Bildung | Nicht jeder darf zu Hause Lehrer oder Pädagogin spielen
«Die Schule ist auch ein soziales Konstrukt»
Homeschooling entspricht einem weitläufigen Trend, der vor dem Wallis haltmacht: Derzeit werden lediglich 22 Schüler zu Hause beschult. Im Oberwallis wird im laufenden Schuljahr 2018/2019 sogar gar kein Schüler von Eltern daheim unterrichtet.
«Bei uns im Kanton Wallis ist die Tendenz leicht rückläufig, was das ‹Homeschooling› betrifft», sagt Bildungsdirektor Christophe Darbellay. Von den rund 36 000 Schülerinnen und Schülern würden aktuell lediglich 22 zu Hause beschult. Im Unterwallis sind es gemäss der Dienststelle für Unterrichtswesen 20 Schüler, die den kompletten Lernstoff zu Hause vermittelt bekommen. Zudem werden zwei Schüler in deutscher Sprache zu Hause unterrichtet.
Im Oberwallis wird derzeit gar keinem Schüler der Unterrichtsstoff zu Hause vermittelt, während es im Schuljahr 2017/2018 immerhin zwei Schüler waren, die zu Hause beschult wurden. Aus diesen Zahlen wird klar: Homeschooling ist bei uns ein Randphänomen.
Gleiche Ausbildungschancen für die Kinder
Das Primarschulgesetz sieht den Unterricht zu Hause zwar vor. Entsprechend gelte es diese Möglichkeit der privaten Beschulung zu respektieren, findet Darbellay: «Der Gesetzgeber will, dass den Kindern die gleichen Ausbildungschancen gegeben werden, sei es bei Heimunterricht, in der Privatschule oder in der öffentlichen Schule.»
Was den Unterricht zu Hause betrifft, so wird verlangt, dass die Lehrpläne eingehalten und die offiziellen Lehrmittel verwendet werden. Je nach Schulstufe und mit der Zustimmung des Schulinspektors muss die wöchentliche und jährliche Unterrichtszeit mehr oder weniger den für die öffentliche Schule geltenden Vorgaben entsprechen.
Und nicht jede Person darf Lehrer oder Pädagogin spielen: «Die Person, die für den Unterricht zu Hause die Verantwortung übernimmt, muss über eine vom Departement und/oder von der EDK anerkannte pädagogische Ausbildung verfügen. Die Unterrichtssprache ist grundsätzlich Deutsch oder Französisch», ergänzt Marcel Blumenthal, Adjunkt und stv. Chef der Dienststelle für Unterrichtswesen.
Der Lehrerberuf basiere auf einer fundierten Ausbildung. Deshalb müsse der Unterricht zu Hause auch die notwendige Professionalität haben. Dies hat auch das Verwaltungsgericht kürzlich im Kanton Solothurn gestützt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist es nicht willkürlich, pädagogische und fachliche Voraussetzungen zu fordern. Die Verantwortung für einen ausreichenden, qualitativ hochstehenden Unterricht sowie für die rechtsgleiche Behandlung der Eltern und Kinder liegt beim Bildungsdepartement.
Ist es nicht wünschenswert, wegen Lehrermangel und anfallender Kosten Kinder vermehrt zu Hause zu unterrichten? «Wir haben im Wallis ein gut etabliertes und anerkanntes Bildungssystem, in dem die Schüler sehr gut auf das Erwachsenenleben vorbereitet werden. Die Schule als Ganzes und die Arbeit im Klassenverband bauen auf Bewährtem auf und tragen auch der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung», sagt dazu Darbellay. Die Schüler würden in der Schule von der Pike auf auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet. «Sie erleben den wertvollen Austausch mit Gleichaltrigen. Denn Schule ist nicht zuletzt auch ein soziales Konstrukt.»
Hilfe zu Hause von pädagogisch Verantwortlichen
Während in anderen Kantonen pädagogisch Verantwortliche für die Unterstützung des Heimunterrichts beigezogen werden, wird diese Variante fürs Wallis nicht in Betracht gezogen. Nochmals Darbellay: «Das sehen wir nicht vor. So würde quasi eine Art ‹Fernstudium› bereits in der Volksschule installiert, was gemäss Bundesgerichtsentscheid nicht zulässig ist.» Doch ist der Heimunterricht möglich unter der Voraussetzung, dass die Kinder von Profis unterrichtet werden. Der Schulinspektor ist mit der Aufsicht über den Unterricht zu Hause betraut. Das zu Hause beschulte Kind muss die offiziellen kantonalen Prüfungen ablegen, und zwar am Ende der 4H, 8H und 11OS.
«Homeschooler» treten später in öffentlichen Zyklus
Die Befürworter des Homeschooling behaupten, dass zu Hause unterrichtete Kinder später mindestens gleichwertige Lernerfolge erreichen und geforderte Prüfungen bestehen. Bei der Dienststelle für Unterrichtswesen sind anders gelagerte Fälle bekannt: «‹Homeschooler› treten später in den öffentlichen Zyklus wie in die Lehre oder Mittelschule ein. Wir vom Bildungsdepartement stehen hier gehörig in der Mitverantwortung, dass dieser Übergang gelingt. Entsprechend setzen wir auch Bedingungen», führt der Bildungsdirektor weiter aus.
Diese Woche ist der Unterricht zu Hause ebenfalls Thema im Grossen Rat. Mehrere Unterwalliser Grossräte verlangen Klarheit: Primär wollen sie wissen, wie der Staatsrat es rechtfertigt, dass nur Personen mit einer anerkannten pädagogischen Ausbildung zu Hause unterrichten dürfen.
Daniel Zumoberhaus
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