Bildung | Tagsüber arbeiten, am Abend und an den Wochenenden büffeln: das Leben als Student an der FFHS

«Familie, Freunde, Hobbys… Das Privatleben muss zurückstehen»

Im Interview. Stefan Vong, Armin Amacker und Joel Eyer
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Im Interview. Stefan Vong, Armin Amacker und Joel Eyer
Foto: Walliser Bote

Quelle: WB /pac 31.08.18 0
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Brig-Glis | Vor 20 Jahren öffnete in Brig die erste Fernfachhochschule der Schweiz ihre Pforten. Das Lernen hat sich seither markant verändert – die Gründe für ein Fernstudium sind dieselben geblieben. Ein Gespräch mit zwei aktuellen und einem Studenten der ersten Stunde.

Armin Amacker, Stefan Vong, Joel Eyer: Sie alle absolvieren oder absolvierten neben der Arbeit noch ein Studium an der FFHS. Weshalb tut sich jemand diese Doppelbelastung freiwillig an?

Stefan Vong: «Ich wollte weiterhin 100 Prozent arbeiten, daneben aber noch eine berufsbegleitende Ausbildung in Angriff nehmen. Das Studium an der FFHS habe ich dann mit 34 Jahren begonnen. Da ist es auch eine ­finanzielle Frage, ob man mitten im Arbeitsleben ein paar Jahre aufhören kann und will.»

Joel Eyer: «Hinzu kommt, dass wir in einer sehr schnelllebigen Zeit leben. Innerhalb von wenigen Jahren verändert sich auch im Job sehr viel – da wäre es nicht gut, wenn ich nun für ein paar Jahre ganz weg vom Arbeitsmarkt wäre. Arbeitserfahrung ist heute fast wichtiger als der Abschluss, den man hat. Somit ist es sicher vorteilhaft, wenn man Arbeit und Studium verbinden kann.»

Armin Amacker: «Bis in die späten Neunziger gab es keine Möglichkeit, berufsbegleitend zu studieren. Ich wollte aber nicht aufhören zu arbeiten, da ich damals bereits 15 Jahre im Arbeitsmarkt war. Neben dem finanziellen Aspekt wäre ein Wiedereinstieg nach einer mehrjährigen Pause sicherlich auch mit Fragezeichen verbunden gewesen. Nachdem ich ein Inserat der FFHS gesehen hatte, besuchte ich deren Informationsveranstaltung und meldete mich zum Studium an. Eigentlich hatte ich Betriebswirtschaft studieren wollen, doch die Klassengrösse wurde nicht erreicht. So wurde es dann Wirtschaftsinformatik.»

Bei allen war also die Tatsache ausschlaggebend, dass Sie neben dem Studium weiterhin arbeiten können. Hat die Woche überhaupt genügend Stunden für Beruf und Schule?

Armin Amacker: «Man braucht Ehrgeiz und Disziplin, dann reicht es. Ich wurde in dieser Zeit auch noch zweimal Vater. (lacht) Aber klar, die Belastung war schon gross. Jeden zweiten Samstag hatte ich abwechslungsweise in Zürich, Bern oder ­Basel Unterricht. Dann nahm ich jeweils die 5.20-Uhr-Seilbahn von Eischoll. Die NEAT gabs damals noch nicht, weshalb die Reise nach Zürich oder Basel drei Stunden dauerte. Am Abend gings dann um 20.30 Uhr wieder heimwärts und während der Woche wurde natürlich gearbeitet.»

Stefan Vong: «Disziplin ist ein gutes Stichwort. Man hat Familie, Kollegen, Hobbys… Das Privatleben muss da oft zurückstehen. Die FFHS beziffert den Zeitaufwand pro Woche auf 25 bis 30 Stunden. Ich persönlich nutze vor allem das Wochenende fürs Studium und investiere während der Woche noch einen bis zwei Abende. Zudem mache ich ein reduziertes Studium, was bedeutet, dass ich den Umfang des Semesterstoffs an die beruflichen ­Gegebenheiten anpassen kann – was aber natürlich zulasten der Semesterzahl geht.»

Joel Eyer: «Eine Viertelstunde pro Abend reicht definitiv nicht. Man muss sich auch mal hinsetzen können und sagen: Die nächsten zwei, drei Stunden lerne ich jetzt. Der grosse Aufwand ist auch der Grund, weshalb ich im Beruf auf 80 Prozent reduziert habe.»

Armin Amacker: «Man braucht jemanden, der dich unterstützt und dir den Rücken freihält. Ich habe deshalb immer gesagt, dass ich mein Diplom eigentlich kopieren und auch meiner Frau aushändigen muss… Aber klar: Wir lernten damals oft zu dritt, und da hatte immer mal wieder einer einen Durchhänger. Da bauten wir uns dann gegenseitig auf und sagten uns: Das ziehen wir jetzt durch!»

Sie lernten in der Gruppe. Muss man sich das Fernstudium nicht gerade so vorstellen, dass man eben nur wenig Kontakt mit ­seinen Klassenkameraden hat?

Joel Eyer: «Nein, wir haben sogar einen sehr starken Klassenzusammenhalt. Wenn du in einem Fach nicht mithältst, gibts andere, die dir den Stoff gerne an einem Abend erklären. Der Hintergrund ist auch, dass wir nur zu neunt in der Klasse sind. Fallen noch ein, zwei Studenten weg, wird die Klasse aufgelöst, und die übrigen müssten statt nach Brig wohl nach Bern in die Schule. Das schweisst ­zusammen…»

Stefan Vong: «Das kann ich bestätigen. Ich gehe in Bern zur Schule, lerne aber mit zwei anderen Wallisern. Es gibt immer kleine Grüppchen, mit denen man die Köpfe zusammen­stecken kann.»

Wie kann man sich das Fern­studium denn vorstellen?

Armin Amacker: «So etwas wie eine E-Learning-Plattform gab es damals noch nicht. Google hat man zwar gekannt, aber das war mit heute nicht zu vergleichen. Wir kauften Bücher und arbeiteten zu 99 Prozent mit Papier. Vor den Prüfungen nahm ich jeweils eine Woche Ferien, um zu ­lernen.»

Joel Eyer: «Der Unterricht an jedem zweiten Samstag ist nicht Schule in dem Sinn, dass man dort neuen Stoff lernt. Im Gegenteil: Etwa 80 Prozent macht man selbst zu Hause, während die Dozenten den Stoff während des Unterrichts nur noch vertiefen.»

Stefan Vong: «Für das Selbststudium steht uns eine Lernplattform zur Verfügung, auf die man von überall zugreifen kann. Dort wird ein Lernplan für jeden Kurs aufgezeigt. Neben der Schule an jedem zweiten Samstag haben wir mitunter auch Unterricht vor dem Bildschirm. Das ist eine super Sache, da man die Unterrichtsstunde bei Bedarf später nochmals anschauen kann.»

Ganz allgemein: Wem würden Sie zu einem Fernstudium raten, wem zu einem «normalen»?

Joel Eyer: «Wer zum Beispiel vom Kollegium kommt und im schulischen, aber noch nicht im Arbeitsalltag drin ist, dem würde ich zu einem Vollzeitstudium raten. Hat man hingegen ­bereits gearbeitet und möchte auf seinen monatlichen Lohn nicht verzichten, empfiehlt sich wohl ein Fern­studium.»

Interview: Fabio Pacozzi

Stefan Vong

Stefan Vong, 35-jährig, studiert an der FFHS Wirtschaftsingenieurwesen im fünften Semester. Neben dem Studium arbeitet Vong in einem 100-Prozent-Pensum als Lüftungsplaner.

Armin Amacker

Armin Amacker, 55-jährig, nahm 1998 mit der ersten Klasse überhaupt ein Fernfachhochschulstudium (Wirtschaftsinformatik) in Angriff – neben einem 100-Prozent-Pensum als Schreinerwerkmeister.

Joel Eyer

Joel Eyer, 26-jährig, absolviert derzeit das dritte Semester im Studiengang Betriebsökonomie. Daneben arbeitet er zu 80 Prozent bei einer Bank.

Fabio Pacozzi
31. August 2018, 16:49
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