Bildung | Lonza und HES-SO schliessen strategischen Partnerschaftsvertrag über zehn Jahre ab
Damit die Brains im Wallis bleiben
Wallis | Seit Jahrzehnten klagt die Walliser Wirtschaft, der gebildete Nachwuchs verlasse das Wallis, weil es hierzulande an Perspektiven fehle. Lonza und die HES-SO Valais-Wallis versuchen, diesen Braindrain nun zu stoppen. Kluge Köpfe sollen von noch attraktiveren Ausbildungsangeboten an der HES-SO im Bereich der Biotechnologie profitieren. Umgekehrt soll es für Lonza dadurch einfacher werden, geeignetes qualifiziertes Personal zu rekrutieren.
Die vereinbarte Zusammenarbeit macht sehr viel Sinn: In Sitten ist gerade der Energypolis-Campus am Wachsen, wo auch die HES-SO neue, moderne Räumlichkeiten vorfinden wird. Und in Visp entsteht mit dem Ibex-Campus ein gigantischer Biotechnologie-Park, der höchsten industriellen Ansprüchen genügen wird.
Interne Probleme lösen
Und sowohl die HES-SO als auch die Lonza AG lösen mit der Partnerschaft interne Probleme. Denn obwohl die HES-SO seit Jahren attraktive Ausbildungsprogramme auf Ingenieurstufe anbietet, lassen sich immer noch nur wenige Oberwalliser dazu bewegen, dort ihre Ausbildung zu absolvieren. Die deutschsprachigen Walliser zieht es nämlich eher an ähnlich gelagerte Institute in der Deutschschweiz. Lonza wiederum befindet sich in der grössten Rekrutierungskampagne ihrer langen Geschichte. Hunderte hoch qualifizierte Fachkräfte werden gesucht, und zwar auf der ganzen Welt. Denn allein in der Schweiz oder Europa lassen sich diese Experten nicht finden. Das Problem soll sich aber bald abschwächen. Dank der strategischen Partnerschaft, welche Lonza und die HES-SO vor Kurzem eingegangen sind, um in den Bereichen Bildung und Forschung gemeinsame Kompetenzen zu entwickeln. Diese Vereinbarung in fünf gemeinsamen Schwerpunktbereichen ist das Ergebnis mehrjähriger Überlegungen.
Der «Job-Motor Wallis»
«Vor Kurzem war in der Schweizer Presse vom ‹Job-Motor Wallis› zu lesen, weil Lonza auf der Suche nach hoch qualifizierten Mitarbeitern ist. Und auch der EPFL-Campus in Sitten bietet viele neue attraktive Stellen an. An diesen Begriff des ‹Job-Motors Wallis› muss man sich erst noch gewöhnen», freute sich Staatsrat Christophe Darbellay. Gemeinsam baue man nun im Wallis an einem Ökosystem aus Bildung, Forschung und Industrialisierung. «Partnerschaften und die Nutzung von Synergien zwischen Walliser Unternehmen und der HES-SO Valais-Wallis sind eine einmalige Chance zur Stärkung der Beziehungen zwischen Wirtschaft und Bildung. Diese Initiative zeugt davon, dass das umfassende Ökosystem den Bedürfnissen der Unternehmen und ihrer jetzigen und zukünftigen Mitarbeitenden entspricht», so Darbellay.
Schon seit Längerem zusammengearbeitet
Um was geht es nun konkret? Salopp gesagt, um die gemeinsame Nutzung des vorhandenen Know-hows in der Ingenieurschule der HES-SO und Lonza, die gerade ihren Biotechnologie-Park entwickelt. Schon seit dem Sommer 2017 prüfen Lonza und die HES-SO gemeinsam Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit rund um das Hightech-Projekt Ibex Solutions in Visp. Ausgangspunkt für die Überlegungen der Partner im Hinblick auf eine gemeinsame Nutzung des Know-hows und die Schaffung von Synergien war der Bedarf an qualifiziertem Personal, die Digitalisierung sowie die Automatisierung der Prozesse.
«Eine grosse Chance für das Wallis»
Für die HES-SO steht die neue Partnerschaft im Einklang mit der Erfüllung ihrer Aufträge wie etwa der Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften für das Walliser Wirtschafts- und Sozialgefüge und Forschungstätigkeiten zur Unterstützung von Unternehmen und Institutionen. «Der neue Ibex-Biopark ist für das Wallis eine grosse Chance, und wir wollen uns an dieser Entwicklung beteiligen. Ein erster Schritt in diese Richtung war das Angebot des Studiengangs Biotechnologie auf Deutsch, um den Bedarf von Lonza an qualifiziertem Personal zu unterstützen», erklärte François Seppey, Direktor der HES-SO Valais-Wallis. «Die zukünftigen Entwicklungen von Lonza am Standort Visp werden unter anderem zahlreiche Arbeitsplätze schaffen. Durch diese Partnerschaft wird die Attraktivität der von der Hochschule für Ingenieurwissenschaften in Sitten angebotenen Ausbildung noch gesteigert.» Für Lonza ist diese Zusammenarbeit mit der führenden Walliser Bildungs- und Forschungseinrichtung ein logischer Schritt. «Sie erlaubt uns, die Experten von morgen bereits heute anhand der Bedürfnisse unseres Unternehmens auszubilden», betont Renzo Cicillini, Standortleiter Lonza Visp.
Gemeinsames Forschungslabor
Die beiden Partner werden vor allem in fünf Bereichen zusammenarbeiten. Auf wissenschaftlicher Ebene werden sie ein gemeinsames Forschungslabor aufbauen, um die industriellen Kompetenzen in der Digitalisierung, Automatisierung und Steuerung biotechnologischer Prozesse zu fördern. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Digitalisierung im Ingenieurwesen wird die Erfahrung von Lonza im Bereich der digitalen Biotechnologie der Weiterentwicklung der Ingenieurausbildungen zugutekommen. Der dritte Schwerpunkt betrifft die Weiterbildung: Lonza will die HES-SO Valais-Wallis zu ihrem bevorzugten Partner für spezialisierte Weiterbildungen für ihre Mitarbeitenden im Bereich Säugetierzelltechnologie machen. Umgekehrt wird die Fachhochschule das Know-how der Fachleute von Lonza in die Grundausbildung ihrer Studierenden einfliessen lassen können. Die HES-SO wird durch die Ausbildung qualifizierter Fachleute dazu beitragen, den Personalbedarf von Lonza zu decken.
Zielgruppe sind gelernte Fachleute
Die Ausbildung richtet sich vor allem an ausgebildete Lehrlinge, die im Bereich der Chemie- und Biotechnologien ihren Abschluss gemacht haben, wie etwa Laboranten oder Chemikanten. Für sie steht mit der Berufsmaturität der Gang an die Fachhochschule offen. Wobei an der HES-SO selbst bis zur Stufe Bachelor die Ausbildungswege absolviert werden können. Der Masterabschluss ist in der Schweiz in Bern zentralisiert. Aber auch Kollegiumsschüler, die ein Praktikumsjahr geleistet haben, sollen für die Studiengänge begeistert werden. Ziel ist es, nicht nur zahlreiche Studenten aus dem Wallis, sondern aus der ganzen Schweiz motivieren zu können, im Wallis zu studieren. Die Lonza AG lässt sich das Projekt pro Jahr mehrere Hunderttausend Franken kosten. Wie viel konkret, lasse sich aus heutiger Sicht aber noch nicht sagen, teilt Standortleiter Renzo Cicillini mit.
Bis dahin hatten die beiden Partner bereits punktuell zusammengearbeitet, zum Beispiel bei Forschungsprojekten, durch den Einbezug von Fachleuten von Lonza an der Hochschule für Ingenieurwissenschaften oder anlässlich der traditionellen Präsentation der Bachelorarbeiten der Studierenden der Ingenieurwissenschaften in Visp.
Werner Koder
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