DER TAGESKOMMENTAR | Viola Amherd zieht in den Bundesrat ein
Viola Amherds grosser Triumph
Viola Amherd hat ihre Politkarriere gekrönt. Es ist ein Freudentag für das Wallis, das Oberwallis und die CVPO. Es ist aber vor allem ein grosser Tag für die 56-jährige Briger Juristin. Auf den Tag genau heute vor 26 Jahren schaffte sie auf der CVP-Liste den Sprung in den Briger Stadtrat. Jetzt ist sie mit einem grandiosen Ergebnis ins wichtigste politische Amt der Schweiz gewählt worden. 148 Stimmen im ersten Wahlgang – ein Vertrauensbeweis par excellence, der ihr viel Kraft und Courage gibt. Eine Leistung, die grossen Respekt, Anerkennung und Lob verdient. Das ganze Wallis freut sich mit. Herzliche Gratulation!
Amherd hat die Wahl so geschafft, wie sie seit einem Vierteljahrhundert all ihre politischen Mandate ausübt. Kompetent, konsensfähig und kompromissbereit, unaufgeregt, sachlich, fair, mit kühlem Kopf. Sie hat sich einmal mehr auf ihren politischen Instinkt verlassen, blieb ihren Werten treu. Amherd verlor ihre Gelassenheit nicht, als ihre überraschende Konkurrentin aus dem Kanton Uri immer öfter in den nationalen Schlagzeilen auftauchte. Natürlich hatte Viola Amherd Glück, dass sich Parteipräsident Gerhard Pfister früh selbst aus dem Rennen nahm, weitere chancenreiche Kandidaten ebenfalls das Handtuch warfen. In der Politik ist es wie im Beruf oder im Sport: Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort stehen.
Amherd hatte und wollte nie die aufdringliche Freundlichkeit eines Christophe Darbellay haben. Just dessen nationale Ambitionen hat sie gestern endgültig begraben. Amherd hat nie wie ein Roberto Schmidt an Festen und Versammlungen die Volksnähe gesucht. Sie kam und ging lieber durch die Hintertür. Als Stadtpräsidentin und Nationalrätin hat sie sich aber immer um die Anliegen aller gekümmert.
In der lokalen Politik hatte sie für die umliegenden Gemeinden immer ein offenes Ohr. In Bern sorgte sie mit Themen wie dem Kinder- oder Jugendschutz weniger für die grossen Schlagzeilen, aber sie hat sich als stille Schafferin viel Respekt und geschickt Mehrheiten verschafft. Mit ihrer Dossierkenntnis, ihrer Ruhe, mit ihrem Verhandlungsgeschick und dem Gespür, Wichtiges und Unwichtiges zu trennen, hat sie manch schwierige Klippen umschifft, auf kommunaler und nationaler Ebene.
Die Wahl von Keller-Sutter und Amherd ist ein Freudentag für die Frauen. Ausgerechnet zwei Frauen aus dem bürgerlichen Lager haben nun den Frauenanteil im Bundesrat erhöht. Ohne Quoten. Es ist Ironie des Schicksals, dass sich ausgerechnet Viola Amherd in diesem September an einem Podiumsgespräch in Visp noch für Frauenquoten ausgesprochen hat. Weil sonst nichts passiere… Gestern ist viel passiert. Historisches. Zwei Frauen an einem Tag wurden noch nie in die Landesregierung gewählt. Beiden Neu-Bundesrätinnen ist zuzutrauen, dass sie in der Landesregierung für frischen Wind sorgen können. Die gestrigen Wahlen haben auch gezeigt, dass das Parlament keine (Wahl-)Spielchen mehr will. Selbst die SVP hatte mit Blick auf den baldigen Rücktritt von Ueli Maurer keine Lust darauf. Gefragt ist eine verlässliche Politik, dazu braucht es zuverlässige Politikerinnen und Politiker.
Es ist ein schöner Tag für das Oberwallis. Das Oberwallis, wo sich viele immer öfter von der starken Mehrheit aus dem Unterwallis benachteiligt fühlen, stellt also eine Bundesrätin. Höchste Zeit, dass wir mit mehr Selbstvertrauen für unsere Region und unsere Stärken einstehen, statt nur Quoten im Walliser Parlament zu fordern.
Das Oberwallis hat in den letzten zwei Monaten gezeigt, dass es solidarisch sein kann. Plötzlich war Viola Amherd bei der Linken «Eine von uns». Die Rechte versprach ihr in dieser Zeitung öffentlich die Unterstützung. Die SPO hat offenbar doch nicht vergessen, dass ihre Staatsrätin ohne die CVPO 2017 wohl durchgefallen wäre. Und Franz Ruppen will ja 2021 Staatsrat werden.
Das ist gut so. Solidarität heisst allerdings nicht, dass es von medialer Seite gar keine Kritik mehr verträgt. Zwischen den Medien und der Politik wird hie und da Geschirr zerschlagen. Viola Amherd meisterte jedoch selbst diese Situationen souverän. Sie scheint also gewappnet zu sein, falls sie als Bundesrätin ins mediale und politische Kreuzfeuer geraten sollte.
Nach etlichen Wahlschlappen in den letzten Jahren ist die CVP Wallis im Freudentaumel. Vor einer Woche feierte sie den Ständeratspräsidenten Jean-René Fournier. Einen der letzten Vertreter der alten CVP-Garde. Gestern schaffte Viola Amherd mit einem Kantersieg den Sprung in den Bundesrat, politisch der Gegenentwurf zu Fournier. Das Spektrum der CVP ist breit. Eine Vielfalt, die für die Partei Segen und Fluch zugleich ist. Viola Amherd hat mit der CVP ihre Ziele erreicht. Jetzt muss die CVP Schweiz auch ihre Ziele mit Viola Amherd schaffen.
Viola Amherd hat die beruflichen Voraussetzungen, die politischen Erfahrungen und die menschlichen Qualitäten, um im Bundesrat eine tragende und führende Rolle zu spielen. Es warten viele schwere Aufgaben und es lasten grosse Hoffnungen und riesige Erwartungen auf der neuen Bundesrätin. Viel Glück, Viola!
Herold Bieler
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