Naturgefahren | Installation eines zusätzlichen Radars soll genauere Prognosen ermöglichen
Hängegletscher am Weisshorn droht abzubrechen
Randa | Aufgrund eines drohenden Gletscherabbruchs am Weisshorn trifft die Gemeinde Randa vorsorgliche Massnahmen zum Schutz von Dorfbewohnern, Strasse und Eisenbahn. Aufgrund von Neuschneefällen könnte die Eis- und Schneelawine bis in den Talgrund gelangen.
Mittels Informationsschreiben haben die Gemeindebehörden von Randa am Freitag die Einwohner ihres Dorfes von einem drohenden Abbruch eines Hängegletschers an der Ostflanke des 4505 Meter hohen Weisshorns in Kenntnis gesetzt. «Solange keine weiteren Schneefälle zu verzeichnen sind, besteht für das Dorf keine Gefahr», sagt Gemeindepräsident Daniel Roten. «Um zu vermeiden, dass ein Gletscherabbruch eine grössere Staublawine auslöst, werden in den kommenden Tagen Seitenhänge links und rechts neben dem Bisgletscher in Absprache mit dem Kanton mittels Helikoptereinsatz gesprengt.»
Fensterläden und Türen schliessen
Gebiete in der Sturzbahn einer möglichen Eis- und Schneelawine sind aus diesem Grund gesperrt worden. «Während der Sprengungen dürfen sich die Bewohner im nördlichen Teil des Dorfes nicht draussen aufhalten und sind angehalten, Fensterläden und Türen geschlossen zu halten.»
Mit der Überwachung des Hängegletschers am Weisshorn ist das Zürcher Unternehmen Geopraevent betraut. Es entwickelt, installiert und betreibt weltweit hochwertige Alarm- und Überwachungsanlagen für Naturgefahren. «Aufgrund der täglich gemachten Fotos ist deutlich geworden, wie sich ein Riss im Hängegletscher innerhalb der letzten Wochen gebildet und deutlich vergrössert hat», sagt Geschäftsführer Lorenz Meier auf Anfrage des «Walliser Boten».
Zwei kleinere Abbrüche verlaufen harmlos
«Auf den jüngsten Bildern konnte man feststellen, dass ein Teil des Hängegletschers schon abgebrochen ist. Das geschah am 17. Dezember um 16.45 Uhr und am 18. Dezember um 7.20 Uhr, wie wir dank der Radaranlage für den Bisgletscher wissen. Diese Anlage ist oberhalb von Randa auf dem Wasserreservoir installiert. Sie erkennt Eis- und Schneelawinen automatisch und sperrt Kieswerk, Bahn und Strasse rechtzeitig», so Meier.
«Sobald es das Wetter erlaubt, installieren wir ein weiteres Radarsystem auf dem Felsgrat auf 3500 m ü.M., mit welchem wir die Bewegungen des Gletschers stündlich und bei jedem Wetter messen können. Der Hauptvorteil des Radars liegt darin, dass er auch bei Nebel, in der Nacht oder bei Schneefall funktioniert. Mit den permanent installierten Kameras können wir den Gletscher nur bei gutem Wetter vermessen und damit langfristig Trends erkennen, wie jetzt hier geschehen.»
Etwa eine Million Kubikmeter Eis in Bewegung
Laut der Naturwissenschafterin Evelyn Zenklusen Mutter von geoformer igp AG, einem auf Naturgefahren spezialisierten Unternehmen in Brig, das im Auftrag der Gemeinde und des Kantons aufgrund der gelieferten Daten von Geopraevent das Gebiet überwacht und wie im vorliegenden Fall das Risikomanagement zum Schutz der Verkehrswege und der Dorfbewohner innehat, sollen bei den beiden kleineren Teilabbrüchen dieser Woche rund 50'000 Kubikmeter Eis vom Hängegletscher abgegangen sein. «Die Abbrüche kamen auf den flachen Eisfeldern am Fusse des Weisshorns zum Stillstand und sind vom Tal aus kaum wahrgenommen worden. Insgesamt umfasst der Hängegletscher etwa eine Million Kubikmeter Eis. Ein Abbruch als Ganzes ist aber als eher unwahrscheinlich einzustufen, es wird erwartet, dass instabile Eismassen als Teilabbrüche abgehen.»
Laut Zenklusen Mutter lassen sich genaue Prognosen zum Zeitpunkt des Abbruchs erst nach der Installation des Radars von Geopraevent machen. «Aufgrund der Radarinformationen lässt sich die Geschwindigkeit errechnen, mit der sich der Hängegletscher Richtung Tal bewegt.»
Grösster Abbruch im Jahr 1819
Eis-Schneelawinen im Bisbachzug sind seit dem 17. Jahrhundert bekannt. «Das grösste historisch belegte Ereignis von den Hängegletschern am Weisshorn datiert aus dem Jahr 1819 und wurde vom damaligen Kantonsingenieur Ignatz Venetz aufgenommen. Die dabei ausgelöste Lawine verursachte grosse Schäden im Dorf Randa. Die Disposition heute ist nicht mehr vergleichbar.»
Zu einem weiteren, sehr gut dokumentierten Abbruchereignis aus dem Hängegletscher am Weisshorn kam es 1972/73. «Im Herbst 1972 öffnete sich ein Spalt am Hängegletscher Ost immer weiter. Zum Abbruch kam es schliesslich am 19. August 1973. Die beiden Teilabbrüche verliefen glimpflich. Beide Mal kamen die Eislawinen auf dem Gletscherfeld am Fusse des Weisshorns auf 3000 Metern über Meer zum Stillstand», so Zenklusen Mutter.
Norbert Zengaffinen
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