HC Siders | Trainer Dany Gelinas hatte schon lange ein Auge auf seinen neuen Klub
«Wer Eishockey liebt, der liebt den HC Siders»
Der neue Cheftrainer des HC Siders bringt viel Erfahrung mit. Und weiss, wie mit jungen Spielern zu arbeiten ist. Ein nicht unwichtiger Faktor für seine neue Aufgabe im Mittelwallis.
Lokalkolorit – das passt zum HC Siders und all seinen Trainern seit dem Konkurs der AG und dem Neubeginn in der 3. Liga vor fünf Jahren. Laurent Tacchini war da, Daniel Wobmann auch, Thierry Métrailler und Alain Darbellay ebenso. Doch jetzt, mit dem Aufstieg in die dritthöchste Liga der Schweiz – die MySports League – ist der Trainerstuhl wieder international besetzt. Ein Hauch der weiten Eishockeywelt also, wie in den letzten Jahren vor dem Grounding, als die Trainer noch Morgan Samuelsson, Philippe Bozon oder Kim Collins hiessen.
Jetzt heisst der Trainer Dany Gelinas, ein 52-jähriger Kanadier, der 1987 aus seiner Heimat nach Frankreich übersiedelte und dort auch die Staatsbürgerschaft besitzt. Seine letzten Stationen als Spieler waren Epinal und Nantes, früh zog es ihn aber in die Rolle des Trainers. Mehr als 20 Jahre schon lebt er vom Eishockey, als Klubtrainer, Nationaltrainer, Sportchef, Ausbildungschef. Dies alles im Dreieck zwischen Frankreich, Slowenien und der Schweiz. Als ob er von «on ice» nicht schon genug hätte, ist er «off ice» seit September 2007 auch als Experte beim Bezahlsender Teleclub zu sehen.
Ein Weinbaugebiet – das Minervois – als seine zweite Heimat
Dany Gelinas und seine Familie sind im Minervois sesshaft geworden, eine Region in der Umgebung von Narbonne, unweit des Mittelmeeres. Es ist eines der ältesten Weinbaugebiete Frankreichs. «Meine Familie ist dort geblieben. Die Kinder haben aufgrund meiner Tätigkeit mehrfach das Schulsystem gewechselt, irgendwann geht das nicht mehr.» Er hat gelernt, alleine zu leben, insbesondere zwischen August und März. Zieht es ihn nach Hause oder kommen Frau und Kinder zu Besuch, liegen zwischen Siders und dem Minervois knapp 600 Autokilometer. «Hier bewege ich mich zumeist zwischen Wohnung, Grabenhalle und Fitnessstudio. Aber ich fühle mich sehr wohl, ich mag kleinere Orte, Berge, Kühe und Wein», sagt Gelinas und beginnt zu lachen.
Es ist sein Ausdruck der Freude, beruflich (wieder) im Wallis gelandet zu sein. Im Januar 2017 wurde er beim HC Sitten – wie jetzt in der Sonnenstadt – Nachfolger des entlassenen Alain Darbellay. Mit dem Franko-Kanadier schaffte Sitten endlich den Aufstieg, für den Klub war die 1. Liga längst eine Nummer zu klein gewesen. Aber dann trennten sich die Wege wieder.
«Mit Ajoie viele tolle Fights gegen den EHC Visp»
Im Herzen ist Dany Gelinas Kanadier geblieben, aber sein Horizont ist breit, nicht nur frankofon. Wo er auch ist, er adaptiert sich, neben Französisch und Englisch geht auch Deutsch nicht ganz so schlecht. «Ich respektiere, wie ein Land funktioniert, ich will seine Kultur kennenlernen und annehmen. Wenn ich in der Schweiz etwas nicht so habe, wie ich es etwa aus Frankreich oder Kanada kenne, dann kritisiere ich das auch nicht.» Der 52-Jährige fühlt sich privilegiert, mit dem Eishockey seine Leidenschaft als Beruf in unterschiedlichen Ländern auszuüben.
Den Sprung in die Schweiz schaffte Gelinas im Sommer 2003, als er bei Genf-Servette Trainer der Elite-B wurde. Ausgerechnet Servette also, das jetzt der neue grosse Partner des HC Siders ist und mehrere Spieler in Gelinas’ Kader parkiert hat. Seine Laufbahn brachte ihn später zu Ajoie («Ich erinnere mich an viele tolle Fights gegen den EHC Visp»), zu Basel («Wir waren hinter dem FC Basel immer nur die Nummer zwei in der Stadt»), Lausanne, Fribourg-Gottéron und eben Sitten. Die Schweiz habe ihn weniger impulsiv gemacht, die enorm gestiegene Professionalität im hiesigen Eishockey als Trainer weiterentwickelt, sagt er.
Abseits des Eishockeys schwärmt er für Biathlon-Weltstar Martin Fourcade. Hätte Gelinas Zeit, er würde sich im Biathlon wohl selbst einmal versuchen, so sehr mag er diese Sportart. «Sehr unterhaltsame Rennen, immer viele Fans mit einer grossen Begeisterung.»
Gelinas suchte via Agent den Weg zum HC Siders
Wenn der 52-Jährige bislang mit Siders etwas zu tun hatte, dann als Gegner. Aber im Gespräch spürt man heraus, dass der HCS für ihn doch eine Prise mehr, als bloss ein Verein ist, bei dem es einen interessanten Arbeitsplatz inmitten einer eishockeyverrückten Stadt gibt. Dany Gelinas beginnt zu schmunzeln. «Uff, wissen Sie, wie oft ich seit 2004 hier Anlauf nahm, um Trainer dieses Klubs zu werden?» In Zahlen sagt er es nicht, aber gewiss mehrmals mit Ausnahme des Neubeginns in den Niederungen des Schweizer Eishockeys nach dem Konkurs. Berücksichtigt wurde er nie, gewisse Kontakte ins Mittelwallis brachen aber nie ab. Der Kanadier beginnt zu schwärmen. «Wer das Eishockey liebt, so wie ich, der muss auch den HC Siders lieben. Ich bin natürlich nicht Fan, dann sind zu viele Emotionen dabei, aber Siders ist und bleibt immer ein besonderer Klub.»
Als sich diesen Sommer Siders und Servette nach langem Vorspann (endlich) die Hand zur Partnerschaft reichten, kam parallel auch Bewegung auf den Trainerstuhl. Gelinas avisierte seinen Agenten, in Siders sofort für Aufmerksamkeit zu sorgen. Wieder «musste» Darbellay für Gelinas Platz machen, nun war Gelinas’ Weg zum Aufsteiger in die MySports League frei, 14 Jahre nach dem ersten Anlauf.
Er hat sich eingenistet in der Grabenhalle und steht am Anfang einer Arbeit, die zwar klar definiert, aber in deren Zielsetzung doch noch unbekannte Faktoren einfliessen. Da wäre das Dazugehören zu einer Liga, die für den HC Siders Neuland bedeutet. Da wäre eine Mannschaft, die nach dem Aufstieg ihren Kern (siehe linke Spalte) grösstenteils verloren hat. Da wäre eine Partnerschaft mit einem NLA-Klub, die einen regen, nicht immer einfach zu moderierenden Spieleraustausch vorsieht. Dany Gelinas weiss um die Komplexität seines neues Jobs. «Hier ist fast alles neu, das Gerüst des Teams muss völlig neu gebaut werden. Eine Hierarchie gibt es noch nicht, das Gerippe muss erst mal Form annehmen. Ein Prozess, der auch mal eine oder sogar zwei Saisons dauern kann», sagt der erfahrene Trainer und Ausbildner.
«Die Fans müssen verstehen, was bei ihrem HC Siders läuft»
Gelinas will den Aufbau tiefgründig und behutsam vorantreiben, schneller Erfolg ist für ihn nicht nur etwas Positives. Er hofft, dass die emotionsgeladene Anhängerschaft eine realistische Erwartungshaltung mitbringt. «Wenn ein junger Spieler, und davon haben wir jetzt viele, einen Fehler macht, und daraufhin ein Gegentor fällt, muss man das auch verstehen. Wie soll er denn lernen, wenn das ganze Stadion pfeift und ich ihn zusammenstauche?»
Er hat in seiner Mannschaft drei Anspruchsgruppen, die alle bedient werden wollen. Er wird seine Qualitäten als Trainer und Chefmoderator unter Beweis stellen müssen. Die Jungen, die sich entwickeln wollen. Die Mittzwanziger, die nach oben schielen. Die Routinierten, die neben dem Eishockey einer Arbeit nachgehen, schon eine Familie haben und zufrieden sind mit dem, was sie haben, also der MySports League. «Das wird meine Arbeit sein. Der erste und mit Abstand wichtigste Schlüssel ist die Kommunikation, die muss funktionieren.»
Als Gelinas in Sitten übernahm, hatte er genau zehn Spiele Zeit, ehe die Playoffs und damit der Aufstiegskampf begannen. «Es gab für alle nur ein Ziel, entsprechend zusammengesetzt war die Mannschaft.» In Siders hat der neue Trainer gleich mehrere Ziele unter einen Hut zu bringen und spricht ganz einfach mal vom «sicheren Erreichen der Playoffs». Morgen, ausgerechnet bei Rivale Valais-Chablais in Martinach, beginnt dieser Mehrfrontenkampf.
Alan Daniele
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