Influencer | Das Mont Cervin Palace und Jeremy Kunz setzen auf digitale Vermarktung
«Die meisten Influencer wollen gratis übernachten»

Digitalaffin. Jeremy Kunz, Marketingleiter Hotel Mont Cervin Palace, setzt auf digitale und klassische Werbung.
Foto: WB / Andrea Soltermann
ZERMATT | Das Hotel Mont Cervin Palace setzt neben klassischer Werbung auf Influencer und Blogger. Handelt es sich dabei um Schnorrer, die gratis im Luxushotel übernachten wollen, oder steckt doch mehr hinter diesem neuen Trend?
Jeremy Kunz, Sie sind Marketingverantwortlicher des Mont Cervin Palace – ein Betrieb, der offensichtlich ins digitale Marketing investiert. Warum setzt ein Traditionshaus wie das Mont Cervin Palace auf Influencer?
«Weil wir dort präsent sein wollen, wo unsere Gäste präsent sind. Die Informationsrecherche der Gäste verlagert sich je länger, je mehr auf digitale Plattformen wie Facebook, Instagram oder Blogs. Diese Plattformen sind ein Rädchen in einem grossen Konstrukt unseres Marketings. Aber definitiv ein wichtiges Rädchen. Reiseerlebnisse und Bewertungen von Gästen gewinnen zunehmend an Bedeutung.»
Entgleitet dadurch dem Mont Cervin Palace die Hoheit über die Kommunikation mit potenziellen Gästen?
«Entgleiten würde ich nicht sagen; aber die Kommunikation hat sich verändert. Eine Marke ist nicht mehr das, was wir dem Kunden über sie sagen. Sie ist das, was sich die Gäste gegenseitig sagen, was sie ist. Welche Orte zu den ‹Hotspots› und ‹Places to be› gehören, wird in den digitalen Medien definiert.»
Wie viele Anfragen von Influencern erhalten Sie in einer durchschnittlichen Woche?
«Pro Tag erhalten wir fünf bis acht Anfragen mit sehr unterschiedlicher Qualität. Manche haben überhaupt keinen Bezug zum Hotel und sind sehr allgemein gehalten. Es gibt aber Anfragen von Influencern, die sich mit unserem Hotel beschäftigt haben und die gerne etwas darüber berichten möchten. Die sind für uns interessanter.»
Werden Sie von Bloggern und Influencern überhäuft, die einfach gratis hier nächtigen wollen?
«Absolut! Ich würde sogar sagen, die Mehrheit ist auf der Suche nach einer kostenlosen Übernachtungsmöglichkeit.»
Blogger und Influencer haben teils einen zweifelhaften Ruf: Von narzisstischen Selbstdarstellern bis Schnorrern für Gratisleistungen wird ihnen einiges angedichtet. Wie trennen Sie die Spreu vom Weizen?
«Wir selektieren in verschiedenen Schritten. Eine Grundsympathie bringen wir Influencern entgegen, die sich schon mal über das Hotel informiert haben. Danach prüfen wir die Qualität der Profile. Mit Tools wie ‹Likeometer› prüfen wir, ob die Influencer echte Follower haben oder gekaufte. Das sieht man an einer kontinuierlich gewachsenen Fanbasis. Am Schluss bleibt vielleicht eine Anfrage pro Woche, die für uns interessant ist.»
Gibt es den typischen Influencer?
«Früher wurde der typische Influencer so beschrieben: weiblich, zwischen 16 und 30 Jahre alt, eher gut aussehend und sich in den Vordergrund stellend. Das hat sich aber inzwischen verändert. Ganz viele Influencer sind Gäste, die viel reisen und darüber berichten. Sie wirken glaubwürdig und es folgen ihnen wenige Tausend Follower. Menschen mit ähnlichen Reisegewohnheiten oder ähnlichem Budget lassen sich von ihnen inspirieren. Relevant sind für uns Staatsbürger aus der Schweiz, Deutschland, England, Amerika und Brasilien. Wenn wir einen Day-Spa oder ein Restaurant bewerben, können für uns auch lokalere Influencer interessant sein.»
Genügen schöne Matterhorn-Bilder vom Balkon des Mont Cervin Palace?
«Grundsätzlich nicht. Das Matterhorn und die Destination gehören natürlich dazu. Aber wir erwarten authentische Berichte über das Hotelerlebnis.»
Suchen Sie auch aktiv nach Influencern?
«Wir verfolgen intensiv Reiseblogs und Instagram-Profile. Stossen wir auf interessante Posts oder Bilder, nehmen wir mit den Personen Kontakt auf und machen ihnen ein Angebot.»
Können Sie uns kurz die Unterschiede zwischen Blogger und Influencer erklären?
«Das sind etwas schwammige Begriffe, die ineinanderfliessen. Ein Blogger hat eine eigene Website, auf die er seine Berichte stellt. Der klassische Influencer bedient Instagram, Facebook oder YouTube und ist von diesen Plattformen abhängig.»
Während des Zermatt-Unplugged-Festivals hat der Musiker Passenger Fotos vom Mont Cervin Palace gepostet.
«Die Posts von Künstlern sind für uns sehr wertvoll. Sie machen das, weil sie sich hier wohlfühlen und ihnen der Ort gefällt. Das Video von Passenger mit dem Sticker ‹We Love Zermatt› im Mont Cervin Palace gehört für uns sicherlich schon jetzt zu den Unplugged-Highlights.»
Auch wenn Influencer-Marketing im Vergleich zu TV-Spendings deutlich günstiger ist, hat es dennoch seinen Preis. Ein Post auf Instagram bei einem reichweitenstarken Influencer kostet gut und gerne einmal 5000 Franken. Können Sie solche Zahlen bestätigen?
«Die Summen kann ich für den Markt bestätigen, aber wir bezahlen ganz grundsätzlich nichts. Influencer sind für ihre Posts auf attraktive Inhalte angewiesen. Die können wir bieten. Das Matterhorn und unser schönes Haus eignen sich gut dazu. Die Leute wollen hierherkommen.»
Die WTM-Organisatoren (World Travel Market) haben eine Studie bezogen auf den britischen Markt publiziert, deren Kernaussage ist, dass «Digital Influencer» wenig Einfluss auf die Ferienziel-Wahl von Konsumenten haben. Lediglich drei Prozent der Befragten gaben an, dass Influencer eine wichtige Rolle bei der Wahl der Reisedestination, also vor der Buchung, spielen. Wird die Bedeutung überschätzt?
«Ja, das muss ich tatsächlich sagen. Das Thema wird zurzeit total gehypt. Die falsche Meinung, ein paar Influencer einzuladen und dann würde aus einem maroden Betrieb ein florierendes Unternehmen, ist weit verbreitet. Das ist bei uns sicher nicht der Fall. Die Bedeutung von Influencern sehe ich anders. Wenn jemand sich bereits für eine Destination entschieden hat, sucht er mit den Hashtags Matterhorn oder Zermatt nach schönen Bildern. Wenn er dabei unseren Spa, die Bar oder die einladenden Zimmer sieht, will er da hin. Instagram-Tauglichkeit spielt eine wichtige Rolle.»
Für den Einfluss der Influencer spricht ja etwa, dass die ganze Overtourism-Problematik gern darauf zurückgeführt wird. Spektakuläre Bilder in den sozialen Medien inspirieren und lösen den Wunsch aus, selber Fotos vor der entsprechenden Attraktion zu posten. Das Berggasthaus Aescher im Appenzell kann ein Lied davon singen. Haben Sie keine Angst vor einem Run auf Zermatt?
«Den Run auf Zermatt gibt es ja schon. (lacht) Das Thema Overtourism ist sicher früher oder später ein Thema für Zermatt. Wie viel Tourismus und welchen Tourismus wollen wir? Wer nach Zermatt kommt, bleibt meistens mehr als einen Tag. Das ist ein Unterschied zum ‹Aescher›, wo ganz viele Tagestouristen zu einem kleinen Bergrestaurant pilgern. Bei uns verteilen sich die Besucher. Sie steigen auf Berge, machen Fotos von der Landschaft, von Bergseen, in denen sich das Matterhorn spiegelt, sind im Dorf oder in den Hotels unterwegs. Bei uns verteilt sich der Besucherstrom.»
Ist der Effekt von Berichten von Bloggern oder Bildern von Influencern messbar?
«Ja. Wir generieren individuelle Buchungscodes für Instagram. Auf Google Analytics wird messbar, über welche Domain uns ein potenzieller Gast findet.»
Sie machen aber weiterhin noch klassische Werbung?
«Klar. Wir arbeiten mit klassischen Medien, Tour Operator und mit Agenturen zusammen. Unsere Sales Managerin pflegt den persönlichen Kontakt. Die verschiedenen Welten ergänzen sich. Wir setzen nicht nur auf digitale Werbung. Denn wir haben nicht nur digitalaffine Gäste; aber ihre Zahl wächst.»
Interview: Nathalie Benelli
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