Walliser im Ausland
Medea Fux: «Das Badezimmer hatte kein Schloss»

Medea Fux lebte zehn Monate lang in China.
Foto: zvg
Medea Fux aus Grächen lebte zehn Monate lang im chinesischen Jiamusi. Auf 1815. ch berichtet die 17-Jährige über die schwierige Sprache, stinkenden Tofu und Wetterextreme.
1815. ch: In welchem Land hast du dich aufgehalten?
Medea Fux: Ich habe während rund zehn Monaten in Jiamusi, in der Provinz Heilongjiang in China gelebt.
Warum bist du nach China gegangen?
Ich wollte ein Austauschjahr machen und habe gedacht, wenn ich sowieso ein ganzes Jahr weg bin, möchte ich etwas ganz anderes als die Schweiz. Die chinesische Sprache hat mich auch sehr fasziniert, obwohl ich überhaupt nichts verstand.
Was hast du dir von deinem Aufenthalt erhofft?
Ein Jahr voller interessanter Erlebnisse und spannende Erfahrungen, eine neue Sprache und Kultur kennenlernen. Ich habe mir erhofft, interessante Leute kennenzulernen und China selbst zu erleben.
Sind deine Erwartungen erfüllt worden?
Ja, es war ein sehr, sehr spannendes Jahr – es war viel verrückter, als ich es mir vorgestellt hatte. Am Anfang war es schwieriger, sich zu integrieren als ich erwartet hatte. Die Sprache war ein grosses Hindernis, auch das Verhalten der Leute war komplett anders und ich blieb oft unverstanden. Das änderte sich nach ein paar Monaten und der Kontakt mit den Chinesen wurde immer besser.
Was würdest du beim nächsten Mal anders machen?
Ich würde noch viel mehr ausprobieren und mehr auf mich selbst hören. Nächstes Mal würde ich selbstbewusster und unbeschwerter meine Zeit geniessen. Ich denke, ich habe mich oft selbst ein wenig gestresst, weil ich am Anfang recht unsicher war, in diesem fremden Land.
Und ich würde mehr auf meine Familie (aus der Schweiz) hören; denn obwohl sie weniger von China kennen als ich, kennen sie mich sehr gut. Wenn ich auswählen dürfte, würde ich eher in eine grössere Stadt wie Harbin oder in den Süden gehen.
Wem bist du in China zuerst begegnet?
Judith, einer Austauschschülerin aus Peru und einem AFS-Mitarbeiter. Judith ging dann an die gleiche Schule wie ich und wir wurden sehr gute Freunde.
Welches Wort in der Landessprache hast du am meisten verwendet?
Da gibt es sehr viele... Am Anfang eher «xie xie» = Danke, ich wollte immer höflich sein, obwohl ich nichts verstand und das war vermutlich mein erstes Wort auf Chinesisch. Später «wei shen me» = Wieso.
Ich wollte immer wissen, wie alles funktioniert und warum Chinesen dieses oder jenes tun. Noch später war es «en, ah» = Wörter ohne richtige Bedeutung, die als Bejahung gelten, fast an jede Aussage konnte man so ein «a» dranhängen, das fand ich irgendwie cool und es hörte sich auch so richtig «chinesisch» an.
Wie hast du gewohnt?
Im dritten Stock eines eher kleinen Hauses, zusammen mit meiner Gastschwester in einem Zimmer und wir teilten ein Bett. Für China war es kein schlechter Standard (es hatte eine Dusche).
Bemerkung: das Badezimmer hatte kein Schloss, das führte zu ein paar peinlichen Momenten.
Was kostete ein Kaffee in deinem Aufenthaltsort?
Das ist vielleicht die falsche Frage: Kaffee ist nicht sehr beliebt in China und darum verhältnismässig auch recht teuer, weil es ihn nur in westlicheren Geschäften zu kaufen gab. Er kostete rund drei Franken.
Eine 0.5 dl Mineralwasserflasche hingegen nur 1 RMB* = 15 Rappen Oder eine Coca-Cola 5 RMB = nicht ganz 1 Franken. In China ist alles sehr, sehr viel billiger als in der Schweiz, und weil ich in Jiamusi, also einer kleinen Stadt, wohnte, war alles noch billiger als zum Beispiel in Peking.
Wie war das Wetter dort?
Im Winter bis zu -30 Grad und im Sommer +30 Grad, das war sehr erstaunlich! Und das ist nicht übertrieben! Im Frühling gab es auch teilweise monsunartigen Regen, innert einer Minute fing es an zu regnen; wie im Dschungel und nach fünf Minuten war alles wieder vorbei.
Konnte man das Leitungswasser trinken?
Meine Gastschwester meinte ja aber ich sagte eher nein. Zu Hause hat man das Wasser immer abgekocht und dann war es kein Problem es zu trinken. In der Schule hingegen war es meistens eher braun als durchsichtig und kam soweit ich weiss vom Fluss.
Welche Verkehrsmittel hast du benutzt?
Fast immer den Bus oder das Taxi, manchmal wurde ich auch von meiner Gastmutter oder einem Lehrer gefahren. Die Busse waren ein ziemliches Erlebnis... Meistens waren sie so voll, dass man fast an der Scheibe klebte.
Wenn dann trotzdem noch zwei oder drei Leute hinein wollten, war es nicht selten, dass der Busfahrer rief: «Macht Platz! Zwei passen noch in den Bus! Ja, noch einer, noch einer!»
Was unterscheidet die Einheimischen von den Wallisern?
Oh, sehr viel: Ich denke Chinesen sind in vielen Dingen offener als Walliser/Schweizer. Wir halten gerne an unseren einstudierten Plänen fest und sind häufig wenig flexibel.
Gegenüber fremden Leuten sind wir auch eher zurückhaltend. In China sind alle total spontan und Pläne werden sehr schnell geändert. «Offener» meine ich auch in der Hinsicht, dass wir immer sehr viel Privatsphäre «benötigen».
Es gibt viele Momente, in welchen wir alleine sein möchten und es gibt Gesprächsthemen, die nur privat sind. In China wird man sehr bald nach allem gefragt; Alter, Gewicht, Zivilstand, Lohn...
Hattest du Heimweh?
Am Anfang fand ich alles so toll und spannend weil ich nichts kannte und ich wollte alles entdecken. Nach einem halben Jahr hatte ich natürlich dann ein wenig Heimweh.
Vor allem die Familie und mein Zuhause haben mir gefehlt, in der Gastfamilie blieb ich irgendwie bis zum Schluss ein wenig fremd.
Was hast du während deinem Aufenthalt am meisten aus der Schweiz vermisst?
Meine Familie und meine Freunde natürlich. Andere Dinge vermisste ich aber auch: Sandwich, verlässliches Internet, Skifahren, WC-Papier...
Welches einheimische Essen mochtest du nicht?
«Chou dou fu» – stinkender Tofu. Es ist kein Witz, dieses «Gericht» heisst wirklich so. Man kann es auf der Strasse an so kleinen Ständen kaufen. Das ist Tofu, welcher in so richtig stinkendem Zeugs drin frittiert wird.
Ich glaube nur echte Chinesen können dieses Gericht mögen...
Gab es viele Einkaufsmöglichkeiten in deiner Nähe?
Ja, es gab zwei grosse Supermärkte und eine Shoppingmall und viele Früchte- und Gemüsemärkte.
Kannten deine Bekannten in China die Schweiz?
Ja und Nein. Also jeder kannte die Schweiz, die Uhren oder die Schokolade. Doch ob die Schweiz sich nun in Europa oder Amerika befand und ob es nicht doch Schweden ist, das wussten nicht alle.
Hat dein Aufenthalt dich verändert?
Ich glaube, mich selbst nicht so sehr, aber meine Einstellung: Ich bin glücklicher geworden.
War das Leben in Jiamusi gefährlich?
Nein, nicht unbedingt. Man konnte zum Beispiel auch noch in der Nacht ohne Probleme in der Stadt umherlaufen.
Bist du gern in die Schweiz zurückgekommen?
Ja, ich habe mich sehr gefreut, meine Familie und meine Freunde wieder zu sehen. Bevor ich meine Stadt in China verliess, war ich schon traurig, weil ich wusste, dass ich vieles vermissen werde. Aber ich war auch glückich, wieder hier zu sein.
*Renminbi
Für unsere Rubrik «Walliser im Ausland» sind wir regelmässig auf der Suche nach Wallisern, die fernab der Heimat leben. Gehören Sie auch dazu oder kennen Sie jemanden? Dann freuen wir uns auf Ihre Nachricht an info@1815.ch.
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