Serge Métrailler | 20 Jahre im Vorstand der CVP Unterwallis, sieben Jahre Präsident. Jetzt hört er auf. Und bleibt bescheiden
«Das hier ist Kantonalpolitik, nicht der Israel-Palästina-Konflikt»
Wenn Serge Métrailler heute aus dem Vorstand der CVP Unterwallis verabschiedet wird, beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Seit 20 Jahren dient er der grössten Partei im Kanton, ab 2013 war er ihr Präsident. Und musste dabei auch oft den Kopf für andere hinhalten.
Serge Métrailler, 20 Jahre haben Sie für andere in der Partei geschuftet. 2019 kandidierten Sie selbst zum ersten Mal überhaupt. Und haben den Einzug in den Nationalrat nur knapp verpasst. Sauer auf die CVP-Wähler, dass man Ihre bisherige Arbeit nicht honoriert hat?
«Überhaupt nicht. Natürlich wollte ich gewählt werden. Aber mit meinem Resultat war ich sehr zufrieden. Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn ich komplett durchgefallen wäre…»
Es fehlten Ihnen 1500 Stimmen.
«Ja. Und ich wusste am Wahlsonntag bereits um 13.40 Uhr, dass es nicht reicht.»
Sie sind ein Zahlenmensch, als Informatiker haben Sie selbst ein Programm entwickelt, das bei Wahlen genaue Prognosen macht. Haben Sie am Wahlsonntag immer draufgeschaut?
«Nein, das brauchte ich nicht. Meine Erfahrungswerte reichten, um bereits früh zu merken, dass es nicht reicht.»
In den Bezirken Sitten und Entremont waren Sie der Kandidat mit den meisten Stimmen von allen. Darauf lässt sich doch aufbauen für die Zukunft.
«Auf unserer Liste wurde ich Erster oder Zweiter in 43 Gemeinden im Unterwallis. Und in sechs Bezirken war ich zudem der CVP-Kandidat mit den meisten Stimmen. Wie gesagt: Ich bin sehr zufrieden. Und die Kampagne hat sehr viel Spass gemacht.»
Haben Sie Lust auf mehr, eine Kandidatur als Staatsrat zum Beispiel?
«Das ist noch zu früh. Und es ist an der Truppe um den neuen Präsidenten Joachim Rausis, nun eine gute Strategie und die besten Kandidaten zu finden.»
Wären Sie aber bereit?
«Bis jetzt hat mich niemand gefragt.»
Aber Sie bleiben der Politik erhalten?
«Ich bleibe natürlich Mitglied der CVP. Ich liebe die Partei und die Menschen zu sehr, um mich jetzt plötzlich nicht mehr für Politik zu interessieren.»
Die CVP im Wallis kommt noch auf 35 Prozent Stimmenanteil. Das ist zu wenig, um jetzt nochmals einen Anspruch auf drei Sitze in der Regierung zu erheben, einverstanden?
«Überhaupt nicht. Ich bin der Meinung, dass jede Partei das für sich beanspruchen sollte, was sie für richtig hält. Die CVP im Wallis, also die ‹Schwarzen›, die ‹Gelben› und wir im Unterwallis, wir müssen das Erreichte verteidigen. Und dafür werden wir die drei besten Kandidaten aufstellen. Und dann entscheiden am Schluss die Wählerinnen und Wähler. So einfach ist das.»
Die CVP könnte auch auf einen Sitz verzichten, so wie sie es in Freiburg dereinst gemacht hat.
«Genau. Und was ist danach passiert? Bei den Parlamentswahlen hat die CVP in Freiburg daraufhin eine Riesen-Klatsche kassiert. Ich glaube nicht, dass Bescheidenheit und Grossmütigkeit in der Politik belohnt werden.»
Dass die CVP auf 35 Prozent fiel, hat verschiedene Gründe. Zum Beispiel wurde mit dem Siegeszug von Christophe Darbellay in den Staatsrat der konservative Flügel verprellt.
«Ach, wissen Sie: Als ich 2013 Präsident wurde, sagten die Konservativen in der Partei, ich sei ein Progressiver. Die Progressiven sagten, ich sei ein Konservativer…»
Haben Sie gar keine Fehler gemacht?
«Natürlich habe ich Fehler gemacht. Und es ist wie im Fussball: Wenn man gewinnt, ist es eine Mannschaftsleistung. Wenn man verliert, ist der Trainer schuld, oder eben der Parteipräsident. Damit habe ich kein Problem. Aber die Beurteilung, was ich schlecht oder gut gemacht habe, überlasse ich anderen.»
Gar kein Bedauern?
«Doch. Ich finde es schade, dass ich in meiner Zeit als Präsident fast mehr mit parteiinternen, persönlichen ‹Affären› zu tun hatte, statt mit polit-strategischen Auseinandersetzungen…»
…Sie meinen Ihr Krisenmanagement rund um Christophe Darbellay und sein aussereheliches Kind oder Yannick Buttet, der als Nationalrat zurücktreten musste wegen unflätigem Verhalten. Haben sich die beiden jemals bei Ihnen bedankt?
(lacht) «Wenn man Lob und Dank sucht, sollte man nicht in die Politik.»
Hört sich frustrierend an.
«Überhaupt nicht. Mein ‹Lohn›, wenn Sie so wollen, waren die vielen Emotionen, die Freude der Leute, wenn man gewinnt, ihre Enttäuschung in der Niederlage. In diesem Kanton wird mit so viel Leidenschaft Politik gemacht – und das in allen Parteien. Das ist eigentlich das Schöne daran. Und gleichzeitig muss man auch relativieren: Was wir hier machen, ist Kantonalpolitik, nicht der Israel-Palästina-Konflikt, wir müssen auf dem Boden bleiben.»
David Biner
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