Frontal | Christoph Gysel, Präsident Saas-Fee/Saastal Tourismus

«Der Umgangston muss respektvoller werden»

Christoph Gysel: «Das Hauptproblem ist die Hotellerie und die Parahotellerie.»
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Christoph Gysel: «Das Hauptproblem ist die Hotellerie und die Parahotellerie.»
Foto: RZ

Christoph Gysel: «Ich kann nicht die Welt verbessern.»
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Christoph Gysel: «Ich kann nicht die Welt verbessern.»
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Quelle: RZ 2

Er ist Tourismuspfarrer im Saastal und neuer Präsident von Saas-Fee/Saastal Tourismus. Christoph Gysel (60) über die neue Herausforderung und seinen Plan, die Destination auf Kurs zu bringen.

Herr Gysel, an der Generalversammlung von Saas-Fee/Saastal Tourismus wurden Sie zum neuen Präsidenten gewählt. ­Warum tun Sie sich das an?
Weil ich mich gerne für gute Sachen einsetze. Als Pfarrer und Christ möchte ich mich für die wichtigen Anliegen in der Gesellschaft engagieren. Und im Saastal ist das der Tourismus. Heute hat der Tourismusverein nicht mehr die gleichen Auf­gaben wie früher. Das heisst, unsere Funktion ist es, als Verbindungsglied zwischen der Saastal Tourismus AG und un­seren Mitgliedern aufzutreten. Das ist jetzt mein Gebiet.

Die Saastal Bergbahnen befinden sich momentan in einer heiklen Phase. Genauso wie die Hohsaas Berg­bahnen. Davon ist auch der ganze Tourismus betroffen. Wie beurteilen Sie die ­momentane Situation?
Wir haben wenig Einfluss auf die Situation bei den Bahnen. Für uns ist es wichtig, dass wir gute Ideen präsentieren und uns diesbezüglich einbringen können. Sei es in einzelnen Arbeitsgruppen oder in Gesprächen mit den verantwort­lichen Personen.

Sie sind seit über 30 Jahren im Saastal ­beheimatet, aber ursprünglich eigentlich ein «Grüezi». Braucht es den Blick von aussen, um die verzwickte Situation ­besser beurteilen zu können?
Ich glaube schon. Ich habe hier, abgesehen von meiner eigenen Familie, keine verwandtschaftlichen Bande und kann mich entsprechend unbelastet einbringen. Das ist natürlich einfacher und ein grosser Vorteil. Ich bin auch auf verschiedenen Gebieten tätig und nicht bloss im Wallis unterwegs. Ich habe immer meine eigenen Ideen und halte meine Meinung nicht hinter dem Berg.

Konkret: Was wollen Sie in naher Zukunft verändern?
Der Umgangston untereinander muss sachlicher und respektvoller werden. Sonst zerstören und verletzen wir und kommen nicht vorwärts. Es muss um die ­Sache gehen und nicht um Personen. Wir reden gerne und vorlaut von «Köpferollen» und so weiter. Das bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Situation verbessern und nichts anderes.

Das ist aber eine heroische Aufgabe, der Sie sich da stellen?
Wenn man keine Ideale hat, für die man lebt und sich dafür einsetzt, dann hat man auch keinen Erfolg. Ich nehme nicht für mich in Anspruch, dass ich die Welt verbessern kann, aber wenn ich etwas bewirken kann, wie zum Beispiel bessere Umgangsformen und mehr Respekt, dann ist das ein erster Schritt.

Respekt ist das eine, die Probleme angehen das andere. Woran harzt es?
Ich hoffe, dass bei den beiden Bahnen Ruhe einkehrt und man sich wieder auf die eigentliche Arbeit ­konzentrieren kann. Dann braucht es natürlich eine Vorwärtsstrategie. Aber das Hauptproblem sind nicht die Bahnen, sondern die Hotellerie und die Parahotellerie. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Betten verloren. Dagegen müssen wir unbedingt angehen. Zudem gibt es in vielen Betrieben Nachfolgeprobleme. Das ist das Kernproblem.

Sie sprechen von fehlender Nachfolge­regelung. Gibt es da ein Patentrezept?
Ich denke schon, dass es Lösungen gibt. Auch Politik und Wirtschaft sind hier gefordert. Der Gemeinderat muss sich vermehrt mit dieser Problematik auseinandersetzen und die Banken müssten den Mut haben, die jungen Leute zu unterstützen. Ich kenne junge Leute, die den ­elterlichen Betrieb gerne übernehmen würden, aber nicht die nötigen finanziellen Mittel haben, um die Geschwister auszuzahlen und sich auf dem Markt zu behaupten.

Stellen Sie bei den jungen Leuten im ­Saastal ein Tourismusbewusstsein fest?
Es hat einzelne junge Leute, die sich gerne im Tourismus engagieren würden. Zudem gibt es auch interessierte Touristiker aus der Deutschschweiz, die sich gerne hier niederlassen würden. Letztlich ist es für die Region besser, wenn ein motivierter Junghotelier aus der «Üsserschwiiz» einen Betrieb übernimmt, als wenn er geschlossen wird. Ich kenne keinen Tourismus, der funktioniert ohne gute und funktionierende Hotels.

Mit dem Hammerdeal hat das Saastal ­national von sich reden gemacht. Bedauern Sie, dass es ab der nächsten Saison den Hammerdeal nicht mehr geben wird?
Der Hammerdeal war eine gute Sache und hat eine Wertschöpfung in Millionenhöhe generiert. Nur für die Bahnen ist der Deal nicht aufgegangen. Darum hätte man einen besseren Verteilschlüssel finden müssen und etwas mehr an die Bahnen abgeben müssen. Dann wäre es ein durchschlagender Erfolg gewesen. Wir haben dank dem Hammerdeal ja sehr viel mehr Übernachtungen generiert und in den Restaurants war ja praktisch kein freier Platz mehr zu finden. Das kann man ja nicht abstreiten. Einzig die ­Verteilung war nicht richtig. Man hat die Idee auch nicht richtig ausreifen lassen. In solchen Punkten müssen wir künftig beharrlicher sein.

Sie sind von der evangelisch-reformierten Kirche des Wallis offiziell als «Tourismuspfarrer» angestellt. Lesen Sie den Tourismusverantwortlichen im Saastal auch die Leviten?
Das ist wie in der Kirche. Diejenigen, die es hören sollten, sind nicht da und umgekehrt. Nein, ich lese nicht die Leviten. Ich probiere es auf eine feinere Art. Das mache ich ja seit Jahren mit der Kolumne in den «Allalin-News», mit der Blog­gerei usw. Vielleicht schafft das auch Anreize, um sich zu hinterfragen.

Sie sind ein sehr vielseitiger Mensch, predigen von der Kanzel, haben schon mehrere Bücher herausgegeben, interessieren sich für Theater und engagieren sich für den Tourismus. In dieser Reihenfolge?
Nicht unbedingt. Ich habe ein enorm vielseitiges Programm, bin regelmässig auf verschiedenen Radiostationen zu hören, ich schreibe, predige, lese und bin mit Gästen unterwegs. Diese Abwechslung macht aber auch viele Energien frei und ist sehr spannend. Ich coache auch junge Leute wie Unternehmer oder Pfarrer.

Welche dieser Aufgaben macht Ihnen am meisten Spass?
Als Tourismuspfarrer sind es die Hochzeiten, die mich inspirieren. Ich liebe es, junge Leute an ihrem schönsten Tag zu begleiten. Und ich freue mich, dass sie Gottes Segen für ihre Ehe wünschen. Am meisten Hochzeiten habe ich in ­Zermatt. Aber auch das Saastal würde sich dafür sehr gut eignen. Ich mag aber lieber schlichte Zeremonien als ausgefallene Hochzeiten. Dazu bin ich lieber in einer Kirche oder Kapelle und nicht an einem ausgefallenen Ort wie beim Fallschirmspringen. Viel Freude erlebe ich aber auch beim Schreiben und dem Coachen von jungen Menschen.

Sie sammeln auch Geld für Schülertransporte der privaten gd-Schule. Ist es Auf­gabe eines Pfarrers, hier Hand zu bieten?
Nachdem in der RZ zu lesen war, dass ich für ­diese Schülertransporte Geld sammle, habe ich einen bösen Brief bekommen. Leider konnte ich nicht mal darauf antworten, weil der Schreiber anonym geblieben ist. Mir liegt es am Herzen, dass man Kinder ganzheitlich fördern kann. Von daher finde ich die gd-Schule eine gross­artige Sache. Ich würde mir wünschen, dass sich Staatsschule und gd-Schule besser austauschen. Weil die Eltern viel in die Privatschule investieren müssen, empfinde ich es nicht als gerecht, wenn sie auch noch den Schulbus zahlen müssen. Darum engagiere ich mich diesbezüglich. Im letzten Sommer habe ich auch ein Public Viewing organisiert. Ob das Aufgabe eines Pfarrers ist, darüber kann man diskutieren. Ich bin der Meinung, dass ich mich als Pfarrer und Christ in unserer Gesellschaft engagieren muss.

Mit Ihren Tätigkeiten polarisieren Sie auch und ecken an. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Da bin ich am Üben. Im Alter wird man feinfühliger und ist schneller beleidigt. Dann braucht man Abstand. Ich gehe dann in meinen Rebberg nach Zeneggen zu meinen Rebstöcken. Die widersprechen mir nicht (lacht). Oder man spricht sich mit einem Menschen über die Alltags­probleme aus.

Sie sind ein sehr ruhiger und besonnener Mensch. Können Sie auch mal laut ­werden?
Eher nicht. Wenn man laut und aggressiv wird, dann passieren die dümmsten Sachen und man verletzt sein Gegenüber. Darum ist es besser, wenn man sich ein bisschen zurücknimmt. Impulsiv darf man sein, aber es soll nicht ­verletzen.

Wir stehen eine Woche vor Ostern, dem höchsten kirchlichen Fest der reformierten Kirche. Kommen Sie in dieser Zeit zur Ruhe oder sind Sie viel beschäftigt?
Sowohl als auch. Ich bin natürlich stark in der Kirche involviert, zugleich aber auch touristisch unterwegs. Ich habe vor vielen Jahren die Schneegaudi auf Kreuzboden gegründet. Dieses Jahr soll ein Familientag stattfinden. Da werde ich am Ostersonntag ein paar Sagengeschichten erzählen. Natürlich ist Ostern ein kirchlicher Feiertag und hat eine grosse Bedeutung für die Christenheit. Nur, Christsein wird auch sichtbar im täglichen Umgang mit anderen Menschen. Und da gehören viele andere Dinge dazu.

Als Tourismuspfarrer kümmern Sie sich um die seelischen Belange der Gäste. Wie steht es um die kirchlichen Angebote?
Die spirituellen Angebote im Tourismus müssten neu entdeckt werden. 50 Prozent aller Menschen machen sich in den Ferien Gedanken übers Leben. Und genau hier müssten wir ansetzen. Das kann ein Gottesdienst sein, eine Wanderung oder eine Meditation. Das wäre eine Bereicherung. Wenn die Leute in den Ferien sind, müssen wir als Kirche auch dort sein und ein entsprechendes Angebot bieten.

Walter Bellwald

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Infos

Vorname Christoph
Name Gysel
Geburtsdatum 1. Oktober 1958
Familie verheiratet, drei erwachsene Kinder
Beruf Winzer, Pfarrer, Autor
Funktion Präsident Saas-Fee/Saastal Tourismus
Hobbies Schreiben, Reden
Als gelernter Winzer trinke ich gerne ein Glas Wein.  Ja
Ich bringe den Tourismusverein auf Kurs. Joker
Als Tourismuspfarrer vermarkte ich die Region. Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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Kommentare

  • Zehnder Damian, Zermatt - 73

    Stimmt nicht, die Saison Abos sind 4x zu billig. Der Steuerzahler darf dann für die reichen Bonzen nachbezahlen.

  • Marlies Rüegg, Zürich - 66

    Lieber Herr Gysel.
    Bitte setzten sie sich für die Hannigbahn ein.
    Viel Gutes hat sich in Saas Fee in den letzten fast 40 Jahren, wo wir hier die Ferien verbringen getan. Leider werden die Ferienwohnungen (viele werden jetzt luxeriös renoviert )zu teuer für viele Familien. Ja, auch in Saas Fee regiert das Geld.
    Fam. Rüegg Zürich

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