Politik | Standorte im Matter- und Saastal, im Goms und in Östlich Raron fallen weg
Zentralisierung der KESB in Brig, Visp und Leuk

Corinne Rovina, Vorsitzende der Oberwalliser KESB-Standorte: «Die Oberwalliser KESB funktionieren gut.»
Foto: WB/Andrea Soltermann
Oberwallis | Der Staatsrat will die momentan 23 KESB-Standorte im Kanton auf noch maximal neun reduzieren. Im Oberwallis stösst diese Zentralisierung nicht auf allzu grosse Gegenliebe.
Mitte Februar hatte Frédéric Favre bekannt gegeben, dass die Walliser Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) restrukturiert werden soll. Für den Staatsrat bitter nötig, denn: «Das Milizsystem der Walliser KESB sieht sich angesichts der immer grösseren Komplexität der Fragen des Kindes- und Erwachsenenschutzes zunehmend mit Schwierigkeiten konfrontiert», begründete Favre sein Vorhaben.
Nun soll eine Reduktion der aktuell 16 Unterwalliser KESB-Standorte auf höchstens noch sechs und der sieben Standorte im Oberwallis auf maximal noch drei den einzelnen Standorten zu der gewünschten «kritischen Grösse» und damit zu mehr «Professionalität» verhelfen, so die Idee. Gleichzeitig müsse auch das Anforderungsprofil an die einzelnen KESB-Mitglieder steigen – etwa, indem in Zukunft zwingend ein Jurist das Präsidium eines jeden Standorts innehaben soll. Umgesetzt sehen will Staatsrat Favre diese Änderungen bis spätestens im Jahr 2025.
Zukünftig am Sitz des Bezirksgerichts
Das Vorhaben dürfte die Vernehmlassung allerdings nicht ohne Probleme passieren. Gegen Favres Pläne regt sich nämlich Widerstand, etwa von Christine Clausen, Vorsitzende des Netzwerks Oberwalliser Berggemeinden (NOB). Sie sei grundsätzlich dagegen, dass die KESB-Standorte der Bergdörfer im Talgrund zentralisiert werden, erklärt sie. Neben dem Verlust der Nähe der KESB zum Bürger würden den (NOB-)Gemeinden mit der «Professionalisierung» nämlich auch höhere Kosten sowie eine Verschiebung von Arbeitsplätzen von der Peripherie in die Agglomerationen drohen. Das NOB werde deshalb zu gegebenem Zeitpunkt eine Stellungnahme abgeben.
Bei den Oberwalliser KESB selbst wiederum wolle man zunächst den konkreten Gesetzesentwurf abwarten, bevor man sich detailliert zur Restrukturierung äussere, sagt Corinne Rovina, Vorsitzende der KESB Oberwallis und Präsidentin der Standorte Brig und Goms. Klar ist: Die KESB-Standorte Goms, Östlich Raron und Brig sollen gemäss den Plänen des Kantons zukünftig am Ort des gemeinsamen Bezirksgerichts, also in Brig, zusammengeführt werden. Dasselbe gilt für die KESB-Standorte Mattertal, Saastal und Region Stalden sowie Region Visp. Sie werden in Visp zentralisiert. Als dritter Standort ist die Gemeinde Leuk vorgesehen, wo die KESB Leuk/Westlich Raron bereits heute ihren Sitz hat.
Rovina: «Professionalisierung» ist bereits vollzogen
Da man häufig mit diesen zusammenarbeite, mache die Konzentration auf die Sitze der drei Bezirksgerichte durchaus Sinn, glaubt Rovina. «Andererseits hätte das Oberwallis das System wohl nicht umgekrempelt, da es hier gut funktioniert», relativiert sie. Stattdessen verortet die Oberwalliser KESB-Vorsitzende den Ursprung des Rufs nach mehr «Professionalisierung» in einem Fall aus Lens, wo ein Beistand aufgrund von Fehlspekulationen einst rund sieben Millionen Franken eines Klienten verloren hatte, wofür anschliessend die öffentliche Hand geradestehen musste. «Das geschah allerdings noch zu Zeiten der Vormundschaftsbehörde – also bevor 2013 das neue Gesetz in Kraft getreten ist.» Mittlerweile sei die von Favre geforderte «Professionalisierung» zumindest im Oberwallis längst vollzogen, da sämtliche Behördenmitglieder über die geforderten Ausbildungen verfügten.
«Im Oberwallis funktioniert das System gut. Hier hätte man es wohl nicht umgekrempelt»
Corinne Rovina Vorsitzende KESB Oberwallis
Ersichtlich werde dies etwa an ihren Berufsprofilen. Diese seien sehr vielseitig und würden vom Juristen über den Pädagogen oder Psychologen bis hin zum Finanzspezialisten reichen.
Langfristig nur noch eine Oberwalliser KESB?
Derweil macht sich Rovina keine Illusionen: Den Druck, grösser zu werden, würden langfristig sogar die künftig noch drei KESB-Standorte im Oberwallis spüren. Ob es aber Sinn mache, sollte irgendwann nur noch eine einzige Behörde für Klienten vom Obergoms bis ins hinterste Saas- oder Lötschental zuständig sein, sei fraglich. Überfordert, wie es Staatsrat Favre im letzten Monat behauptet hat, seien die sieben Oberwalliser KESB jedenfalls schon heute nicht – Grösse der einzelnen Standorte hin oder her.
Und auch dem vom Kanton vorgebrachten Argument, (erst) mit grösseren Einzugsgebieten werde die professionelle Distanz zum Klienten garantiert, kann man sich im Oberwallis nicht vorbehaltlos anschliessen. Schliesslich gelte bei der KESB der Grundsatz, falls möglich, keine Massnahme anzuordnen, sondern mit den Betroffenen eine Lösung zu suchen. Da sei es nur hilfreich, wenn man einander kenne.
In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Dr. Felix Zurbriggen, Präsident der KESB Saastal und Region Stalden. «Eine grössere KESB bedeutet für sich allein genommen noch nicht, dass sie professioneller arbeitet.» Es könne gar das Gegenteil der Fall sein: In grossen KESB mit vielen Beamten bestehe die Gefahr, dass der Mensch zu wenig im Mittelpunkt stehe. Vielleicht rühre die «Angst» vor der KESB ja genau aus jenen grossen, ausserkantonalen Standorten, wo die Behördenmitglieder die Leute nicht kennen würden. So gesehen könne auch eine kleine KESB durchaus professioneller agieren als eine grosse.
Verschiebung von Arbeitsplätzen in den Talgrund
Als unproblematisch erachtet Rovina dagegen die geplante Änderung, wonach der KESB-Präsident eines jeden Standorts zu mindestens 80 und seine Behördenmitglieder zu mindestens 40 Prozent angestellt sein sollen. Mit der Vergrösserung der Einzugsgebiete werde sich dies quasi automatisch ergeben, sagt sie.
Gleichzeitig wird die Zentralisierung aber Auswirkungen auf die Arbeitsplätze zeigen. So könnten einige Teilpensen von aktuellen Behördenmitgliedern wegfallen – vor allem aber dürften sich die (auch administrativen) Arbeitsplätze, welche sich heute im Matter- und im Saastal, im Goms und in Östlich Raron befinden, in die Agglomerationen verschieben, teilt auch Rovina die Bedenken der NOB-Vorsitzenden Christine Clausen.
Noch unbekannt ist, welche finanziellen Folgen die «Professionalisierung» auf die Gemeinden hat. Der Kanton lässt gegenwärtig eine Studie erstellen. Wie es der Begriff «Professionalisierung» aber schon andeute, gehe sie davon aus, dass die Gemeinden für die KESB in Zukunft mehr Kosten zu tragen hätten, glaubt Rovina.
Staatsrat Favre dürfte also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten haben, bis die Walliser KESB dereinst «professionalisiert» sind.
Fabio Pacozzi
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