Naturgewalten | Heute jährt sich zum 25. Male das Unwetter von Brig. Auch andere Regionen wurden schwer getroffen

Das Oberwallis war im Ausnahmezustand

Am Tag danach. Nicht nur Brig (Bild) auch andere Regionen im Oberwallis verzeichneten verheerende Schäden.
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Am Tag danach. Nicht nur Brig (Bild) auch andere Regionen im Oberwallis verzeichneten verheerende Schäden.
Foto: Archivbild Keystone

Quelle: 1815.ch /tr 23.09.18 0
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Naturkatastrophen waren bis zum 24. September 1993 immer wieder mal in den Dörfern ein Thema – aber doch nicht im Zentrum des Oberwallis. Im Schatten von Brig verzeichneten damals auch andere Regionen verheerende Schäden.

Im Saas- und im Nikolaital, auf der Simplon-Südseite, im Goms und im Pfynwald beschädigten nach dreitägigen Regenfällen die abfliessenden Hochwasser Hunderte von Gebäuden, zerstörten Verkehrswege, rissen Kulturland mit. Es entstanden materielle und immaterielle Schäden ohne Zahl. Rückblickend befand sich das Oberwallis ­damals in einem Ausnahmezustand.

Die Bevölkerung nahm es erstaunlich gelassen, reagierte mit aktiver Selbst- und Mithilfe. Die Blaulichtorganisationen in der ersten Phase, später auch Armee und Zivilschutz, gingen mit gutem Beispiel anpackend voran.

270 Millionen an Private ausgezahlt

In unserer Samstagnummer blickten wir auf das Unwetter in Brig zurück. So was hatte es bis dahin in der Schweiz noch nie gegeben. In einer Schadensbilanz des Krisenstabes betrugen die Kosten 500 Millionen Franken. Laut Herbert Dirren betrugen die Gesamtschäden in der Region über 600 Millionen Franken. Er koordinierte 1993 als Generalagent der Mobiliar-Versicherung die Arbeit der Sachversicherer. Auf dem Platz Brig wurden gemäss Dirren letztlich gegenüber den Privatbesitzern 270 Millionen Franken abgerechnet. 152,4 Millionen Franken betrafen die Immobilien, 117,4 Millionen Franken die Fahrhabe.

Massive Schäden waren auch der Stadtgemeinde sowie den in Brig stationierten öffentlichen Betrieben (Bahnen, Post, Telecom, EWBN) entstanden. Hier ergab eine Zusammenstellung einen Betrag von 146 Millionen Franken. Einige waren selbst versichert, andere nicht.

Schäden an über 100 Häusern im Saastal

Im Saastal riss die hochgehende Vispe zusammen mit den Zuflüssen aus den kleineren Seitenbächen auf ihrem Weg ins Tal Böschungen, Strassenteile, Brücken, Teile der Langlaufloipe, Kanalisationsstränge und Strommasten mit. Zwischen Saas-­Almagell und Saas-Balen entstanden an über 100 Häusern Schäden. Allein in Saas-Grund standen 90 Gebäude unter Wasser, darunter die Zivilschutzanlage mit 450 Plätzen. Das höher gelegene Saas-Fee kam glimpflich davon. Dort bestand auch keine Gefahr vor dem Mattmarkstausee, der bei der Bevölkerung im Tal Angst und Strecken verbreitet hatte. In den quälenden Stunden des Unwetters wurde denn auch Kritik am Stauseebetreiber laut. Immer mehr Leute hatten sich bange gefragt, ob der Damm halten würde. Warum kam aus dem See plötzlich «zusätzliches» Wasser? Bis es zum Überlauf gekommen sei, habe man die Situation im Griff gehabt, sagten die Einsatzkräfte. Danach sei man gegen die (zusätzlichen) Fluten chancenlos gewesen.

Die damaligen Gemeindepräsidenten Erich Andenmatten (Saas-Almagell), Georg Anthamatten (Saas-Grund), Beat Venetz (Saas-Balen) und Claude Bumann (Saas-Fee) meldeten nach dem Ereignis umgehend dringlichen Klärungsbedarf bezüglich Stauwerten und Seeleerung. Nach der Aussprache wurde der Ton moderater. Die Verantwortlichen des Kraftwerkes erläuterten schlüssig, dank dem Stauvermögen des Mattmarksees (noch) grössere Schäden verhindert zu haben. Der See vermochte bis zum Überlauf 8,3 Millionen Kubikmeter Wasser aufzufangen und damit von der Vispe fernzuhalten (siehe Zweitstoff unten).

Saastal isoliert und alleingelassen

Kritisiert wurden im Saastal nach dem Unwetter auch die Umweltschutzorganisationen und Fischereiverbände. Diese hatten laut Meinung des Krisenstabes bei der Sanierung der Vispe-Ufer 1986/87 das Blockwurfsystem (Rollieren) durchgedrückt, was sich in ihrer Beurteilung für Hochwassersituationen nun als falsch erwiesen habe. Zusätzlich gab es harsche Kritik an der KAZE (kantonale Katastrophenzelle). Die Verbindung für die Hilferufe aus dem abgeschlossenen Saastal funktionierte nicht. Das Saastal fühlte sich in jenen Stunden isoliert, alleingelassen und vergessen. Die Schadensbilanz kam auf 90 Millionen Franken zu stehen. Über Wochen musste man sich im Saastal, ähnlich wie in der Briger Innenstadt, Teilen von Glis und dem weitgehend überschwemmten Gamsner Grund,mit Provisorien behelfen.

BVZ und FO unterbrochen

Weit glimpflicher ging das Unwetter im Nikolaital aus. Dort wurde vor allem das Trassee der Brig-Visp-Zermatt-Bahn in Mitleidenschaft gezogen, etwa beim Ritigraben bei St. Niklaus. Am Freitagmorgen um 7.00 Uhr bereits hatte ein Erdrutsch «beim Kreuz» die Bahn verschüttet. Täsch–Zermatt war unterbrochen. Zwei Stunden später wurde aus Sicherheitsgründen auch die Strecke Stalden–Täsch gesperrt. Ab 16.00 Uhr, als der Briger Bahnhofplatz überflutet wurde, ging dann gar nichts mehr. In Naters etwa mussten zwei Glacier-Express-Züge ­angehalten werden. Die 350 Passagiere wurden in Hotels untergebracht. Zwischen Visp und St. Niklaus blieb die Bahnverbindung sechs Tage geschlossen, weil bei der Sellibrücke Fahrleitung und Fahrspur unterspült worden waren. Die BVZ hatte allein in Brig eine Schadensbilanz von zehn Millionen Franken zu verkraften. Die FO hatte es damals mit 38 Millionen Franken Schaden noch weit schlimmer erwischt.

Pfynwald überflutet

Mehr Glück hatte man weiter westlich im Oberwallis. In den Bezirken Westlich Raron und Leuk kam es zu keinen nennenswerten Schäden, auch der gefürchtete Illgraben verhielt sich ruhig. Die massiven Regenfälle hatten in den südlichen ­Walliser Tälern erst weiter östlich eingesetzt. Sie brachten in drei Tagen Niederschläge wie sonst
in drei Monaten. Überflutet wurde der Pfynwald, weil hier die riesigen Abflussmengen des Rottens im Flussbett keinen Platz mehr hatten. Die linksufrige Dammstrasse verschwand streckenweise
in den Fluten.

Die Lonza-Werke hatten Glück

Beim Durchfluss des Rottens durch die Lonza-Werke in Visp kam man laut Lonza mit einem blauen Auge davon. Die neuralgischen Uferpunkte wurden durch Wasserwehre verstärkt. Die hochgehenden Fluten beeinträchtigten jedoch das Kühlwassersystem. Mit der Zeit fiel es zusammen, da das Schlammwasser die Pumpen weitgehend verstopft hatte. Das Werk wurde nach einer Alarmauslösung geordnet heruntergefahren. Die Lonza machte
aus der Not das Beste. Sie verlegte die wegen Revisionsarbeiten ohnehin geplante Produktionseinstellung um eine Woche nach vorne. Weitere Schäden waren nicht zu verzeichnen. Man hatte aus den Erfahrungen des Hochwassers 1987 seine Lehren gezogen.

Verbindung nach Italien lahmgelegt

Massiv hatte es auch die Simplon-Südseite erwischt. Das begann bereits in Simplon Dorf mit massiven Überschwemmungen von Kulturland. Ein Rind wurde vor den Augen der Besitzer von
den Fluten mitgerissen. Im Gabi wurde die Simplonstrasse an zwei Stellen in ihrer ganzen Breite
auf 50 m Länge weggerissen. Doveria und Zwischbergenbach führten in Gondo derart beängstigend Hochwasser, dass die Häuser am Fluss evakuiert wurden. 60 Personen verbrachten die Nacht in der Zivilschutzanlage. Die Trinkwasserversorgung fiel aus. Ansonsten hatte man aber im Dorf keine ­nennenswerten Schäden. Aus verschiedenen abgelegenen Hütten südlich des Simplons wurden Evakuationsflüge notwendig. Am Samstag wurde Entwarnung gegeben. Unterhalb von Gondo riss das tobende Wasser dagegen eine Brücke der Nationalstrasse komplett weg. Die Verbindung zu Italien war damit bis auf Weiteres unterbrochen. Je südlicher die Lage, desto intensiver die Niederschläge. Das sollte sich sieben Jahre später auf tragische Weise wiederholen.

Goms: Kultur- und Flurland unter Wasser

Im Goms schliesslich hatte das Unwetter massive Schäden an Kultur- und Flurland verursacht. Der Rotten riss Wege und Stege mit, trat in Münster über die Ufer und überflutete tiefer gelegenes ­Gelände mit Schlick und Geröll. In Reckingen erwischte es den Campingplatz, in Selkingen den Fussballplatz. Beide waren nicht mehr benutzbar. Im Binntal wurde die Strasse nach Heiligkreuz durch Erdrutsche und Abbrüche unpassierbar.

Schäden gab es auch im Bezirk Östlich Raron. Der halbe Tunetsch-Campingplatz in Filet wurde vom Rottenwasser weggespült. Das eine Zeit lang gefährdete Restaurant Tunetsch überstand das Unwetter. Unterhalb von Mörel wurde rund ein Drittel des Sportplatzes weggeschwemmt.

Thomas Rieder
23. September 2018, 21:39
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Mattmark-See verhinderte Schlimmeres

Im Herbst sind die Stauseen traditionsgemäss gefüllt. Als es am Donnerstag, 22. September 1993, in den Walliser Südtälern intensiv und anhaltend zu regnen begann, lag der Seespiegel des grössten Stausees im Oberwallis, des Mattmarks, vier Meter unter der Überlaufkante. Das entsprach einem Fassungsvermögen von 8,3 Millionen Kubikmeter Wasser. Diese Speicherkapazität war in den Folgestunden schnell erlangt. Der See erreichte am Freitag um 15.30 Uhr die Überlaufkante. Am Freitag und Samstag gingen rund zwei Millionen Kubikmeter Wasser via Überlauf in die Vispe. In den Zentralen Zermeiggern und Stalden wurde zudem pausenlos Wasser turbiniert, insgesamt 1,3 Millionen Kubikmeter. Ohne die Rückhaltung im See und das Turbinieren wäre die Vispe noch deutlich gefährlicher geworden. Die Massnahmen reduzierten die maximale Abflussmenge der Vispe von 153 auf 85 Kubikmeter pro Sekunde. Dieser Maximalwert wurde am Freitagabend um 21.30 Uhr registriert. Die Kraftwerke Mattmark AG wies deshalb jegliche Verantwortung für irgendwelche Schäden zurück.

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