Berge | Oberwalliser Alpinisten bestiegen Anfang Juni den Denali (6190 m) in Alaska
Am kältesten Berg der Welt

Steigeisenpartie. Bergwärts im Hartschnee.
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Eine Fünferseilschaft von Diego Wellig stand Anfang Juni begleitet von zwei amerikanischen Guides auf dem Gipfel des Denali (6190 m). Rund 1100 Alpinisten haben den höchsten Punkt Nordamerikas alljährlich zum Ziel, nur 45 Prozent schaffen es.
Von 1917 bis 2015 hiess die einsame Schneepyramide in Alaska Mount McKinley, genannt nach dem 25. amerikanischen Präsidenten. Seither trägt er wieder seinen traditionellen Namen mit Wurzeln in der athapaskischen Sprache (nordamerikanischer Indianerstamm). Geblieben sind dem Berg die besonderen Herausforderungen. Diese bestehen in seiner Wind und Wetter ausgesetzten Lage, was ihm den Beinamen «kältester Berg der Welt» eintrug.
Das bekamen Ende Mai/Anfang Juni auch Bergführer Diego Wellig sowie seine Gäste Cédéric Arnold, Andreas Eberhard, Claude-Alain Schmidhalter und Peter Sprenger zu spüren. Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt sind hier dauerhaft die Regel. Im Zelt hatte es –20 bis –25 Grad, am Gipfeltag auf dem höchsten Punkt deutlich unter –30 Grad. «Das war schon hart», sagt Schmidhalter. Zumal es aus dem arktischen Kältebad kein Entrinnen gibt, auch nicht bei schönsten Sonnenschein.
Bei 13 Tagen am Berg wird das definitiv nichts für Warmduscher. Schönes Wetter steigert aber entscheidend die Chancen, überhaupt bis zum Gipfel zu kommen. Der Wind erhebt sich am Denali relativ rasch zum Sturm und dann ist an einen Weiteraufstieg nicht mehr zu denken. «Wir erwischten ein ideales Zeitfenster», sagt Wellig. Ganz Zufall war das nicht. Regelmässige Kontakte mit den Meteo-Diensten in der Schweiz empfahlen den Alpinisten beispielsweise, im obersten Teil des Berges nochmals einen Ruhetag einzuschalten. Das Warten lohnte sich. Trotz Kälte. Am geplanten Gipfeltag präsentierte sich der Berg wolkenlos. Nach acht Stunden Aufstieg und dreieinhalb Stunden Abstieg war das Tagespensum erfolgreich geschafft, 23 km waren zurückgelegt.
Immer am Seil
Klettertechnisch stellt der Denali nicht übermässige Ansprüche. «Es gibt aber schon ein paar Stellen, wo man besser nicht ausrutscht», stapelt Wellig etwas gar tief. Manche Stellen sind 45 bis 50 Grad steil. Da sind Fixseile noch so willkommen, insbesondere dort, wo die Sturmwinde das blanke Eis frei fegten. Das Gehen am Seil ist daher am Denali, auch wegen der vielen riesigen Gletscherspalten, durchgehend Pflicht. Das gilt schon ab dem ersten Tag vom Base Camp (2600 m) bis zum Camp 2 (4030 m). Bis dorthin sind die Alpinisten noch mit Ski unterwegs. Sobald es steiler wird, werden diese im Schnee eingegraben und bei der Rückkehr wieder mitgenommen.
Die Abgeschiedenheit des Berges erfordert, dass die Alpinisten das kleinste Ausrüstungs- und Verpflegungsdetail selber tragen müssen. Der Berg ist in einem Nationalpark gelegen, und die Amerikaner achten mit ihren Pflicht-Begleitern sowie Park Rangers peinlich genau darauf, dass die geltenden Vorschriften eingehalten werden. Es gibt also vor Ort keinerlei externen Support, etwa durch Träger wie im Himalaja oder in den Anden. In der Startphase, nach der Landung des Kleinflugzeuges beim Base Camp, das sich knapp an der Parkgrenze befindet, schleppen die Alpinisten Lasten von gut 50 kg. Ein Teil der Ausrüstung, darunter Lebensmittel für drei Wochen, wird auf Schlitten mitgezogen. Manche Ausrüstungsgegenstände sind gar vorgeschrieben im Wissen, dass in dieser Abgeschiedenheit und auf dieser Höhe der kleinste Zwischenfall rasch lebensgefährlich werden kann. Damit das benötigte Material an die richtigen Orte gelangt, werden die Strecken zwischen den Camps teils mehrfach zurückgelegt.
Härte, Ausdauer, Kraft
Das erfordert von den Alpinisten Härte, Ausdauer und Kraft. Eine gewissenhafte Vorbereitung ist daher Pflicht. Dass in dieser Saison – der Denali wird vor allem im Mai und Juni begangen – von den 1111 angemeldeten Bergsteigern jetzt noch 277 am Berg sind (Stand 23. Juni) und von allen anderen nur 350 den Gipfel erreichten, spricht Bände.
Wellig und Schmidhalter verschrieben sich zur Vorbereitung die Teilnahme an der «Patrouille des Glaciers». «Am Denali habe ich mindestens noch zwei PdG absolviert», sagt Schmidhalter. Jeder Tag am Berg sei schön, aber auch hart gewesen. «Ein unvergessliches Erlebnis.»
Wellig auf der zweiten Runde der «Seven Summits»
Wellig war nicht zum ersten Mal am Denali. Er erlebte dort als junger Bergführer sogar sein erstes echtes Bergdrama, weil der Leiter der damaligen Expedition 50 m tief in eine Gletscherspalte fiel und sich dabei tödliche Verletzungen zuzog. Eine Bergung war unmöglich, die Expedition wurde abgebrochen, wie Wellig in seinem Buch «Grenzenlos» eindrücklich schildert. Seither stand er mehrmals auf dem Denali-Gipfel, musste aber wegen ungünstiger Witterung auch schon aufgeben.
Mit dabei war diesmal auch sein langjähriger Stammgast Peter Sprenger. Für den Liechtensteiner war der Denali der 6. Gipfel am Seil von Wellig hin zum Ziel der «Seven Summits», also aller sieben höchsten Punkte auf den sieben Kontinenten dieser Erde. Jetzt fehlt ihm dazu nur noch der Mount Vinson (4892 m) in der Antarktis», sagt Wellig. Dieses Ziel steht für die beiden nun als nächstes im Dezember/Januar auf dem Programm. Begonnen hat diese Reise 2012 am Mount Everest. Wellig selber wird dann zum zweiten Mal auf allen «Seven Summits» gestanden haben. Eine ausserordentliche, einmalige Leistung.
Thomas Rieder
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