Otmar Hofer | Manager aus der Deutschschweiz für die Walliser Weingenossenschaft
Ein Migros-Mann soll Provins retten
Nebst dem Traineramt beim FC Sitten ist es derzeit vielleicht der schwierigste Job, den man in diesem Kanton haben kann: Direktor sein von Provins. Mit Otmar Hofer wagt es jetzt ein bisheriger Migros-Manager aus der Deutschschweiz. Wer ist dieser Mann?
Ein viel beschäftigter. Anfragen bei der Provins-Geschäftsstelle blieben gestern unbeantwortet. Otmar Hofer habe viel zu tun, liess man dort ausrichten. Nicht mal zehn Minuten für ein paar kurze Fragen, fünf Minuten? «Nein, Monsieur Hofer ist beschäftigt.»
An Arbeit wird es dem 52-Jährigen tatsächlich nicht fehlen. Provins geht es nämlich miserabel. Die Verschuldung des grössten Schweizer Weinproduzenten belief sich Ende 2019 auf rund 52 Millionen Franken, bei Eigenmitteln von knapp über 30 Millionen Franken. Die aussergewöhnliche Situation erfordert aussergewöhnliche Massnahmen. Der Verwaltungsrat um Präsident Léonard Pérraudin will deshalb aus der Genossenschaft eine AG machen; so wäre Provins nicht mehr verpflichtet, die gesamte Ernte ihrer Mitglieder aufzukaufen, um danach eh darauf sitzen zu bleiben.
Ein erster Versuch, den historischen Statuten-Passus der Abnahmegarantie zu kippen, scheiterte im Dezember jedoch am Widerstand der Provins-Winzer. Bei einer ausserordentlichen Generalversammlung am 27. Februar wird man es erneut versuchen. Mit Otmar Hofer, einem Deutschschweizer an der Spitze des Walliser Weinproduzenten.
Er soll AG durchboxen
Dessen Vorgänger Raphaël Garcia wollte diese Strategie des Verwaltungsrats nicht mehr länger mittragen. So zumindest lautet die offizielle Version. Es gibt aber auch Stimmen aus dem Provins-Umfeld, die behaupten, man habe Garcia zum Rücktritt gedrängt, ihm schliesslich Hofer vor die Nase gesetzt. Als Garcia am Mittwoch die Belegschaft informierte, dass er nun sein Büro räumen gehe, sollen bei manchen Mitarbeitern Tränen geflossen sein. Garcia war beliebt, aber leider nicht erfolgreich. Nicht mal Sentimentalitäten kann sich Provins derzeit leisten.
Erst am vergangenen Wochenende hat die «SonntagsZeitung» gemeldet, dass Hofer den Migros-Konzern verlassen habe. Vieles deutet also darauf hin, dass sein Transfer ins Wallis zwischen den Jahren und hinter Garcias Rücken eingefädelt worden ist. Aber was treibt Hofer an, die Migros-Komfortzone zu verlassen, um sich im Wallis auf diesen heissen Stuhl zu setzen?
Hofer war beim orangen Riesen zuletzt Chef der Jowa-Bäckerei und verantwortlich für das Segment Convenience, Getränke und Backwaren. Wie Branchenkenner sagen, habe er sich hier nicht so gut mit Armando Santacesaria vertragen, dem neuen Leiter des Migros-Departements Industrie. Die Komfortzone wurde also unbequem für den Manager. Zuvor war er unter anderem Chef der Bischofszell Nahrungsmittel AG (Bina), eine Migros-Tocher, die auch den kultigen Migros-Eistee in den Tetra Paks produziert. Und jetzt also Wein.
Hofer hat einen ETH-Abschluss in Lebensmittelwissenschaften und ein Management-Master obendrein. Und offenbar Selbstbewusstsein genug, um sich auf diese Herausforderung zu «freuen», wie es Manager in solchen Situationen gerne formulieren. Provins ihrerseits wollte offensichtlich jemanden von ausserhalb der weit und tief verbandelten Walliser Wirtschaft; sowohl Garcia als auch Pérraudin sind Zöglinge und Freunde
von Pierre-Alain Grichting, dem vormaligen Präsidenten des Verwaltungsrats. Eigentlich bräuchte Provins jetzt einen guten Verkäufer an der Spitze, der endlich wieder den Umsatz steigert. Hofer ist aber wohl eher der Direktor, der den Betrieb in ein neues Zeitalter überführt. Um ihn dann zu verkaufen?
In der Branche wie auch in der Politik ist man sich einig, dass gar kein Weg an einer AG vorbeiführt. Hofer soll diesen Übergang nun durchboxen. Ohne Rücksicht auf die Geschichte der Genossenschaft. Mit Nostalgie füllt man keine Kassen.
Staat muss jetzt schon Winzern helfen
Die Optimisten sagen, dass der Deutschschweizer danach auch Aktionäre finden wird, die Provins sanieren und umstrukturieren würden. Das Gerücht hält sich hartnäckig, wonach der Detailriese Coop Interesse habe. Das Netzwerk des Migros-Managers sollte bis hin zu seinen einstigen Konkurrenten reichen. Von Hofer erhoffe man sich, dass er «Türen öffnet», heisst es etwa aus regierungsnahen Kreisen in Sitten. Auch Staatsrat Christophe Darbellay zeigt sich vorsichtig optimistisch, dass Hofer der richtige Mann sein könnte. «Aus Sicht des Staats sind uns die Weinbauern wichtig sowie die Reblandschaften», sagt Darbellay. Bereits jetzt müsse man vereinzelt Provins-Winzern über die Runden helfen. Weil die Ernten für 2019 noch nicht bezahlt wurden, hätten manche Bauern Mühe, über die Runden zu kommen. «Hier geht es auch um menschliche Schicksale», sagt der Landwirtschaftsdirektor. Den Betroffenen wird ein zinsloses Darlehen gewährt – vom Rest, der noch übrig geblieben ist vom Fonds, den der Staat für die Frostschäden von 2018 geäufnet hatte.
Weniger optimistisch zeigen sich derweil die Winzer selbst, auch die erfolgreichen. Wenn nämlich ein Rieseninvestor wie Coop Provins aufkaufen und dann die ganze Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Vertrieb kontrollieren würde, könnte der Druck auf die Preise noch stärker steigen, so die Befürchtung. Provins wird in den kommenden Wochen und Monaten deshalb nicht nur Otmar Hofer beschäftigen. Sondern den ganzen Weinkanton Wallis.
David Biner
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