Hotellerie | Das Traditionshaus Hotel Glacier in Fiesch soll frisch belebt werden
Neue Epoche für Belle-Époque-Haus

Frisches Leben. Das Hotel Glacier wird nach 170 Jahren nicht mehr durch die Familie Volken-Speckly betrieben.
Foto: Walliser Bote
170 Jahre Familientradition aus sechs Generationen steckt im Hotel Glacier. Jetzt ist der Übergang von der Familie Volken-Speckly in eine neue Epoche unter frischer Führung aufgegleist.
Ab dem 1. Dezember 2018 wird im Hotel Glacier für den Betrieb nicht mehr die Besitzerfamilie, sondern ein externes Trio das Sagen haben. Raymond Kronig (Hotel und Administration), René Zimmermann (Küchenchef) und Denis Lamarche (Restaurant) wollen sich die Leitung aufteilen, als «Tätschmeister» nach aussen wird primär Kronig auftreten. Grundsätzlich sind aber alle drei für ein gutes Gelingen der Übernahme mitverantwortlich. Sie werden als Vertragspartner der Besitzerfamilie Volken-Speckly in der Rechtsform einer GmbH gemeinsam den angestrebten Pachtvertrag unterschreiben.
«Fifine» hat genug
Derzeit laufen die Detailgespräche bezüglich der Übernahme-Bedingungen. Dazu seien auch Fachleute beigezogen worden, sagt Josephine («Fifine») Volken-Speckly. «Ich wünsche und hoffe, dass wir uns einig werden und das Hotel offen bleibt. Und zwar unter Schweizer Führung», landet die Besitzerin einen leichten Seitenhieb gegen die Tatsache, dass sich in Fiesch mittlerweile vier Hotels im Besitz von Ausländern befinden. Für die grosse alte Dame des Betriebes, die zeit ihres Lebens in dem elterlichen Hotel verbrachte und auch mit 91 Jahren noch nach dem Rechten schaut, wäre das keine Option. Für sie selbst sei es jetzt aber an der Zeit, aufzuhören. «Wir können und wollen nicht mehr», spricht sie auch für ihren Sohn Didier. Dass Sohn Raoul Interessenten für eine Pachtübernahme gefunden habe, freue sie sehr. Die sollen es jetzt probieren, am liebsten für eine Zeitdauer von fünf Jahren. «Was danach geschieht, sollen dann die Jungen entscheiden», sagt Fifine Volken-Speckly.
35 individuelle Zimmer voller Tradition
Die Besitzerin ist mit dem «Glacier» aufs Engste verbunden. Logisch daher, dass ihr der Fortbestand des Betriebes am Herzen liegt. Auch wenn der Zahn der Zeit hier und dort inzwischen unnachgiebig am Lack des Traditionshauses genagt hat. Sie zeigt sich trotzdem überzeugt, dass das Hotel aus der Belle-Époque-Zeit auch im heutigen Zeitalter noch seine Chance hat. Es habe alles, was es dafür brauche, insbeson-
dere eine zentrale Lage. Der ursprüngliche Charakter des Hauses soll erhalten bleiben. Fifine Volken-Speckly ist stolz auf die in vielen Bereichen noch sichtbare Tradition. Sie hätte aus jedem der 35 Zimmer Anekdoten zu erzählen.
Dass die besondere Atmosphäre dem Haus erhalten bleibt, ist auch im Sinne von Raymond Kronig. Er hat Erfahrung mit der Führung von in die Jahre gekommenen Traditionshäusern. Seit dem Umbau 2014 leitete er oberhalb von Zermatt als Geschäftsführer das Hotel Riffelberg. Jetzt sei es an der Zeit, etwas anderes anzupacken, sagt er. Rasch habe er sich für den Betrieb begeistern können. «Das Hotel Glacier ist ein Betrieb mit viel Potenzial», sagt Kronig. Er sieht dafür gute Chancen, zumal das Angebot in kleinen Schritten sukzessive angepasst werden soll. An dieser Strategie haben die Besitzerfamilie wie die künftigen Pächter ein gemeinsames Interesse. Laut Kronig werden sich daran finanziell auch beide Vertragsparteien beteiligen.
International, regional
Im Hotelbetrieb auf drei Etagen mit Zimmern von unterschiedlicher Grösse wird eine Internationalisierung angestrebt. Kronig sagt, es gebe eine spezifische Kundschaft für solch traditionsreiche Häuser im einfachen Stil. Dieser blieb dem Haus, dem ersten am Platz mit fliessendem Kalt- und Warmwasser in den Zimmern, über all die Jahre erhalten, auch wenn laut der Besitzerin immer wieder etwas erneuert wurde.
Kronig kann sich vorstellen, dass ein Zwei-Kategorien-Modell entsteht. Hier ein paar Nostalgie-Zimmer im ursprünglichen Stil, dort ein Angebot auf Zwei- bis Drei-Stern-Niveau für budgetbewusste Gäste nicht zuletzt aus dem Sportbereich (Gleitschirmflieger, Biker, Snowboarder).
Im Restaurant soll der Trend Richtung regionale Produkte führen. Für Salat und Gemüse dürfte dazu nicht zuletzt der grosse Hausgarten seinen Beitrag leisten. Dieser wurde in den letzten Tagen schon mal ordentlich entholzt.
Gemäss ursprünglichem Zeitplan sollte das Haus am 30. April 2018 geschlossen werden. Die Tafel «Ruhetag» blieb denn auch über Wochen hängen. Inzwischen hat sich die Situation verändert. Um den Kontakt mit den Stammgästen nicht abreissen zu lassen, wurde von der Besitzerfamilie und den Pacht-Interessenten beschlossen, das bis zur Eröffnung der Luftseilbahn auf den Kühboden nur im Sommerbetrieb geführte Haus bis zum Start der Wintersaison mit einem reduzierten Angebot offen zu halten. Im Hotel werden Gruppen und Gäste empfangen, mit denen entsprechende Reservationen eingegangen worden waren. «Wir sind gewohnt, unsere Abmachungen einzuhalten», sagt Fifine Volken-Speckly. Im Restaurant passiert das während fünf Tagen die Woche mit einer kleinen Speisekarte. Die Pizzeria im alten Gewölbekeller des Untergeschosses bleibt dagegen geschlossen. Laut Kronig ist es denkbar, dass daraus einst eine Bar entsteht. Frisch belebt werden soll auch die grosse Terrasse auf der Westseite des Hauses. Zwischen Februar und Oktober könne man hier bequem an der Sonne sitzen.
Der reduzierte Sommerbetrieb wird als gute Alternative zum komplett geschlossenen Hotel gesehen. Er gibt den designierten Leitern des Hauses auch die Möglichkeit, sich darin einzufühlen, machbare Ideen zu entwickeln und Kontakte zu den heimischen Gästen aufzubauen. Klar ist für Kronig, dass Qualität und Preise stimmen müssen. Bezüglich Preise ist bereits entschieden, dass diese in Hotel wie Restaurant unverändert bleiben sollen.
Thomas Rieder
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