Kirche | Bistum nimmt Offensive der Piusbrüder achselzuckend zur Kenntnis. Und fordert von Gläubigen Konsequenz
«Man muss sich entscheiden»

Sicht des Bistums. Bischof Lovey beim Neujahrsempfang. Foto wb/andrea soltermann
Foto: WB/Andrea Soltermann
Sitten | Die Piusbruderschaft sei eine Gruppe, die in Ungehorsam zu Rom lebe, sagt Richard Lehner. Das sei zwar nicht weiter tragisch, so der Generalvikar mit Verweis auf die Religionsfreiheit. Aber es gebe klare Trennlinien. Die Gläubigen sollen konsequent sein in ihrem Entscheid, bei wem sie mitmachen.
Die Charmeoffensive der ultrakonservativen Priesterbruderschaft St. Pius X. im Oberwallis hat man auch in Sitten registriert. Über deren Kauf der vormaligen neuapostolischen Kirche in Glis sei man zwar überrascht gewesen, sagt Richard Lehner auf Anfrage. Aber die Piusbrüder seien ja schon viele Jahre zuvor in Glis präsent. Im Unterwallis, wo Traditionalisten im Seminar in Ecône ihre Priester ausbilden, habe man sich an das Nebeneinander gewöhnt. Auch an die Spannungen, die innerhalb der Gläubigen mitunter entstehen können. «Es gibt auch Spaltungen durch ganze Familien hindurch», sagt der Oberwalliser Generalvikar, «dann, wenn sich etwa ein Familienmitglied zu Ecône bekennt und ein anderes der katholischen Kirche die Treue hält.»
Lehner, die rechte Hand des Bischofs im deutschsprachigen Kantonsteil, kann sich zwar durchaus vorstellen, dass man in konservativen Kreisen Sympathien für die Piusbrüder hege, Einzelne auch deren Messen in Glis besuchen werden. Er glaube aber nicht, dass die Bruderschaft im Oberwallis ein grosses Potenzial habe, wie dies etwa Pascal Schreiber, der Distriktobere Schweiz, jüngst an dieser Stelle in Aussicht stellte. Seitens des Bistums verfolge man zwar mit Interesse, was die «Ecônisten» tun, beunruhigt sei man aber nicht, so Lehner weiter. Der Oberwalliser geht nicht davon aus, dass die Gläubigen in der Region nun in Massen zu den Piusbrüdern überlaufen. Kleinere Gruppen innerhalb der Kirche, aber auch andere Glaubensgemeinschaften habe es immer gegeben. «Religionsfreiheit ist für uns keine Horrorvorstellung», sagt Lehner gelassen. Eine Spitze auch in Richtung Distriktoberer Schreiber, der den Absolutheitsanspruch der Kirchenlehre unterstreicht.
Taufen sind gültig, aber nicht erlaubt
Lehner markiert aber nicht nur klare Linien, was die Glaubensfreiheit betrifft. Auch theologisch und kirchenrechtlich grenzt sich das Bistum klar von Ecône ab. So bräuchten Eheleute, die sich von einem Piusbruder trauen lassen wollen, die Erlaubnis des Bischofs, damit die Ehe auch katholisch anerkannt wird. In den letzten zwei, drei Jahren, so Lehner, habe es aber nur knapp ein halbes Dutzend solcher Gesuche gegeben. Gleiches gilt für Beerdigungen: Gesuche von Trauerfamilien, mit einem Priester aus Ecône die Trauerfeier in einer Kirche zu feiern, kommen selten vor und werden in der Regel abgelehnt. «Wir weisen dann darauf hin, dass die Piusbruderschaft eigene Kirchen oder Einrichtungen dafür hat.»
Auch die Taufen bei den «Ecônisten» seien kirchenrechtlich zwar gültig, aber nicht erlaubt. So würden die getauften Kinder nicht in die Taufbücher und Register der Kirche eingetragen. Wenn sie dann später doch in der offiziellen Kirche die heilige Kommunion oder dann die Firmung feiern, müssten sie neu der Kirche beitreten. Sie werden dann gleich behandelt wie Getaufte aus anderen christlichen Gemeinschaften, erklärt Lehner. Wichtig ist daher dem Bistum, dass die Gläubigen entsprechend konsequent handeln.
Man könne das Kind nicht von einem «Ecônisten» irgendwo im Stillen taufen lassen und dann später wieder bei der Kommunion mit allen anderen mitmachen, so nach dem Motto: Sehen und gesehen werden. Lehner: «Man muss sich entscheiden.»
Pfarrer Rotzer: Gläubige klar informiert
Der Gliser Pfarrer Daniel Rotzer begrüsst die Klarheit aus Sitten. Einerseits habe er sich zwar gefreut, dass die vormalige neuapostolische Kirche ein Gotteshaus bleibt und nicht etwa an Immobilien-Spekulanten verscherbelt worden ist. «Andererseits schmerzt die Gewissheit, dass wir Christen nicht geeint sind.» Er selbst, so Rotzer, vergleiche das Christentum mit einem Haus und jede Konfession – die Reformierten, die Orthodoxen, die Katholiken – habe darin eine Wohnung. «Die Piusbrüder stehen an der Schwelle zur Wohnung der Katholiken. Aber werden sie eines Tages auch wieder eintreten?» In manchen Bereichen, so Rotzer, fühle er sich den Reformierten näher als den Piusbrüdern. «Auch wenn diese natürlich ihrerseits sagen, sie seien ebenfalls katholisch oder vielmehr, sie seien die richtigen Katholiken.»
Genau diese Unschärfen würden bei den Gläubigen für Verwirrung sorgen, meint Rotzer. Er selbst habe, nachdem er aus dem WB von der neuen Niederlassung der Piusbrüder in Glis erfahren habe, die Gemeinschaft in der Sonntagsmesse klar informiert. «Dass die Beziehung der Piusbrüder zu Rom derzeit nicht klar geregelt ist. Und dass sie Teile des zweiten Vatikanums und teilweise auch den Papst ablehnen.» Auch Rotzer glaubt nicht daran, dass sich konservative Gläubige nun aufgrund der neuen Kirche reihenweise den Piusbrüdern anschliessen werde. Einen Versuch, den Traditionalisten innerhalb der Oberwalliser Pfarreien mit einer Messe auf Latein gerecht zu werden, habe man aufgrund der mangelnden Nachfrage wieder einstellen müssen.
David Biner
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar