Schweizer Presserat
«Le Nouvelliste» in der Kritik

Professor Vincent Bettschart, Chirurg am Walliser Spitalzentrum
Foto: zvg
Der Schweizer Presserat hat im Fall des Chefchirurgen Vincent Bettschart die fehlende Anhörungspflicht der Unterwalliser Tageszeitung «Le Nouvelliste» bemängelt.
«Darf eine Zeitung darauf verzichten, eine Person zu Wort kommen zu lassen, gegen die sie schwere Anschuldigungen erhebt?» Nein, meint der Presserat. Selbst wenn sie deren Vorgesetzte befragt hat und einige Wochen nach den Artikeln über die Stellungnahme dieser Person bei einer Pressekonferenz berichtete, kann sie nicht darauf verzichten. Das Gebot der Anhörung bei schweren Vorwürfen ist in jedem Fall zu respektieren.
Anonyme Quellen zitiert
Im August 2013 publizierte die Walliser Zeitung «Le Nouvelliste» zwei kritische Artikel über Vincent Bettschart, Arzt am Spital Sion. Darin berichtete sie über den Tod mehrerer Patienten nach Operationen von Bettschart. Die Informationen für den ersten Artikel stammten aus dem Satireblatt «Vigousse».
Im zweiten Artikel berichtete «Le Nouvelliste» über einen neuen Todesfall nach einer Operation und zitiert im Wesentlichen anonyme Quellen. Bettschart gelangte an den Schweizer Presserat. Er sah mehrere Prinzipien des Journalistenkodex verletzt: die Wahrheitspflicht, Quellenbearbeitung, Anhörung bei schweren Vorwürfen und die Unschuldsvermutung.
«Gerechtfertigt»
Der Presserat hält in seinem Entscheid fest, dass «Le Nouvelliste» die verfügbaren Informationen korrekt behandelt hat, indem er versuchte, diese zu überprüfen. Anonyme Quellen zu nennen sei angesichts des zerrütteten Klimas innerhalb des Gesundheitsnetzes Wallis, dessen jüngste Geschichte von Vorfällen und Skandalen geprägt ist, gerechtfertigt gewesen.
Der Presserat erinnert daran, dass eine Zeitung nicht verpflichtet ist, die ganze Vorgeschichte einer Affäre, die regelmässig von sich reden macht, zu wiederholen. Sie darf auch den Namen einer bekannten Persönlichkeit wie Vincent Bettschart nennen. Denn der Arzt war ja Thema des Artikels.
Anhörung zwingend
Hingegen hätte «Le Nouvelliste» den Beschwerdeführer zu den schweren Vorwürfen anhören müssen oder dies zumindest versuchen. Die Redaktion könne sich weder darauf berufen, sie habe den Präsidenten des Verwaltungsrats und die zuständige Regierungsrätin befragt, noch darauf, sie habe Bettschart einige Wochen darauf zu Wort kommen lassen.
Nach drei Todesfällen nach Operationen in der Viszeralchirurgie geriet der Chefchirurg Bettschart im vergangenen Jahr in die Kritik. Das Spital Wallis rehabilitierte den Chefchirurgen nach einer internen Untersuchung. Ende Januar gab Bettschart bekannt, seine Zusammenarbeit mit dem Spital Wallis zu beenden. Weitere Informationen zum plötzlichen Abgang von Bettschart wurden damals nicht gemacht.
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