Eishockey | Heute ist das grosse nationale Amateurfinale Siders versus Valais-Chablais. Was sagt eigentlich Chris McSorley?
«Für mich ist der HC Siders bereits in der Swiss League»
Chris McSorley, stimmt es, dass Sie das wildeste von den zehn McSorley-Kindern sind?
«Ich würde nicht sagen, dass ich der Wildeste war, weil wir alle einen harten Kopf und eine eigene Meinung hatten. Ich bin wirklich in einer selbstbewussten Grossfamilie gross geworden. Wir Kinder waren fünfzehn Jahre auseinander und ich
war das mittlere Kind. Wir waren auf einer Farm in Ontario aufgewachsen, ähnlich der Gegend
von Langnau.»
In 75 Spielen holten Sie sage und schreibe 545 Strafminuten. Wenn das nicht wild ist?
«Das ist bloss üble Nachrede. Jeder Pfiff der Schiedsrichter war ungerechtfertigt. Nein, ich war sicher kein Engel, ich war einfach ein sehr intensi-
ver Wettkampftyp. Die Minor Pro Hockey League war Wilder Westen, es war eine verrückte
Liga, eine verrückte Zeit, aber ich möchte keine Minute davon missen.»
Ihr Bruder Marty, der zweimal den Stanley Cup gewann, ging keinem handfesten Duell Mann gegen Mann aus dem Weg. Dann war er wohl der wildeste von allen wilden McSorleys, oder?
«Nein, im Gegenteil, er war der Ruhigste. Als ich ihn in der NHL spielen sah, dachte ich, wenn der das schafft, dann schafft es jeder.»
Auch Sie bekamen einen NHL-Vertrag.
«1986 unterschrieb ich bei den Los Angeles Kings, das war bereits Erfüllung genug für mich. Aber
ich war ein B-Spieler, kein A-Spieler. Ich war nicht gross genug, nicht gut genug für die NHL. Deshalb entschied ich mich bereits mit 27, vom Spieler zum Trainer zu wechseln, was meinen Vater fuchsteufelswild machte. Aber ich bekam die Möglichkeit, ins Profimetier einzusteigen.»
Die Karriere Ihres Bruders endete als Boston-Bruins-Spieler unschön. Er schlug Donald Brashead von den Vancouver Canucks mit dem Stock, dieser fiel daraufhin mit dem Kopf hart aufs Eis und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. Letztlich bekam Ihr Bruder eine Sperre von einem Jahr, danach wollte kein Klub mehr Marty McSorley.
«Marty war ein intelligenter Spieler, er war der Bewacher von Wayne Gretzky, Jan Kurri und Mark Messier. Es war auch viel Pech mit im Spiel. Ein ungeschriebenes Gesetz in der NHL besagt: Kein letztes Spiel eines harten Kerls ist ein gutes und bleibt gut in Erinnerung. Das gilt auch für meinen Bruder. Was er aber erreicht hat, ist eine Inspiration für uns alle.»
Hat die besondere Kindheits- und Jugendzeit auf der Farm Ihre Art, das Traineramt auszuführen, beeinflusst?
«Bestimmt. Wir wurden zu grosser Unabhängigkeit und Eigenmotivation erzogen. Mein Erfolg
als Trainer hat mit diesen Werten zu tun, die ich täglich lebte und lebe. Die ungeschminkte Wahrheit zu sagen kann hart sein, ehrlich zu sein, wurde uns schon in jungen Jahren eingeimpft. Ich habe meine Freunde und meine Feinde in der Liga,
aber auch die Feinde respektieren mich. Das ist mir
das Wichtigste.»
Am letzten Montag beim vierten Aufeinandertreffen in Martinach zwischen Valais-Chablais und dem HC Siders haben Sie beim 4:3 für Valais-Chablais die Tribüne verlassen. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie zu jenem Zeitpunkt auch das Stadion verlassen haben.
«Nein nein. Nach dem 5:3 eine Minute vor Schluss sind wir dann gegangen. Ich werde heute zwei Stunden vor dem Anspiel in Siders sein. Ich habe zwar auch noch das eine oder andere Treffen
mit dem Management und mit Agenten, aber hey, das ist Eishockey.»
Weshalb wollten Sie eigentlich
ein Farmteam?
«Ich rede nicht von Farmteam. Ich rede von Partnerteam, weil es eine Win-win-Situation ist. Das war für uns von Anfang an wichtig.»
Einverstanden, weshalb also
ein Partnerteam?
«Ein grosses Kader ist für einen National-League-Klub entscheidend. Sie müssen aus einer Tiefe schöpfen können, etwa bei Verletzten. Deshalb wollten wir eng mit einem baldigen Swiss-League-Team zusammenarbeiten. Denn der Sprung unserer besten Jungspieler von den Elite-A-Junioren
in die National League ist zu gross. Und der Partner Siders profitiert von angehenden National-League-Kalibern, und das zu einem sehr günstigen Preis. Das Ziel ist ja, dem HC Siders zu einem Come-
back zu verhelfen und aus ihm einen Hauptplayer in der Swiss-League zu machen. Wir sind sozusagen Geburtshelfer, die Zukunft liegt in den Händen des Mittelwallis. Auch was ein neues Stadion betrifft.»
Sie sagten einmal, Ihr Engagement sei ein «One-Shot.» Das tönt nach jetzt oder nie.
«Das ist so. Was wir in Siders investieren, kann man ein Jahr machen, nicht zwei oder mehr. Diesen grossen Betrag stemmen wir kein zweites Mal. Unser Engagement war von Anfang an eine Ein-Jahres-Verpflichtung. Das haben wir so kommuniziert, wir wollten nämlich, dass alle mit der nötigen Ernsthaftigkeit an dieses Projekt gehen. Wir gingen immer davon aus: Wir wollen nichts anderes als Swiss League, und dafür machen wir alles, wir haben Siders die qualitativ entsprechenden Spieler zur Verfügung gestellt. Aber das muss in einem Jahr klappen.»
«Wir hatten andere Möglichkeiten, aber Siders war der nachhaltigste Eishockeymarkt»
Fliesst konkret Geld oder stellen Sie
elf Spieler von Genf-Servette?
«Das ist dasselbe. Wir bezahlen Siders ja das Personal zum Gewinnen. Wir organisierten auch die drei Spieler der Biasca Ticino Rockets.»
Sie bezahlen also elf Spieler im HC Siders.
«Das ist so. Sie sind ja bei uns unter Vertrag. Wir sehen das als Investition.»
Sie machten sich damals für Dany Gélinas als Trainer stark. Wer bezahlt ihn?
«Der HC Siders. Das Siderser Management hat einen grossen Anteil am Budget.»
Fifty-fifty?
«Wir rechnen nicht so. Es handelt sich um eine normale Partnerschaft.»
Aber Sie gaben die Sicherheit, damit Siders im Gegensatz zu Valais-Chablais die Lizenz für einen Aufsteig bekommen hat?
«Dass wir die Lizenz erhalten haben, war eine gemeinsame Leistung von Genf-Servette und Siders.»
Sollte Siders nicht aufsteigen, was dann?
«Für mich ist der HC Siders nach der Finalqualifikation und nach dem Erhalt der Lizenz bereits in der Swiss League. Siders hat alles Nötige getan und erreicht, um aufzusteigen. Die Frage nach dem Aufsteiger ist für mich beantwortet.»
Valais-Chablais will auch aufsteigen und kann heute gewinnen.
«Wir glauben sehr sehr fest daran, dass Siders oben ist. Valais-Chablais hat keine Lizenz erhalten.»
Aber Valais-Chablais ist an den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne gelangt, um die Lizenz doch noch zu erhalten.
«Sollte Valais-Chablais vor dem CAS recht bekommen, dann gehe ich davon aus, dass die Swiss League ein 13. Team in der Swiss League akzeptiert. Aber ich glaube nicht, dass Siders dann seinen Platz verlieren würde.»
Also entweder steigt nur Siders oder
beide auf.
«So planen wir.»
Die Frage ist damit in Ihren Augen obsolet, was Sie mit dem HC Siders im Sinn haben, sollte der Klub nicht aufsteigen.
«Ja. Wir werden kein zweites Mal in so einem Umfang in ein MySports-Team investieren, weil
wir wissen, der HCS wird ein Swiss-League-
Team sein.»
Unterstützen Sie im nächsten Jahr Valais-Chablais, sollte trotz allem dieser Klub und nicht Siders aufsteigen?
«Nein.»
Ohne Sie hätte es Siders nicht geschafft, oder?
«Lassen Sie es mich so sagen: Die Kooperation war das perfekte Rezept. Denn beide brauchten einander. Die Walliser wollten in die Swiss League, und wir wollten für die Entwicklung unserer jungen Talente einen starken Partner in der Swiss League haben.»
Wie sieht denn die Zusammenarbeit in der nächsten Saison aus, wenn Siders in der Swiss League spielt? Werden Sie das Budget auf drei Millionen erhöhen?
«Wie das Budget aussehen wird, ist Sache der Siderser, nicht von Chris McSorley. Da sind sie unabhängig. Unser Fokus liegt darauf, Siders diejenigen jungen, sehr talentierten Spieler abzugeben, die sie brauchen. Unsere Unterstützung wird wie in diesem Jahr rein sportlicher Natur
sein. Wir stellen unsere Spieler zur Verfügung,
wir bezahlen sie, wir übernehmen die Reise-
kosten und das Material für sie. Das ist der gleiche normale Prozess wie bei Spielern, die beispielsweise von Bern nach Visp oder von Biel zu Ajoie gehen.»
Ist es für Siders nicht ein Problem, einerseits ein Farmteam…
«Siders ist nicht ein Farmteam, es ist ein Partnerteam.»
… und abhängig zu sein, andererseits wachsen zu wollen und Erfolg zu haben. Beisst sich das nicht?
«Der HC Siders ist immer noch ein unabhängiger Klub. Er hat die Kontrolle über seine Organisation und darüber, wie er seinen Klub managen will. Genf-Servettes Einfluss ist lediglich sportlicher Natur. Klar braucht Siders im ersten Jahr recht viel Unterstützung von einem National-League-Klub. Es geht ja darum, dass der Klub auf die Beine kommt und, eine Liga höher, Gleichgewicht und Stabilität findet. Sobald das passiert ist, wird unser Einsatz in ein paar Jahren bestimmt kleiner werden. Ich sehe nicht ein, weshalb der Klub in der Swiss League eines Tages nicht vorne soll mitspielen können. Wenn ich etwas gelernt habe von den Wallisern, dann, dass sie sehr fordernd sind, was ihre Sportklubs betrifft. Siders wird sofort unter Druck stehen in der Swiss League. Ein Jahr werden die Fans noch tolerant sein, ein zweites wohl kaum.»
Was, wenn Chris McSorley im HC Genf-
Servette nichts mehr zu sagen hat?
«Der Friedhof ist voll von unersetzbaren Menschen, und das Leben geht immer noch weiter. Nein, diese Zusammenarbeit wird mit oder ohne McSorley weiterbestehen. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein. Es macht Spass, das Projekt wachsen zu sehen. Und es kann ein fabelhaftes werden, auch das neue Stadion braucht seine Zeit, aber es ist in guten Händen. Die Zukunft liegt in den Händen des Mittelwallis.»
Sie werden den HC Siders nicht übernehmen, oder?
«Nein nein. Ich bin sehr glücklich in Genf. Ich hoffe, dass Chris McSorley noch lange lange in Genf sein kann.»
Heute ist alles rosig, aber es gibt auch ein Übermorgen. Kann einer der beiden Klubs die Zusammenarbeit von heute auf morgen kündigen?
«Ich habe den genauen Vertrag nicht im Kopf, aber wenn ein Team das Gefühl hat, dass es das Projekt stoppen will, wird das wohl gehen. Aber es ist im Interesse von Genf-Servette und Siders, diese Kooperation zu schützen und zu pflegen. Ich sehe keine Probleme für die Zukunft. Angefangen zumindest hat alles exzellent. Jeder Spieler in dieser Saison, jeder, den wir nach Siders geschickt haben, genoss es. Ich bin sehr stolz auf das, was wir zusammen mit dem ganzen Management von Siders in so kurzer Zeit erreicht haben. In nur zwei Monaten hatten wir ein Aufstiegsteam mit grossen Talenten geschaffen.»
War Siders eigentlich die einzige Möglichkeit für eine derart enge Partnerschaft?
«Es gab auch andere Möglichkeiten. Aber Siders machte am meisten Sinn, weil es der nachhaltigste Markt ist. Aufzusteigen ist eines, aber über Jahre oben bleiben zu können und zu wachsen, ist was ganz ganz anderes. Siders ist der Eishockeymarkt, der langfristig zwei oder drei Millionen Franken pro Saison stemmen kann. Mit weniger als 1000 Zuschauern pro Spiel funktionierte das nicht.»
Wie sehen Sie heute die Chancen fürs Spiel?
«Das heutige Spiel wird eines meiner spannendsten der ganzen Saison sein. Valais-Chablais hat eine grosse, reife Mannschaft, Siders eine jüngere, schnellere. That’s a royal battle.»
ZUR person
Chris McSorley (22. März 1962) ist der Mister HC Genf-Servette. Er ist seit nunmehr 18 Jahren im Klub. Er war auch schon Klubbesitzer, in dieser Saison war er Trainer und Sportchef. Er hat Genf zu einer Eishockeystadt gemacht. Zusammen mit Arno Del Curto ist McSorley der aussergewöhnlichste Trainer im Schweizer Eishockey. McSorley war es, der am Anfang der Partnerschaft mit dem HC Siders steht.
Das Spiel – heute um 16.00 Uhr
Der HC Siders und der HC Valais-Chablais, ein Produkt der Klubs aus Martinach, Sitten und Monthey, stehen im Final der dritthöchsten MySports League. In der Serie steht es 2:2. Heute um 16.00 Uhr kommt es in der Grabenhalle in Siders zum entscheidenden Duell um den Schweizer Amateurmeister und Aufsteiger.
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