Kulturgut | Europäische Tage des Denkmals zum Thema Farben
Baudenkmäler im Farbenkleid

Gastgeber. Peter und Christine Pfammatter ermöglichten Einblicke in das Albertini-Haus mit seinen reichen Wandmalereien.
Foto: Walliser Bote
Am Wochenende vom 14. und 15. September 2019 standen im ganzen Wallis, von Saint-Maurice bis Ernen, die Türen zu Kulturdenkmälern aller Epochen offen. Unter dem Motto «Farben» gab es Bekanntes mit neuen Augen zu sehen und Verborgenes zu entdecken.
Während den Europäischen Tagen des Denkmals waren 22 Baudenkmäler im ganzen Kanton für die Öffentlichkeit zugänglich. Durch Führungen wurden interessante Einblicke gewährt und geschichtliche Zusammenhänge erklärt. Zu sehen gab es auch private Wohnungen und Häuser, die erstmals interessierten Besuchern offenstanden.
So zum Beispiel das Albertini-Haus in Leuk-Stadt mit seinen zahlreichen Wandmalereien. Beim Eintreten in die Wohnung im zweiten Stock gerät man als Besucher ins Staunen. Solch farbenfrohe Wandbilder hätte man in einer Privatwohnung nicht erwartet. Dem Eigentümer Peter Pfammatter erging es ähnlich, als er diese Bilder das erste Mal zu Gesicht bekam. 1978 kaufte er die Wohnung anlässlich einer Versteigerung. Zusammen mit den anderen Eigentümern des Hauses renovierte er erst einmal die Fassade und das Dach. 1981 wollte er die Wohnung renovieren lassen und beauftragte einen Handwerker, das alte Holztäfer von den Wänden zu reissen. «Der Arbeiter rief mich ganz aufgeregt an und sagte, ich solle sofort vorbeikommen, die Wände seien voller Bilder», erinnert sich Peter Pfammatter. Schnell wurde klar, dass es sich dabei um erhaltenswerte Wandmalereien handelte, die dem Maler Ludwig Dub zugeordnet werden konnten. Kunsthistorikerin Christine Pfammatter, Tochter des Eigentümers, erklärte die Hintergründe der zahlreichen Wandmalereien, die Jahrhunderte hinter Putz verborgen lagen.
Apokalypse und Kritik an katholischer Kirche
Sie wusste zu berichten, dass der Gelehrte und kunstaffine Vinzenz Albertini das 1560 erbaute Haus im Jahr 1599 aufstocken und mit zahlreichen Wandmalereien des Luzerner Künstlers Ludwig Dub verzieren liess. Albertini war ein einflussreicher Politiker seiner Zeit. Obwohl er Reformator war, blieb er zeitlebens Mitglied der katholischen Kirche. Er hoffte auf eine innerkirchliche Erneuerung. «Zum Ende des 16. Jahrhunderts war der Glaube verbreitet, es folge eine neue Zeit. Es war Mode, Szenen der Apokalypse malerisch festzuhalten», sagte Christine Pfammatter. Im Albertini-Haus befinden sich gleich mehrere solcher Darstellungen.
Albertini gab bei Ludwig Dub aber auch Bilder in Auftrag, die klar als Kritik an der katholischen Kirche zu verstehen sind. Die Reformatoren, wie Albertini einer war, betonten das Seelenheil, das durch die Kirche gefunden werden könnte. Die katholische Kirche, mit ihren Strafen und Drohungen, war im Verständnis Albertinis diesem Ziel hinderlich.
Vorhandenes erhalten
In Susten boten Carlo Schmidt und Karolin Wirthner Führungen in der Alten Suste an. Im ältesten Gebäude von Susten gab es Deckenmalereien zu entdecken, die in der Grisaille-Technik ausgeführt wurden. Karolin Wirthner wurde vor einiger Zeit beauftragt, eine Bestandesaufnahme des Gebäudes zu machen und eine Dokumentation zum Zustand der Alten Suste zu erstellen. «Ich traf die Grisaille-Malereien in einem sehr schlechten Zustand an», erzählte die Restauratorin. Wasser, Schmutz und die Zeit taten das Ihre. In einem ersten Schritt wurden die Deckenmalereien konserviert, um das noch Vorhandene zu erhalten. Grisaille-Malereien bestehen aus Schwarz, Weiss und Grau. Karolin Wirthner zeigte in einem kurzen Referat die Geschichte dieser besonderen Maltechnik auf, deren sich von Da Vinci bis Pablo Picasso viele Künstler bedienten. «Es wäre wünschenswert, wenn man die Grisaille-Malereien in der Alten Suste restaurieren könnte», sagte Karolin Wirthner. Dabei gehe es nicht darum, dass sie Arbeit habe, fügte sie umgehend an. «Das Objekt ist wirklich erhaltenswert. Es wäre jammerschade, wenn die Grisaille-Malereien nach so vielen Jahrhunderten ausgerechnet unsere Zeit nicht überstehen würden», sagte die Restauratorin ernst.
Lebhafte Bilder heraufbeschworen
Die Alte Suste stammt aus dem Spätmittelalter. Carlo Schmidt erzählte Überliefertes rund um das älteste Gebäude von Susten und beschwor lebhafte Bilder vergangener Zeiten herauf. Der von Ferdinand Lötscher gegründete Verein «Alte Suste» hat sich zum Ziel gesetzt, das historisch wertvolle Baudenkmal und seine Malereien zu erhalten. In einem zweiten Schritt möchte man eine sanfte Renovation anstreben.
Im Oberwallis konnten neben dem Albertini-Haus in Leuk-Stadt und der Alten Suste in Susten noch das Belwalder-Gitsch Hüs in Grengiols und die Kirche St. Georg in Ernen besichtigt werden. Im Lötschentaler Museum kommentierte Fotograf Thomas Andenmatten eine grössere Auswahl an Fotografien von Albert Nyfeler. Eingeläutet wurden die Denkmaltage mit über 70 Glockengeläuten von Oberwalliser Kirchen. Die Dienststelle für Hochbau, Denkmalpflege und Archäologie lud die Bevölkerung ein, ihr Kulturerbe in Begleitung von Fachleuten und Eigentümern neu zu entdecken.
Nathalie Benelli
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