Kurtaxenstreit | Bellwald muss erneut vors Bundesgericht
«Die Totengräber des Tourismus»

Werden sich nicht einig. Martin Bittel, Gemeindepräsident Bellwald, und …
Foto: 1815.ch

Werden sich nicht einig. … Bruno Imsand, Sprecher IG Zweitwohnungen Goms.
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Die Interessengemeinschaft Zweitwohnungen Goms wird gegen das abermals überarbeitete Kurtaxenreglement erneut vor Bundesgericht Beschwerde einreichen. Gemeindepräsident Martin Bittel und Hotelier Roger Geissberger sind ausser sich.
Für gewöhnlich enden Geschichten mit einem Happy End oder in einer Tragödie. In selten Fällen kommt es aber vor, dass sie scheinbar überhaupt nicht zu einem Ende finden. In letztgenannte Kategorie fällt der Kurtaxenknatsch in Bellwald. Nachdem die Gemeinde das Reglement als Reaktion auf das Bundesgerichtsurteil gleich zweimal überarbeiten musste, bis es vom Staatsrat homologiert wurde, steht erneut Unheil vor der Tür. Die Interessengemeinschaft Zweitwohnungen Goms (IGZW Goms) wird bis am 14. Oktober abermals Beschwerde vor Bundesgericht einreichen, wie IG-Sprecher Bruno Imsand gegenüber dem WB bestätigt. Als Grund nennt er die unterschiedlichen Kurtaxensätze für Hotels (4 Franken) und Zweitwohnungen (5.80 Franken). «Es darf nicht sein, dass Gäste für die gleichen Leistungen unterschiedliche Preise bezahlen müssen. Eine solche Ungleichbehandlung wollen wir nicht akzeptieren», erklärt Imsand.
Der Ärger ist gross
Gemeindepräsident Martin Bittel fällt, auf die anstehende Einsprache angesprochen, aus allen Wolken: «Das darf doch nicht wahr sein. Das Gesetz sieht eine solche Unterscheidung vor. Falls diese Einsprache zustande kommt, ist wieder alles blockiert. Das sind reine Verhinderer», ärgert er sich. «Das lassen wir uns als Gemeinde nicht länger gefallen. In Zukunft werden wir auch andere Geschütze auffahren.»
Ähnlich in Rage gerät Hotelier Roger Geissberger, der 2017 in Bellwald das Boutiquehotel The Onya Resort & Spa eröffnet hat: «Diese Beschwerdeführer sind die Totengräber des Tourismus. Die Enttäuschung unter den Leistungsträgern in Bellwald wird gross ein.» Das Argument der Ungleichbehandlung können die beiden überhaupt nicht nachvollziehen. «Bei den Zweitwohnungsbesitzern wird die Kurtaxe neu pauschal erhoben. Das hätten wir uns auch für die Hotellerie gewünscht», führt Geissberger aus.
«Das lassen wir uns als Gemeinde nicht länger gefallen»
Martin Bittel
Gemeindepräsident Bellwald
Mit dem entsprechenden Vorhaben scheiterte die Gemeinde jedoch beim Kanton. Bei nur vier Hotels könne man eine tagesgenau Abrechnung erwarten, so die Argumentation. «Mit der Pauschalisierung bei den Hotels hätte man für Hoteliers die gleichen Bedingungen wie für Ferienwohnungsbesitzer geschaffen», so Geissberger. Denn: Wohnungsbesitzer können ab einer Belegung von 31 Nächten alle weiteren Kurtaxeneinnahmen in die eigene Tasche stecken.
Unterscheidung konform
Da dies nicht möglich gewesen sei, sollte der Ausgleich zugunsten der Hotellerie über einen tieferen Kurtaxenansatz erfolgen. Aus Sicht von Geissberger ist dies allemal fair: «Die Hotellerie hat ganz andere Rahmenbedingungen. Beispielsweise bei den Personalkosten oder auch mit Blick auf die Saisondauer.» In Bellwald sei gegenwärtig noch kein Ganzjahresbetrieb möglich.
Die unterschiedlichen Ansätze wurden von der Urversammlung am 13. Juni ohne Gegenstimme genehmigt und vom Staatsrat am 4. September homologiert. Gemäss der Dienststelle für Wirtschaft, Tourismus und Innovation ist die Unterscheidung gesetzeskonform. Dienstchef Eric Bianco verweist auf Anfrage auf den Artikel 19 Absatz 1 des kantonalen Tourismusgesetzes. Dort steht: «Der Kurtaxenansatz trägt der Ausstattung des Ferienortes, der Beherbergungsform und der geografischen Lage der Unterkunft Rechnung.»
Neuer Präzedenzfall?
«Das Gesetz erlaubt unseres Erachtens also, dass unterschiedliche Kurtaxenansätze je nach Beherbergungsform möglich sind, was in der Vergangenheit auch vielfach so umgesetzt wurde», führt Bianco aus. So wird es vielerorts bei Campingplätzen und Gruppenunterkünften gehandhabt. Doch auch hier erachtet Imsand den reduzierten Ansatz als unzulässig: «Die Gäste können über die Gästekarte die gleichen Angebote nutzen. Das passiert alles ausserhalb der Wohnung oder des Hotels. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen je nach Beherbergungsart dürfen dabei keine Rolle spielen», ist er überzeugt. Nachdem das Bundesgericht im Herbst 2018 Bellwald und viele andere Gemeinden dazu verdonnert hatte, ihre Durchschnittsbelegungen für die Berechnung der Zweitwohnungspauschalen nach unten zu korrigieren, will die IGZW Goms nun einen weiteren Präzedenzfall schaffen.
«Aus unserer Sicht kann eine Gemeinde die Hotellerie, welche nachweislich eine hohe Wertschöpfung generiert und deren Gäste während deren Aufenthalt mehr Geld ausgeben, mit einem solchen Vorgehen fördern», schliesst Dienstchef Bianco. Die Chancen für Gemeinde und Hotellerie dürften diesmal gut stehen. Die lähmende Rechtsunsicherheit bleibt aber bis auf Weiteres bestehen.
Martin Schmidt
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