Beim Kanton | Zehn Tage bezahlte Papi-Zeit gilt auch für Magistraten
Sonderurlaub für Vierfach-Vater Favre
Sitten | Von wegen konservativer Kanton: Der Staat Wallis gewährt seinen Angestellten heute schon einen Vaterschaftsurlaub von zehn Tagen. Auch Staatsrat Frédéric Favre nahm diesen in Anspruch. Ein Sonderfall.
Das letzte Mal, als ein Staatsrat während seiner Amtszeit Vater wurde, war 1967. Arthur Bender hiess der Glückliche, ein FDPler. Von Vaterschaftsurlaub hat damals aber noch niemand gesprochen. Und Frédéric Favre war auch noch gar nicht auf dieser Welt.
Schwer, ganz abzuschalten
Jetzt ist er Staatsrat, 40 Jahre jung, auch Favre ist FDPler. Und auch er ist glücklich. Ende des vergangenen Jahres ist er zum vierten Mal Vater geworden. Eine grosse Familie und ein hohes Amt – die vielen Freuden bringen auch viele Pflichten. Der «Nouvelliste» hat am Dienstag über Favres Vaterglück und das entsprechende Personalmanagement des Kantons berichtet.
Grundsätzlich stehen den Kantonsangestellten zehn freie Tage Vaterschaftsurlaub zu, erklärt Gilbert Briand, Personalchef des Kantons, auf Anfrage. Es sei vorgesehen, dass die Papi-Zeit zumindest im Monat nach der Geburt des Kindes bezogen wird. Und im Idealfall würden die Tage mit der Zeit dann auch wieder aufgeholt und ausgeglichen, etwa mit Überstunden. Dazu verpflichtet seien die Angestellten jedoch nicht.
Was hier für den Angestellten gilt, gelte grundsätzlich auch für Magistraten, die höchsten Staatsdiener also wie ein Richter oder eben ein Staatsrat. Auch eine Staatsrätin hätte übrigens das Recht auf einen Mutterschaftsurlaub, was aber schweizweit bisher wohl noch nie eingetroffen ist. Frédéric Favre ist gleichwohl ein Sonderfall. In jüngster Vergangenheit seien in der Westschweiz nur der Grüne Antonio Hodgers in Genf sowie der Waadtländer Sozialdemokrat Pierre-Yves Maillard während ihrer Amtszeit in der Regierung Vater geworden.
Ganz abschalten konnte Favre aber auch mit Auszeit nicht. Wie er gegenüber dem «Nouvelliste» sagt, habe er nach der Geburt des Kindes zeitweise an Sitzungen teilgenommen sowie Telefone und Mails beantwortet. Seine Kollegen in der Regierung seien selbstverständlich informiert gewesen. Mehr noch: «Sie haben mir angeboten, mich – falls erwünscht – zu vertreten, was aber nicht nötig war.» Diese Unterstützung zeigt, dass sich die Zeiten auch im Wallis ändern. Erst jüngst hatte Esther Waeber-Kalbermatten, Staatsrätin und Grossmutter, an dieser Stelle betont, dass sich die verschiedenen Lebenslagen der Regierungsmitglieder positiv auswirken würden auf die politische Arbeit. «In der aktuellen Regierung haben wir zwei junge Familienväter (Red.: neben Favre meinte sie Christophe Darbellay), verschiedene Altersgruppen, und allein diese Vielfalt öffnet uns bereits für die verschiedenen Fragestellungen und Lösungen.»
Gilbert Briand geht davon aus, dass das Thema Vaterschaftsurlaub, gleich wie die Teilzeitarbeit bei Kadern, in Zukunft noch intensiver diskutiert wird. Als Arbeitgeber sieht er den Kanton mit den zwei Wochen gut aufgestellt. «Es gibt aber auch Unternehmen, die drei oder vier Wochen anbieten.»
Favre will Stunden aufholen
Mit den zwei Wochen Vaterschaftsurlaub lebt der Kanton das Modell, über das dereinst auch das Schweizer Stimmvolk befinden könnte. Der Kompromiss aus Bundesbern sieht vor, dass die zwei Wochen innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt bezogen werden können. Und: Kommt die Gesetzesänderung durch, wäre die Papi-Zeit obligatorisch. Diese soll über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden.
Heute kommt der Arbeitgeber noch selbst auf für die Kosten. Favres bezahlte Daddy-Zeit übernimmt also der Steuerzahler. Staatsrat Favre, einst selbst Personalchef bei der Migros Wallis, scheint sich dessen auch bewusst zu sein. Natürlich werde er die Stunden wieder aufholen, sagt er im «Nouvelliste».
David Biner
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar