Kolumne | Diese Woche zum Thema:

Sondergesetze schaden dem Gesetz

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
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Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
Foto: Mengis Media

Quelle: RZ 0

Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.

Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier

Braune Hetzer endlich stoppen

Wir haben in der Schweiz ein direktdemokratisches System, das sich bewährt hat.

CH-Verfassung: Wer schweizerisch etwas verändern will, kann eine Initiative starten. 100 000 Unterschriften reichen aus. Wenn die Initiative nicht zurückgezogen wird, kommt es zu einer Abstimmung. Entscheidend ist, wie gut und verbindlich eine Initiative formuliert ist. Und ob sie aufgrund ihrer Übergangsbestimmung direkt anwendbar ist. Die meisten Initiativen – gerade jene der SVP – sind Sudler-Initiativen. Sie werden bewusst ungenau formuliert, um die Abstimmung zu gewinnen.

CH-Gesetze: Gesetze brauchen in einem ersten Schritt eine Mehrheit im National- und Ständerat. Gegen jedes Gesetz kann man das Referendum ergreifen. Und dann entscheidet das Volk. Ein Beispiel: Die SVP hat gegen die gesetzliche Umsetzung ihrer doppeldeutigen Masseneinwanderungs-Initiative kein Referendum ergriffen. Weil sie die Abstimmung verloren hätte. Es gibt in der Schweiz – ausser in Kriegs- und Krisenzeiten – nur Gesetze und keine Sondergesetze. Der Begriff Sondergesetz – wie ihn Oskar Freysinger verwendet – ist ein unzutreffender Kampfbegriff rechter und rassistischer Hetzer.

In meiner Jugend musste, wer etwa schwul oder lesbisch war, das verstecken. Und fast alle kehrten dem Wallis den Rücken, weil Stadtluft freier leben lässt. Wir haben wegen der Kirche und der von ihr kontrollierten Politik viele Talente verloren, die dem Kanton gutgetan hätten.

Inzwischen hat sich viel verändert. Aber unter der Nebeldecke kocht die braune Suppe weiter. Der Gesetzgeber will im Kampf gegen rassistische Hetzer etwas Ordnung schaffen. Das passt diesen gar nicht. Und deshalb ergriffen sie das Referendum. Am 9. Februar 2020 stimmen wir ab.

Flavia Wasserfallen schrieb mir am Freitag, dem 6. Dezember, folgende Zeilen: «Lieber Peter, vor einigen Wochen waren Nick und Micha im Bundeshaus zu Besuch. Die beiden haben beschlossen, öffentlich darüber zu reden, was ihnen passiert ist. Auf dem Heimweg nach der Gay Pride wurden sie nachts kurz vor ihrer Haustüre angegriffen und verletzt – nur weil sie schwul sind. Solche Angriffe sind bereits heute strafbar. Doch diese Gewalt fällt nicht vom Himmel. Sie hat ihren Ursprung in öffentlicher Hetze im Netz, auf Flyern oder Plakaten gegen schwule, lesbische und bisexuelle Menschen. Diese Hetze ist in der Schweiz heute legal. Das ändert sich nur, wenn die Schweiz am 9. Februar deutlich JA zum Schutz vor Hass sagt.»

Ich werde – wie hoffentlich die Mehrheit der Walliserinnen und Walliser – dem Rat von Flavia folgen.


Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller

Sondergesetze schaden dem Gesetz

Die Aufklärung hat aus allen Menschen im Staat Bürger gemacht, die mit gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet sind. Seit «Animal Farm» von George Orwell würde es keinem vernünftigen Menschen einfallen, «gleicher sein» zu wollen als die anderen. Also greifen die Gegner des souveränen Rechtsstaates zu einem Trick, um den nationalen Zusammenhalt zu schwächen. EIN Gesetz für alle sei eine Ungerechtigkeit, wird neustens verkündet, eine Ungleichheit, die den verschiedenen Realitäten, Minderheiten usw. nicht gerecht werde. Sondergesetze müssten her! Für alle und jeden. Denn im Grunde sei jeder Mensch eine Minderheit für sich. Darum müsse im Zeitalter des hemmungslosen Individualismus eigentlich ein Gesetz für jeden her.

Nun steht aber geschrieben, alle Menschen seien vor DEM Gesetz gleich und nicht vor DEN Gesetzen. Die Rassismus-Strafnorm und die anstehende Homophobie-Strafnorm sind in diesem Kontext die Vorboten einer programmierten Atomisierung des Rechtsstaates durch Sonderrechte (von Sonderpflichten spricht niemand!). Der Staat verkommt zu einem Kollektiv isolierter Individuen, denen das Allgemeinwohl und der Dienst an der Allgemeinheit am Arsch vorbeigehen. Solange sie ungehemmt konsumieren und dem Lustprinzip frönen können, ist die Welt für sie in Ordnung. Zum Schutz ihres Hedonismus greifen sie im Namen der Menschenwürde in die Mottenkiste der Zensur. Sie unterbinden – unter dem Vorwand der Gleichberechtigung – jede kritische Äusserung, indem sie den Ausbau des strafrechtlichen Arsenals vorantreiben. Fortan gibt es ein gängiges Strafrecht für die schweigende Masse und ein Spezialstrafrecht für Sondergruppen. Nicht mehr der Tatbestand der Ehrverletzung oder Verleumdung ist massgebend, sondern die Einstellung, die dahintersteckt. Gewisse Inhalte werden als schlimmer eingestuft als andere, obwohl der rechtliche Tatbestand derselbe ist. Und schon sind gewisse Sondergruppen «gleicher» als andere. Daraus ergibt sich aber eine krasse Ungleichheit: Wieso sollen Schwarze und Schwule besser geschützt sein als Behinderte, Übergewichtige oder Zwerge – pardon, Kleinwüchsige –, die ebenso Diskriminierungen und Anpöbelungen geltend machen könnten. Hinzu kommt, dass Sondergesetze auch berechtigte kritische Meinungen zum Schweigen bringen, weil die Menschen gezwungen werden, jedes Wort auf die Waagschale zu legen, um keinen Fauxpas zu begehen und nicht aufgrund eines «Shitstorms» sozial fertiggemacht zu werden.

Ade Ausdrucks- und Meinungsfreiheit – willkommen Maulkorb und Selbstzensur!

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