Raumplanung | Die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes sorgt für Millionenverluste. Die Kummers trifft es besonders hart
Bald um sieben Millionen ärmer

Noch ist es Bauland. Hans-Peter und sein Vater Alois Kummer (von links) stehen auf ihrem Bauland im «Holzji» in Glis. Die 2,5 Hektaren sollen den Rückzonungen zum Opfer fallen.
Foto: Walliser Bote
Noch sind die Böden der Familie Kummer im «Holzji» sieben Millionen Franken wert. Noch. Wird die neue Planungszone der Stadtgemeinde wie vorgesehen umgesetzt, sinkt ihr Wert ins Bodenlose.
Nach Schnörkel und Prunk sucht man in der Küche der Familie Kummer vergebens. Solide Holzfronten und rustikale Möbel dominieren den Raum. Es ist kurz nach 7 Uhr in der Früh und die Landwirte Hans-Peter Kummer und Vater Alois sind bereits seit zwei Stunden auf Achse, als sie in der Küche neben Rosmarie Chanton-Kummer Platz nehmen. Ihre Familie ist in Anbetracht der ausgearbeiteten Planungszone der Stadtgemeinde ein grosser Verlierer. Aufgrund des revidierten Raumplanungsgesetzes muss Brig-Glis eine gewaltige Menge Bauland umzonen. Die Kummers besitzen im «Holzji» knapp 2,5 Hektaren Bauland, das zurückgezont werden soll. Konservativ gerechnet beläuft sich der Wert auf 7,2 Millionen Franken. Bald aber sind die Böden kaum mehr wert als das Heu, das
die Bauernfamilie auf ihnen erwirtschaftet.
Grundwerte angegriffen
Auf die geplanten Rückzonungen angesprochen, können sie ihre Enttäuschung und die Wut nicht verbergen. Aus ihrer Sicht ist das Vorhaben der Stadtgemeinde ein Eingriff in ihre Autonomie, ein Angriff auf ihr Eigentum und eine Verhöhnung ihrer Grundwerte.
Während andere Grossgrundbesitzer ihr Bauland in den vergangenen Jahrzehnten vergoldet haben, setzten die Kummers auf Kontinuität. Die Familie lebt bereits in der dritten Generation von der Landwirtschaft. Aufgebaut wurde der Betrieb von Alois’ Vater Hans Kummer, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Nordamerika gutes Geld verdiente. Nach seiner Rückkehr erwarb er damit im «Holzji» Land und Gut. Der Betrieb wuchs, Hans malochte und kaufte mit den Einnahmen sukzessive neues Land hinzu. Als Alois Kummer in seine Fussstapfen trat, folgte er dem Beispiel seines Vaters und baute das Gut kontinuierlich aus. In den 1980er-Jahren entschied schliesslich auch Hans-Peter Kummer, es Vater und Grossvater gleichzutun. Ein kurzzeitig erwogener Verkauf der Böden wurde rasch verworfen. Hätte man sich damals nur anders entschieden, blickt Hans-Peter zurück. «Dann hätte man mit dem Geld auswandern und sich ein gemütliches Leben machen können», fährt er resigniert fort. Wirklich ernst gemeint sind die Worte aber nicht. Mit Millionen auf dem Konto die Füsse hochlagern, das passt nicht in das Weltbild der Kummers.
Als die frisch fusionierte Stadtgemeinde Brig-Glis 1976 das neue Zonen- und Baureglement verabschiedet hatte, wurden viele Bürger von einem Tag auf den anderen reich. Auch die Kummers profitierten, liessen sich davon aber nicht beirren. Während im Glisergrund Wohnblöcke aus dem Boden sprossen und im «Holzji» reihenweise Einfamilienhäuser entstanden, ackerten sie weiter. Den regelmässigen Kaufangeboten zum Trotz. «Als Land-
wirte haben wir eine besondere Beziehung zu unseren Böden», betont Rosmarie Chanton-Kummer. Sie haben Hügel ausgeebnet und Löcher aufgefüllt, kennen jeden Fleck in- und auswendig. Haben das Land bewässert und in schweisstreiben-
der Arbeit bewirtschaftet, um ihm möglichst grosse Ernten abzugewinnen.
Ein Landwirt produziert und versorgt, so ihr Verständnis. Dazu zahlt sich harte, ehrliche Arbeit aus, sind sie überzeugt. Gemäss diesem Selbstverständnis leben sie – mit allen gesundheitlichen Konsequenzen, die diese calvinistische Arbeitsethik mit sich bringt. So hat Rosmarie vom jahrzehntelangen Mitanpacken einen schlimmen Rücken. Und auch Hans-Peter kann seit einem schweren Arbeitsunfall nicht mehr ohne Schmerzen arbeiten. Trotzdem schuftet er auf dem eigenen Gut und als Lohnarbeiter täglich 17 oder 18 Stunden. Oft bis tief in die Nacht hinein. Und meist unterstützt vom mittlerweile 78-jährigen Alois.
Ein Bauernopfer?
Diese Arbeitsethik wird durch die ausgearbeitete Planungszone frontal angegriffen. «Wer mit seinen Böden spekuliert oder sie überbaut hat, zählt zu den Gewinnern – und wir verlieren», hält Hans-Peter fest. Eine Rechnung, die für ihn nicht aufgeht: Profitgier wird belohnt. Harte und ehrliche Arbeit bestraft.
Ihr Mann habe die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes immer ersorgt, sagt Rosmarie. Norbert Chanton-Kummer starb im vergangenen Herbst an einem Krebsleiden. «Wenigstens muss er das jetzt nicht mehr miterleben», so die Witwe.
Die Familie sieht sich als Bauernopfer. Nach den Vorgaben des Kantons plant die Gemeinde, 18 Hektaren auszuzonen und weitere 20,5 in die Reservezone zurückzustufen. «Bei uns erwischt sie auf einen Schlag einen grossen Teil», so Rosmarie.
Nachvollziehen können sie die Wahl nicht. «Das wirkt auf mich völlig willkürlich», fügt ihr Bruder an. Man habe erwartet, dass es Böden hinauf zum Waldrand erwischt. Nun aber wolle die Gemeinde Bauland auszonen, das über die Polenstrasse vollkommen erschlossen sei. Dazu soll eine weitere Parzelle, die sie vor zwölf Jahren auf der anderen Strassenseite für 456 000 Franken gekauft haben, zur Reservezone degradiert werden. Sie hätten erwartet, dass sich die Gemeinde stärker für die Interessen der Bevölkerung einsetzt. «Visp und Naters zeigen es vor und zonen viel weniger zurück, als es ursprünglich hiess», sagt Hans-Peter und schlägt dabei mit der Hand auf den Tisch.
Sie haben über den Anwalt und Notar Aron Pfammatter Einsprache gegen die Gemeindepläne eingereicht. Dieser übte im WB vom Dienstag harsche Kritik an der Stadtgemeinde. Aufgrund der rasanten Entwicklung der Stadt müsse man heute viel weniger umzonen als noch vor Jahren angenommen. Wegen des laufen-
den Verfahrens will man sich aufseiten der Stadtgemeinde nicht öffentlich zur Thematik äussern.
«Da wird man wohl nicht viel machen können», gibt sich Hans-Peter desillusioniert. Kampflos aufgeben kommt für die Kummers dennoch nicht infrage. Das Land ist für sie eine Art Sicherheit und soll als solche an die nächste Generation in der Familie weitergegeben werden. «Wir haben den Absprung von der Landwirtschaft verpasst», sagt er und blickt auf die Uhr. Er und Alois müssen weiterarbeiten. Es steht die nächste Nachtschicht an.
Martin Schmidt
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