausenplatz dank Liveübertragung auch an den Festivitäten teilnehmen. «Es gibt Dinge im Leben, die kann man nicht planen», sagte Gemeindepräsident Marco Aymon in der Eröffnungsrede und wiederholte das mantrahaftige, inoffizielle Motto des Tages: «Es ist ein Sechser im Lotto, ohne jemals gespielt zu haben.» Anekdotisch erzählte er anschliessend aus dem Nähkästchen des Entstehungsprozesses.
Am 29. Februar 2016, kaum im Büro angekommen, habe ihm sein Sekretär gesagt, jemand von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wünsche einen Rückruf. «Wären Sie bereit, eine Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterzeichnen?», fragte ihn der SNB-Mitarbeiter. Worum es konkret ging, wurde ihm aber nicht gesagt. So bejahte er im Wissen, dass er etwas ihm Unbekanntes auch gar nicht verraten und weitererzählen könne. Die Strafe
im Falle eines Vertragsbruchs – 50 000 Franken oder drei Jahre Gefängnis – tat sein übriges.
Eine Woche später besuchte ihn ein SNB-Mitarbeiter und weihte ihn in das Geheimnis ein. Nun hiess es schweigen. Seinen Gemeinderatskollegen durfte er nichts erzählen, nicht einmal seine Frau durfte er einweihen. «Motus et bouche cousue», kein Wort.
Drei kantonale Sujets
Mit der gestern in Umlauf gebrachten 100-Franken-Note ist die 9. Banknotenserie abgeschlossen. Drei von sechs Noten zeigen Sujets, die unweigerlich mit dem Wallis in Verbindung gebracht werden dürfen, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan während seiner Rede. Nebst dem «Grand Bisse d’Ayent» auf dem Hunderter sind dies eine Bergkette aus dem Aletschgebiet auf dem Fünfziger und der Lötschberg-Basistunnel auf dem gelben Zehner. Es sei kein bewusster Entscheid gewesen, das Wallis so zu ehren, sagten sowohl Jordan als auch die Grafikerin Manuela Pfrunder. Visitenkarten sind es aber allemal – und kostenlose noch dazu.
Adrien Woeffray
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