Wirtschaft | Rob de Hooge, Direktor des Laldner DSM-Werkes, hat gute Nachrichten – die DSM investiert 55 Millionen Franken
«Ein klares Bekenntnis für den Standort Lalden»

Verantwortlich. Der 43-jährige Rob de Hooge ist seit eineinhalb Jahren für die Geschicke des DSM-Werkes in Lalden zuständig.
Foto: Walliser Bote
Herr de Hooge, im Oberwallis weiss man zwar, dass es DSM gibt, aber nur wenige wissen, was dort produziert wird. Erzählen Sie uns ein wenig über die DSM. Wie ist sie entstanden?
«Eigentlich heisst die Firma ‹Royal DSM›, wobei die Abkürzung für ‹Dutch State Mines› steht. Ursprünglich handelt es sich um die königliche holländische Minengesellschaft, die im Jahre 1902 gegründet worden ist, um in der südlichen Provinz Limburg Kohle abzubauen. Doch davon hat sich die Firma schon vor Jahrzehnten verabschiedet, geblieben ist nur der Name. Wir sind jetzt hauptsächlich in der Ernährungsbranche, aber auch im Bereich der Spezial-Materialien tätig. Im Ernährungsbereich geht es vor allem um Vitamine, Enzyme oder Bio-Kulturen. Im Bereich der Spezial-Materialien werden unsere Produkte unter anderem im Flugzeugbau und in der Autobranche verwendet. Es geht darum, belastbarere und leichtere Alternativen auf dem Markt anzubieten. Weiter stellt DSM beispielsweise einen rezyklierbaren Teppich oder auch Materialien für schusssichere Westen, Fischernetze, Seile oder schnittfeste Handschuhe her. Auch spezielle Beschichtungen für Solarpanels oder Nahrungsverpackungen sind Teil unserer Produktpalette. Ziel ist es, Produkte zu entwickeln und zu vertreiben, welche einen nachhaltig positiven Einfluss auf unser Leben und unsere Umwelt haben. DSM hat weltweit rund 150 Werke mit etwa 23 000 Mitarbeitern und ist global auf jedem Kontinent präsent.»
Wo liegt das Hauptwerk der DSM?
«Das lässt sich nicht mehr so einfach sagen. Früher hatten wir wie Lonza in dieser Region im Süden von Holland ein grosses Hauptwerk mit über 10 000 Mitarbeitern. Diese Basis-Chemiewerke wurden aber fast alle verkauft, behalten haben wir nur einige kleinere. Viele unserer Werke haben eine Grössenordnung, wie wir sie hier in Lalden haben, zwischen 20 und 200 Mitarbeitern. In Lalden beschäftigen wir 165 Mitarbeiter. Der grösste Standort in der Schweiz liegt im Kanton Aargau, in Sisseln. Dort arbeiten ungefähr tausend Mitarbeiter. Herzstück dieses Standortes ist die weltweit grösste Vitamin-E-Anlage. DSM ist global einer der grössten Vitamin-Hersteller. Der weltweite Marktanteil liegt beispielsweise beim Vitamin C bei stolzen fünfzig Prozent.»
Was produziert die DSM konkret in Lalden?
«Wir sind ein Zulieferer unseres Werkes in Sisseln. Wir produzieren die Basisprodukte der grossen fettlöslichen Vitamine E und A. Unsere Produktionskette fängt hier in Lalden an, deshalb sind wir ein so wichtiger Betrieb mit unseren 165 Mitarbeitern. Wir haben hoch automatisierte Prozesse mit relativ wenig manueller Arbeit. Wir verarbeiten ein sehr grosses Volumen an Rohstoffen. In diesem Punkt sind wir eng mit der Lonza verknüpft und sind ein entsprechend grosser Kunde der Lonza auf dem Areal. Aus unseren Zwischenprodukten werden in Sisseln Vitamin A und E hergestellt. Diese fliessen in die Lebensmittelindustrie für den Menschen, aber auch für Tiere ein.»
Sie produzieren also ausschliesslich Vitamine?
«Nein, unser drittes Standbein hier in Lalden nebst Vitamin A und E sind verschiedene Produkte für die Kosmetikindustrie. Diese werden in Deodorants, Shampoos oder Zahnpasta verwendet. Meist handelt es sich um Geruchsstoffe. Sie müssen wissen: In dieser Welt sind wir nirgends mehr ohne Chemie. Wenn Sie in einem Supermarkt einen Rundgang machen, würden Sie staunen, wo überall Produkte der DSM drin sind. Wir produzieren aber auch einzelne Duftstoffe für die grossen Parfum-Häuser der Schweiz und Frankreichs, aus denen diese ihre Parfums kreieren.»
Das tönt spannend. Was für Duftstoffe sind das?
«Wie gesagt, es handelt sich um Basisstoffe. Die haben keine Namen, das sind nur chemische Namen und Nummern, die sagen niemandem etwas. Ein Parfum ist immer ein Gemisch aus vielleicht hundert Stoffen, und ist wie eine Komposition zu verstehen. Es sind also meist nicht die einzelnen Komponenten dominierend, die Mischung macht es aus. Folglich ist die Chance gross, dass in vielen Parfums auch ein Stück Lalden drin ist.»
Sie sagten, Sie wandeln ziemlich grosse Volumen an Rohstoffen um. Um wie viel handelt es sich?
«Aus den bezogenen Rohstoffen produzieren wir jede Woche mehrere Hundert Tonnen Ware, welche unser Werk vornehmlich in Bahnkesselwagen verlassen – dies ergibt also jede Woche ganze Bahnzüge.»
Was kaufen Sie der Lonza konkret ab?
«Hauptsächlich Basis-Chemikalien wie etwa Wasserstoff oder Acetylen. Unser Job hier ist es, Moleküle länger zu machen. Aus kleineren Basis-Molekülen, die uns Lonza liefert, machen wir längere Kohlenwasserstoffketten.»
DSM Lalden ist folglich ein hoch spezialisiertes Werk?
«Ja und nein. Ja im Sinne von hoch spezialisierten Technologien und Prozessen. Mit unserem kontinuierlichen Verbesserungsprogramm versuchen wir auch, immer noch moderner und effizienter zu werden. Ohne diesen ständigen Drang nach Verbesserung könnten wir im Hochpreisland Schweiz sonst lange nicht mehr konkurrenzfähig produzieren. Auch die Digitalisierung ist dabei ein wichtiges Thema. Nein, in dem Sinne, dass es nur zwölf Vitamine gibt und wir in Lalden eine klare Produktpalette mit unseren Technologien zu produzieren haben.»
Wenn Sie nur auf Vitaminen und Duftstoffen basieren, besteht rund um das Werk in Lalden nicht ein hohes Cluster-Risiko?
«Ich sehe das genau umgekehrt. DSM ist auf dem Weltmarkt absolute Spitze und einer der grössten Produzenten. Wir liefern alle Vitamine, die es gibt, haben also ein breites Portfolio. Aus diesem Grund haben auch kleinere Werke wie das unsere eine Sicherheit und müssen sich um die Zukunft nur wenig Sorgen machen. Ernährung braucht man auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten.»
Mit Lonza gibt es aber noch weitere Bezugspunkte?
«Natürlich. Wir hängen am gleichen Energie-Netz und beziehen unseren Strom sowie den Dampf über das Lonza-Netz. Wir verfügen aber auch über unser eigenes Kraftwerk. Das wurde Ende der Neunziger gebaut. Dort können wir eigenen Dampf produzieren, sodass wir rund ein Drittel unseres Dampfes selbst herstellen.»
Welche Berufskarrieren bietet DSM in Lalden an?
«Der grösste Teil sind Produktions-Operatoren. Das können ausgebildete Chemikanten oder Laboranten sein. Viele hatten früher aber einen anderen Beruf und wurden bei uns umgeschult. Daneben haben wir noch eine Vielzahl technischer Berufe wie Mechaniker oder Schlosser im Einsatz. Auch brauchen wir zum Betrieb und zur Weiterentwicklung unserer Anlagen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ingenieur-Bereich.»
Wie sind Sie zur DSM gekommen?
«Ich habe in Holland Verfahrensingenieur studiert. Direkt im Anschluss an meine Ausbildung habe ich bei DSM meine Berufskarriere gestartet. Zuerst als Prozessingenieur, dann als Projektleiter und Projektmanager. Ich hatte auch die Möglichkeit, in China mehrere Projekte zu begleiten. Dort war es vor allem spannend wegen der Herausforderungen im Umweltbereich. In China haben sie mittlerweile immense Probleme. Ich denke, die Chinesen profitieren in diesem Punkt stark von internationalen Firmen wie DSM, welche unabhängig vom Produktionsstandort den gleichen hohen Umweltstandard anwenden. Dann war ich im Norden von Paris in einem Werk, wo wir Kunstharze herstellen. Dort wurde ich zum ersten Mal auch Werksleiter. Später leitete ich auch in den USA ein Werk im Food-Bereich, wo wir Hefekulturen für die Verarbeitung von Joghurt und Käse herstellen. Vor eineinhalb Jahren kam die Anfrage, ob ich das Werk in Lalden übernehmen möchte.»
Sie wohnen auch im Wallis?
«Ja, gemeinsam mit meiner Frau in Brig. Sie arbeitet auch im Wallis, aber nicht bei der DSM.»
Lonza hat vor einiger Zeit eine grosse Rekrutierungsoffensive gestartet, damit sie genügend hoch qualifiziertes Personal für den Ibex-Komplex anstellen kann. Dazu wurde auch der Welcome-Desk ins Leben gerufen, dank dem sich die ausländischen Mitarbeiter rascher in der Region verwurzeln können. Für Sie hat das nicht mehr gereicht…
«Nein, dennoch ist uns die Integration hier relativ leicht gefallen. Ich verstehe mittlerweile auch ganz passabel den Walliser Dialekt. Wobei es da stark darauf ankommt, aus welchem Seitental mein Gesprächspartner gerade kommt. Bei der DSM bin ich ja auch nicht der einzige Ausländer in der Werksleitung. Dort reden wir Hochdeutsch. Der Walliser Dialekt macht mir zwar Spass, aber selbst rede ich immer Hochdeutsch. Ich denke, es tönt blöd, wenn ich versuche, den Dialekt nachzusprechen. Ich finde es spannend, von anderen Kulturen zu lernen, ich versuche aber auch immer, unsere DSM-Kultur mitzubringen.»
Was zeichnet die DSM-Kultur aus?
«Wir Holländer sind relativ direkt. Das sage ich aber meist im Voraus auch. In China kam das nicht immer gut an. Dort stösst man die Leute vor den Kopf, dann verlieren sie ihr Gesicht und niemand kommt weiter. Hier im Wallis liegt der Fall anders. Das haben die Schweiz und Holland gemeinsam. Bei uns muss man den Konsens suchen, ob in der Politik oder in der Wirtschaft. Die DSM ist überdies stark im Umweltbereich engagiert. Wir bauen an der grünen Zukunft. Im letzten Jahr standen wir auf der ‹Change the World List› des ‹Fortune›-Magazins und waren der Industrie-Leader im Dow Jones Sustainability World Index, also dem weltweiten Nachhaltigkeitsindex.»
Wie hoch ist der weltweite Umsatz?
«Rund zehn Milliarden Euro. Unser EBITDA liegt bei etwa 18,5 Prozent. In unserem Segment ist das hoch, wir sind ja nicht in der Pharma-Branche tätig.»
Und hier in Lalden?
«Umsatz und Gewinn in Lalden weisen wir nie separat aus. Ich denke aber, unser Werk hat stark für den Gewinn unserer Gruppe ‹DSM Nutritional Products› beigetragen.»
Das Werk Lalden ist im Jahre 2003 an die DSM übergegangen, als die Firma Roche ihre Vitaminproduktion an die DSM ausgelagert hat. Das ist damals nicht ohne schmerzhafte Abstriche und Entlassungen über die Bühne gegangen.
«Das stimmt. Wir haben damals die Anzahl der Angestellten von 190 auf 146 reduziert. Dies auch durch signifikante Investitionen in die Automatisierung. Auch ist damals der Werksname ‹Teranol› offiziell verschwunden, obwohl ein gewisser Nachhall bis heute geblieben ist. Durch die für die damalige Situation vorteilhafte Altersstruktur konnte nahezu der gesamte Stellenabbau über Vorpensionierungen erfolgen. Seither haben wir wieder auf 165 Mitarbeiter aufgestockt. Der Stellenaufbau hat vor allem damit zu tun, dass DSM immer wieder in Kapazitätserweiterungen investiert hat. Diese Wachstumsstrategie für den Standort wird nun in einem weiteren Projekt, dem grössten Investitionsprojekt seit der Übernahme durch DSM, fortgeführt.»
Beschreiben Sie dieses bitte.
«In den nächsten zwei Jahren investieren wir über 55 Millionen Franken in eine neue Produktionsanlage für den Vitamin-A-Markt. Das neue Produkt, welches wir produzieren wollen, ist nicht für unser internes Partnerwerk in Sisseln gedacht, sondern für einen externen Kunden, dessen Namen ich nicht nennen darf. Dafür bauen wir eine separate Anlage in Lalden. Viel Platz zum Bauen haben wir ja leider nicht, aber wir bauen an eines unserer Gebäude eine Erweiterung an, reissen eine alte Anlage ab und bauen an dessen Stelle eine neue. Baubeginn ist bereits diesen Sommer, ab Ende 2020 soll es dann betriebsbereit sein. Das ist ein klares Bekenntnis für unseren Standort Lalden und damit bestätigten wir unser langfristiges Engagement im Oberwallis. Ich bin sehr stolz auf unser Team, die Leute haben es mit ihrer jahrelangen Topleistung verdient, dass Lalden als Standort für dieses Grossprojekt gewählt wurde.»
Interview: Werner Koder
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