Gesundheitspolitik | Petition des Berufsverbands der Psychologen
Für ein neues Abrechnungsmodell in der Psychotherapie

Protest in Bern. Psychologische Psychotherapeuten sind vom Gesetz her ermächtigt, in eigener fachlicher Verantwortung zu arbeiten. Im Abrechnungsmodell schlägt sich das nicht nieder.
Foto: zvg
In der Schweiz arbeiten sowohl Psychiater als auch Psychologen als Psychotherapeuten. Die Grundversicherung deckt die psychotherapeutische Behandlung allerdings nur, wenn sie von einem Mediziner, also dem Psychiater, durchgeführt wurde. Ungerecht und ökonomisch wenig sinnvoll, kritisieren die Psychologen.
Gemeinsam ist allen Psychotherapeuten, dass sie auf eine langjährige Fachausbildung zurückblicken können. Entweder als Arzt mit mehrjähriger Spezialausbildung für Psychiatrie und Psychotherapie (ein Psychiater), oder dann als Psychologe, mit einer fünf bis sechs Jahre dauernden postgradualen Spezialausbildung für Psychotherapie.
Dabei zähle die Psychotherapie zu den bestuntersuchten Behandlungsformen und stelle heute eine unbestrittene Leistung im Gesundheitswesen dar. Und zwar unabhängig davon, ob sie von einem Psychiater oder einem Psychologen durchgeführt werde, erklärt Paul Weber von der Assoziation der Psychologinnen und Psychologen des Wallis (APW) mit Blick auf die Forschung.
Hohe Hürden für Selbstständige
Damit enden die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Denn während Psychiater Psychotherapien über die Grundversicherung abrechnen dürfen, bleibt dies den Psychologen verwehrt. Patienten, welche eine Psychotherapie bei einem freischaffenden, eidgenössisch anerkannten Psychologen in Anspruch nehmen, müssen die Behandlungskosten aus eigener Tasche bzw. via Zusatzversicherungen berappen. Keine einfachen Voraussetzungen also für freischaffende Psychologen.
Statt der Selbstständigkeit wählen deshalb viele von ihnen die Tätigkeit in einer Arztpraxis unter der Aufsicht eines Psychiaters. «Delegationsmodell» wird diese Variante genannt, da der beaufsichtigende Arzt die psychotherapeutische Behandlung dem Psychologen überträgt. Rechnungssteller (und oberster Verantwortlicher) bleibt der Arzt, der die Therapie über die Grundversicherung abrechnen kann.
Mit der Einführung dieses Modells in den 80er-Jahren habe man damals die Möglichkeit gehabt, dass auch eine von Psychologen durchgeführte Psychotherapie quasi als ärztliche Leistung von der Grundversicherung übernommen werden konnte, berichtet Weber. Spätestens seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Psychologieberufe vor fünf Jahren seien aber die Grundlagen für einen Systemwechsel gegeben. Statt eines beaufsichtigenden Arztes bürge nun das Gesetz für die Seriosität der Behandlung.
Wohl auch aus finanziellen Überlegungen heraus fordert der schweizerische Dachverband der Psychologen seit Längerem einen Wechsel vom Delegations- zum Anordnungsmodell: Nachdem ein Arzt eine Psychotherapie angeordnet hat, soll diese auch von freischaffenden Psychologen durchgeführt und eigenständig via Grundversicherung abgerechnet werden dürfen. Das Modell ist in der Physiotherapie bereits bekannt. Der Arzt verordnet die Therapie, der Therapeut führt sie nach den Regeln der Kunst durch.
Psychologen: Systemwechsel zahlt sich aus
Allerdings seien die bereits «weit fortgeschrittenen» Verhandlungen für den Systemwechsel von Gesundheitsminister Alain Berset im vergangenen März sistiert worden. Wohl auch auf Druck der Krankenkassen, welche mit der Kausalkette «höhere Attraktivität des Berufes gleich mehr freischaffende Psychologen gleich mehr Behandlungen gleich mehr Kosten» argumentieren würden, vermutet die Psychologin und Oberwalliser Sektionspräsidentin der APW, Christine Lutz.
Für die Psychologen eine falsche Schlussfolgerung. Für sie überwiegen beim Wechsel aufs Anordnungsmodell schlussendlich die Vorteile für die gesundheitliche Versorgung. So anerkenne das Bundesamt für Gesundheit, dass in der Schweiz insbesondere in ländlichen Gebieten sowie bei Kindern und Jugendlichen eine psychiatrisch-psychologische Unterversorgung herrsche, erklärt Lutz. Die Zugangshürden seien hoch: Studien würden zeigen, dass zwischen 25 und 60 Prozent all jener, die eigentlich eine Behandlung benötigten, ohne Behandlung blieben.
Für die Psychologin sind die Folgen gravierend: Arbeitsausfälle sowie eine Zunahme von chronischen Erkrankungen, die sich irgendwann auch in körperlichen Symptomen niederschlagen können, würden zu hohen Mehrkosten führen. «Aus gesundheitsökonomischer Sicht kommt es langfristig günstiger, wenn der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung niederschwelliger wird.» Ein weiteres Argument liege im System begründet: Während heute an einer «delegierten» Psychotherapie sowohl der Arzt als auch sein angestellter Psychologe verdient, würden die Kosten bei einem Systemwechsel gesenkt. Es käme der kostengünstigere Fachpsychologentarif zum Zug.
Online-Petition lanciert
Ihren Unmut über die Sistierung der Verhandlungen haben die Schweizer Psychologen bereits letzten Monat in Bern kundgetan. Mehr als 3600 Briefe überreichten sie zuhanden Alain Berset – alle beinhalteten sie die persönlichen Qualifikationen und Ausbildungsnachweise der Berufsleute.
Zudem hat der nationale Dachverband FSP die Online-Petition «Hürden abbauen – Behandlung psychischer Krankheiten sicherstellen» lanciert. Hier hoffen die Walliser Vertreter auf Unterstützung aus der Bevölkerung, denn: «Das heutige System schafft Hürden im Zugang zur Versorgung von psychisch Kranken», warnt Lutz.
Fabio Pacozzi
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar