Verwaltung | Gemeinsame Stellungnahme mit Warnung vor steigenden Kosten und fehlender Bürgernähe
Oberwalliser KESB unisono gegen Favres Zentralisierungspläne

Widerstand. Die hiesigen KESB (im Bild: Brig) wollen keine Reduktion der Standorte von derzeit sieben auf maximal noch drei.
Foto: mengis media / Andrea Soltermann
Der Kanton will die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden KESB «professionalisieren» und die Zahl der Standorte von heute 23 auf maximal noch neun reduzieren. Ein Vorhaben, welches die sieben Oberwalliser KESB-Präsidenten einstimmig ablehnen.
Es war im vergangenen Februar, als Staatsrat Frédéric Favre seine Pläne zur Restrukturierung der Walliser KESB präsentierte. Damit die einzelnen Standorte professionell arbeiten könnten, müssten sie eine gewisse Grösse aufweisen, so die Argumentation Favres. Ergo sollen zahlreiche der momentan 23 KESB-Stellen zusammengelegt werden, sodass am Ende maximal noch neun Standorte übrig bleiben. Möglich wären freilich auch weniger. Im Oberwallis würde dies bedeuten, dass (höchstens) noch die drei KESB-Standorte Brig, Visp und Leuk weitergeführt werden. Gestrichen würden dagegen die Standorte Goms, Östlich Raron, Mattertal sowie Saastal und Region Stalden.
Ausserdem schwebt dem Kanton eine Verschärfung der personellen Vorschriften vor. Etwa, dass der jeweilige Präsident stets ein Jurist und mindestens im 80-Prozent-Pensum angestellt sein muss; ebenfalls sind strengere Anforderungen für die Ausbildung der Beistände vorgesehen. Die Pläne zur Restrukturierung der KESB befinden sich derzeit und noch bis Ende Januar 2020 in der Vernehmlassung. Allerdings ist die Stossrichtung der Oberwalliser Standorte bereits heute klar: Gemeinsam arbeiten sie momentan an einer Stellungnahme, in welcher sie die geplante Restrukturierung einstimmig und rundheraus ablehnen.
Zwei- bis dreimal teurer
«Warum etwas ändern, was bereits gut läuft?», fragt etwa Corinne Rovina rhetorisch. Zudem warnt die Vorsitzende der Oberwalliser KESB und Präsidentin der Standorte Brig und Goms vor einer regelrechten «Kostenexplosion», falls Favres Pläne tatsächlich in die Tat umgesetzt werden sollten. Rovina spricht von einer Verdoppelung oder gar einer Verdreifachung der Kosten, welche im Falle einer «Professionalisierung» auf die Gemeinden zukäme. Gleichzeitig dürfe es nicht sein, dass die Gemeinden nur bezahlen, nicht aber mitreden dürften. Schliesslich würden nicht nur die sieben KESB-Standorte, sondern auch die Oberwalliser Politiker jeglicher Couleur sowie eben die Gemeinwesen Favres Pläne ablehnen.
Auf die Kostenfolgen verweist auch Monique Biner, Juristin der KESB Mattertal. So käme etwa allein die Einführung eines neuen Informatikprogramms auf 100'000 Franken zu stehen; ebenso viel würde die Ausbildung neuer Beistände kosten. Und: Müssen zukünftig das Präsidium sowie der Schreiber einer jeden KESB Jurist sein, werde natürlich auch dies einschenken.
Bürgernähe geht verloren
Für Biner bringt die «Professionalisierung» indes noch weitere Nachteile mit sich. So spricht sie etwa die vom Kanton erwünschten Vollzeitpensen an, welche zur Folge hätten, dass viele Teilzeitarbeitende ihre Stelle aufgeben müssten. Zudem mache eine Vergrösserung des Einzugsgebiets auch fachlich keinen Sinn, «denn damit geht die Bürgernähe verloren. Sollen etwa eine 80-jährige, demente Frau und deren Angehörige aus dem Saas- oder Lötschental nach Brig oder Sitten reisen?» Die Zusammenlegung von KESB-Standorten geht für sie auf Kosten von Raschheit und Pragmatismus.
Auf einen weiteren Nachteil macht Stefan Truffer aufmerksam. Würden die Standorte zentralisiert, sei klar, dass es die Berggemeinden seien, welche am Ende Arbeitsplätze verlieren würden. Der Präfekt des Bezirks Visp fungiert in der ganzen Angelegenheit als Koordinator zwischen den Oberwalliser KESB-Standorten und verfasst mit diesen gemeinsam die Stellungnahme zuhanden der Kantonsbehörden. Ein Argumentarium, welches man im Sinne eines Leitfadens auch interessierten Gemeinden zur Verfügung stellen werde, wie er anfügt.
Jemand, der dies nicht benötigen wird, ist das Netzwerk der Oberwalliser Berggemeinden. So hat sich dessen Vorsitzende Christine Clausen bereits seit Längerem kritisch zur geplanten Restrukturierung geäussert und ebenfalls ein Mitwirken bei der Vernehmlassung angekündigt. Clausens Argumente ähneln derweil freilich denjenigen der KESB-Verantwortlichen: Die Oberwalliser Standorte würden bereits heute sehr professionell arbeiten; die Änderungen seien vor allem eine Akademisierung. Zudem weist auch sie auf die Gefahr der «fehlenden Bürgernähe» und das geografisch weitläufige Gebiet hin, sollten die KESB-Standorte zentralisiert werden.
Widerstand ist also vorprogrammiert, sobald das Dossier (wohl frühestens im kommenden Herbst) in den Grossen Rat kommt – zumindest aus dem Oberwallis. Doch auch im französischsprachigen Kantonsteil will man die Restrukturierung nicht einfach durchwinken: So hat man im Unterwallis bereits eine Verlängerung der Vernehmlassungsfrist bis Ende Februar beantragt. Affaire à suivre.
Fabio Pacozzi
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