Gefahrengut | Bundesamt für Umwelt publiziert Bericht zu Chlortransporten ins Wallis
Über 4500 Tonnen Chlor durch den Simplontunnel

Gefährliche Fracht. Lonza in Visp ist auf Chlor angewiesen. Künftig soll die Chemikalie vermehrt aus Italien bezogen werden.
Foto: WB / Alain Amherd
Wallis | Chlortransporte bergen Risiken. Künftig wird die Basis-Chemikalie vermehrt aus Norditalien bezogen. Und somit durch den Simplontunnel.
Die Walliser Chemiebranche ist auf Chlor angewiesen. Pro Tag wird durchschnittlich ein Güterwagen mit Chlorgas von Genf über Lausanne ins Wallis befördert. Abnehmer sind Lonza in Visp und Syngenta in Monthey. Der Transport erfolgt auf der Schiene, da dies bedeutend sicherer ist als auf der Strasse.
Trotzdem wurden die Transporte ins Wallis in den letzten Jahren immer wieder kritisiert. Denn sie bergen Risiken, ein Unfall mit Chlorgas könnte gravierende Folgen haben: 30 Prozent der Menschen, die sich in einem Radius von 2,5 Kilometern zum Unfallort aufhalten, sind in Todesgefahr, wenn sie das Gas einatmen. Die regelmässigen Chlortransporte auf der Bahn sind daher insbesondere am stark bewohnten Genferseebogen ein Politikum.
Genferseebogen entlasten
Aus diesem Grund haben 2016 Wirtschaftsakteure, SBB, das Bundesamt für Umwelt (BAFU) sowie das Bundesamt für Verkehr (BAV) eine Vereinbarung unterzeichnet, um die Risiken solcher Transporte für die Bevölkerung entlang der Bahnlinie am Genferseebecken zu senken. Wie man einem Bericht des BAFU vom 19. Februar 2019 nun entnehmen kann, sind die Chlortransporte in der Schweiz tatsächlich sicherer geworden.
Vor allem dank zweier neuer Massnahmen: Zum einen bringt ein Sonderzug mit reduzierter Geschwindigkeit seit 2017 wöchentlich Chlorkesselwagen aus Frankreich ins Wallis. Zum anderen wird Chlor auch aus Italien bezogen, was den dicht besiedelten Genferseebogen entlastet. Künftig soll der Bezug aus Norditalien weiter zunehmen. «Eine dauerhafte Etablierung des Bezugs von Chlor aus Italien steht kurz bevor. Sofern wirtschaftlich tragbar und aus Qualitäts- und technischen Gründen machbar, wird die Industrie bemüht sein, den Bezug aus Italien mengenmässig zu erhöhen», kann man dem Bericht ent-nehmen. Dies würde bedeuten, dass künftig vermehrt Chlor durch den Simplontunnel transportiert wird.
Mehr Transporte – mehr Risiken
Lonza Visp ist auf Chlor angewiesen. Pro Jahr benötigt das Werk durchschnittlich 15 000 Tonnen. «Chlor wird in Prozessen in der Synthese eingesetzt, da dieses ein wichtiger Baustein in der Chemie ist. Ohne dieses Rohmaterial können viele chemische und pharmazeutische Produkte nicht hergestellt werden», erklärt Lonza-Mediensprecher Renzo Cicillini. Im vergangenen Jahr habe Lonza über Italien rund 4000 Tonnen bezogen. Künftig könnten dies mehr sein. «Die Anstrengungen gehen klar dahin, den Arc lémanique weiter zu entlasten», so Cicillini. Ob Lonza mit der Weiterentwicklung des Standortes Visp mehr oder weniger Chlor benötigt, lässt der Konzern offen. Dies hänge von der Kundennachfrage ab.
Mehr Chlor durch den Simplontunnel bedeutet jedoch nicht ein grösseres Risiko für Brig. Denn bevor die Vereinbarung zustande kann, wurden sämtliche Mengen immer via Brig geführt. Auch Transporte via Arc lémanique gingen bis nach Brig und dann nach Visp zurück. «Heute ist dies nicht mehr der Fall. Auch wenn nun Transporte via Simplontunnel erfolgen, ist Brig dadurch markant entlastet», erklärt Cicillini. Zum Sicherheitsrisiko im Simplontunnel sagt Daniel Bonomi von der Sektion Störfall- und Erdbebenvorsorge beim BAFU: «Mehr Transporte bringen naturgemäss ein höheres Risiko mit sich. Aber es sind keine neuen Risiken.»
Chlor aus dem Ausland ist günstiger
Keine Option ist die lokale Produktion von Chlor vor Ort. Nach den optimistischsten Schätzungen sind die Gestehungskosten für Chlor pro Tonne im Wallis zurzeit dreieinhalb mal höher als der Durchschnittspreis für importiertes Chlor. Ändern könnten sich die Rahmenbedienungen laut Bericht des BAFU erst bei einem schwerwiegenden Ereignis. «Der öffentliche Druck könnte rasch zunehmen, zum Beispiel bei einem Eisenbahnunfall mit Chlor in der Schweiz oder im grenznahen Ausland.
Die Schweiz würde sich dann in einer intensiven politischen Debatte befinden und die Regierung könnte zu weiterreichenden Massnahmen gedrängt werden», so das BAFU.
Armin Bregy
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