Tourismus | Die Oberwalliser Gästekarte-Konzepte sind durch das Bundesgerichtsurteil ins Wanken geraten
«Zu einem nutzlosen Begleiter verkümmert»

Schwerer Stand. Obergommer Gästekarte bringt kaum Mehrwert.
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Die Gästekarte im Obergoms sei nur mehr auf einen «nutzlosen» Rest zusammengeschrumpft, kritisiert der Präsident der IG Zweitwohnungen Goms. Damit liegt er alles andere als falsch. Schuld sind die gesunkenen Kurtaxeneinnahmen –aber auch eine Verzettelung beim Leistungskatalog.
Im letzten Jahr konnten Feriengäste im Obergoms zwischen Fiesch und Oberwald gratis Zug fahren; denn neuerdings war die Gratis-Nutzung der Bahn Teil der Gästekarte und somit nicht mehr den Gästen, die im Besitz eines Loipenpasses waren, vorenthalten. Damit entsprach man einem langjährigen Trend aus Österreich und dem Südtirol, der inzwischen auch auf die Schweizer Alpenregionen übergeschwappt ist: Die Feriengäste wollen in ihren Destinationen möglichst mobil sein – und dafür nicht ständig den Geldsack hervorholen müssen.
Doch bereits vor der Wintersaison 2018/2019 sah sich die Obergoms Tourismus AG gezwungen, die Eisenbahn wieder aus dem Angebot zu streichen. Der Grund: Beteiligten mussten davon ausgehen, dass das anstehende Bundesgerichtsurteil einen deutlichen Einschnitt bei den Kurtaxen-Einnahmen bedeuten würde und man bei Weitem nicht mehr mit den ursprünglich kalkulierten Mehreinnahmen von knapp 600'000 Franken rechnen könnte. Die Hälfte davon war für den Leistungskatalog der Gästekarte eingeplant – und gerade die Leistung mit der MGBahn, stellte die weitaus teuerste im Packet dar. Doch ohne die Bahn bleibt zum grossen Teil eine Anhäufung von Rabatten übrig: fünf Prozent auf den Langlauf-Unterricht, zehn auf die Schneeschuh-Miete oder auf den Eintritt ins Thermalbad Brigerbad, 50 Prozent auf ein zweites Kaffee in einem Restaurant, fünf Prozent hier, zehn dort. Bei der Zusammenstellung des Leistungskatalogs hat man sich offensichtlich verzettelt.
«Übung gescheitert»
Die wenigsten Gäste dürften die zwei, drei Franken, die er für den Thermalbad-Besuch spart, kümmern. Das sieht auch Armando Camenzind, Präsident der Interessengemeinschaft Zweitwohnungen Goms (IGZW Goms) so. Im neusten Newsletter der IG schreibt er, dass kein Feriengast Lust dazu hätte, eine Seitenlange Rabattliste zu studieren, um hie und dort «mickrige Prozente auf Einkäufe und Dienstleistungen» zu erhalten. «Der ‘Entdeckerpass’ in meinem Portemonnaie ist zu einem nutzlosen Begleiter verkümmert», schreibt er weiter. Genau aus demselben Grund sieht auch Gemeindepräsident Gerhard Kiechler die Übung rund um die Ausarbeitung der neuen Kurtaxen-Reglemente zum grossen Teil als gescheitert an. Rückblickend habe sie gar mehr geschadet, als genützt: Die zukünftigen Mehreinnahmen seien den Krach mit den Zweitwohnungsbesitzern nicht Wert gewesen, so Kiechler.
Die Idee, mehrere touristische Dienstleistungserbringer mit ins Boot zu holen, ist durchaus nachvollziehbar. In Anbetracht des Ende Oktober publizierten Bundesgerichtsurteils, drängt sich eine Fokussierung auf einzelne Kernangebote auf, die ganz im Sinn der landauf und -ab angepriesenen «Convenience» sind.
Die Obergoms Tourismus AG steht mit ihrem weitschweifigen Rabatt-Packet aber lange nicht alleine da. Ein Blick auf die Leistungen der Leukerbad Card Plus zeigt beispielsweise einen noch grösseren Rabatt-Dschungel. Mit dem Ortsbus sowie den Buslinien nach Albinen und Inden ist zumindest ein Teil der Mobilität in der Karte inbegriffen. Um auch die Bergbahnen und die Thermalbäder frei nutzen zu können, kann oder muss der Gast aber die teure Leukerbad Card 365 dazu kaufen. Gerade der Eintritt in die Bäder wäre als Leistung für die Leukerbad Card Plus viel zu teuer. Und auch die freie Mobilität via Bergbahnen stellt einen finanziell dicken Brocken dar.
Doch Gästekarten, die keine Mobilität schaffen, scheinen gerade im Sommer wenig zielführend zu sein. Dieser Meinung ist man auch in der Region rund um die Aletsch Arena, wo derzeit die Gemeinden zusammen mit dem Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis (RWO) einen Leistungskatalog für eine Gästekarte umsetzen wollen, bei dem die Zubringerbahnen hoch aufs Plateau sowie die MGBahn im Talgrund inkludiert sind, so RWO-Geschäftsleiter Roger Michlig. Eine Leistung, die einiges kosten dürfte und sich dementsprechend stark auf die Kurtaxen auswirken würde. Ohne die Zubringerbahnen kann man das Gästekarten-Projekt aber auch gleich ad acta legen. Denn: Kaffee und die Schneeschuhe könnte man auch ohne Karte günstiger anbieten.
Martin Schmidt
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