Schulen | Reorganisation der Unterrichtszeiten an der OS Visp stösst nicht einheitlich auf Zuspruch
Verkürzte Mittagspausen verhindern Fahrt nach Hause

OS-Zentrum Visp. Hier lernen und essen, statt über Mittag zurück in die Dörfer fahren.
Foto: Walliser Bote
Die obligatorischen Schulen von Visp werden den nachmittäglichen Unterrichtsbeginn ab Dezember 2018 auf 13.30 Uhr vereinheitlichen. Nicht alle Schüler der regionalen OS werden dadurch ihr Mittagessen noch zu Hause einnehmen können. Das führt auch zu Unverständnis.
Die neue Regelung wird jährlich rund 50 Schülerinnen und Schüler aus den vier Gemeinden mit dem längsten Schulweg, Ausserberg, Bürchen, Visperterminen und Zeneggen, betreffen. Aus Rücksicht auf sie und ihre Familien wurde der Unterricht am Nachmittag bisher jeweils erst um 14.00 Uhr aufgenommen. Die zweieinhalbstündige Mittagspause erlaubte eine Verpflegung zu Hause.
Damit ist ab dem Fahrplanwechsel im Dezember dieses Jahres Schluss. Der Unterrichtsbeginn wird jenem der Primarschule (13.30 Uhr) angepasst. Die Vereinheitlichung erleichtert der Schulleitung die Organisation und macht laut Schulpräsident Thomas Antonietti auch pädagogisch Sinn. «Eine Pause von 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr ist sehr lange. Und sie kann insbesondere von jenen nicht sinnvoll genutzt werden, für die sie geschaffen wurde.» Bis zu einer Stunde würden die Schüler bei ihren mittäglichen Fahrten ins Dorf und wieder zurück im Postauto verbringen. «Das ist tote Zeit, die besser genutzt werden kann», sagt Antonietti. Der um eine halbe Stunde nach vorne verschobene Schulbeginn lässt den Unterricht um 15.55 Uhr beenden. Derzeit dauert die OS in Visp bis 16.25 Uhr.
«Das heisst, die Kinder haben früher Schulschluss und damit mehr Zeit für ihr oft doch sehr dichtes Freizeitprogramm», sagt Antonietti. Das komme auch vielen Eltern entgegen, zumal über Mittag ein einstündiges, begleitetes Studium angeboten wird, das Zeit bietet zum Hausaufgabenmachen und Lernen. Die Verpflegung wird als Mittagstisch in der angrenzenden Berufsfachschule Oberwallis organisiert.
Die Eltern haben hierfür pro Mahlzeit elf Franken auszulegen. Die Kosten für den Mehraufwand auf der Unterrichtsseite werden von der Schulregion Visp mit ihren acht Gemeinden solidarisch getragen. Antonietti geht davon aus, dass hier viermal die Woche drei bis vier Lehrpersonen eine zusätzliche Stunde im Einsatz werden stehen müssen.
Visp fällte Stichentscheid
Der Wechsel zum neuen Unterrichtszeitmodell mit der um 30 Minuten kürzeren Mittagspause wurde in der regionalen Schulkommission ausführlich diskutiert und schliesslich mit eindeutigem Mehr angenommen. Überlegt wurden dabei auch noch andere Varianten. Weil das begleitete Studium mit Zusatzkosten verbunden ist, hatten die Gemeindebehörden mitzuentscheiden. Hier ergab sich letztlich eine Pattsituation. Eggerberg, Visp, Visperterminen und Zeneggen sprachen sich für das Modell 13.30 bis 15.55 Uhr aus, Ausserberg, Baltschieder, Bürchen und Lalden waren dagegen. So gab die Standortgemeinde Visp gemäss Schulreglement den Stichentscheid zugunsten des Wechsels.
Mittagstisch und begleitetes Studium sind, wie gesagt, ausschliesslich für die vier weiter entfernt liegenden Gemeinden Ausserberg, Bürchen, Visperterminen und Zeneggen gedacht. Die Eltern der dort wohnenden Sechstklässler sowie der Kinder in der ersten und zweiten OS-Stufe (8H–10H) werden demnächst von der Schule entsprechend orientiert werden. Sie werden bis am 11. Mai 2018 zuhanden ihrer Wohngemeinden zu entscheiden haben, ob sie ihre Kinder ab Dezember dafür einschreiben wollen. Bis Mitte Mai braucht die Schulleitung Bescheid, um das Angebot organisieren zu können. Dazu gehört auch eine umgehende Information zuhanden von PostAuto Oberwallis. Auswirkungen auf das Angebot des neuen Fahrplans sind nicht ausgeschlossen.
Hier wird nun Kritik laut. In den Dörfern wird mit dem Modellwechsel ein weiterer Schritt befürchtet, die Zentralisierung voranzutreiben.
Wider die Bergdörfer
Die Benachteiligten wären einmal mehr die peripheren Wohngemeinden. Kämen die Schüler schon im OS-Alter über Mittag nicht mehr nach Hause, könne das den Wohnortentscheid junger Familien beeinflussen. Und dafür lohne sich eine halbe Stunde gewiss nicht. Indirekt wurde auch der Vorwurf laut, die OS-Lehrpersonen hätten auf diesen Wechsel gedrängt, um «noch früher» Feierabend zu haben. Schulpräsident Antonietti stellt dies in Abrede. «Das war nie Bestandteil der Überlegungen. Wir wollen eine Vereinfachung der Schulorganisation auch in Abstimmung mit der Sportschule. Und sehen, wie gesagt, pädagogische Vorteile.» Eine (zu) lange Mittagspause würde den Unterricht am Nachmittag für die Schülerinnen und Schüler nicht einfacher machen.
Skeptiker überzeugen
Antonietti bedauert, dass es in den Gemeinderäten der Schulregion Visp in dieser Frage zu keinem einhelligen Entscheid kam. Umso mehr gelte es jetzt, die skeptischen Stimmen durch eine gute Umsetzung von der Güte des neuen Modells zu überzeugen. Dazu gehört, dass niemand zur Teilnahme an Studium und Mittagstisch gezwungen wird. Wer eine andere Lösung bevorzuge, könne diese jederzeit wahrnehmen.
«Mit solchen Entscheiden kann man es nie allen recht machen», sagt Antonietti. Die Eltern habe man darin bewusst nicht miteinbeziehen wollen. Das hätte zu weit geführt. Der Schulpräsident kann sich sehr gut vorstellen, «dass sich der Modellwechsel bewährt und bald einmal auch Eltern aus Baltschieder, Eggerberg, Lalden und Visp das Angebot nutzen möchten». Im Moment steht ihnen das nicht offen.
Die Kürzung der Mittagspause haben nicht durchgehend jene Gemeinden abgelehnt, deren Kinder künftig nicht mehr nach Hause fahren können. Der Entscheid könnte also auch so erklärbar sein, dass das Angebot von Mittagstisch und Studium nur beschränkt offensteht, aber von allen solidarisch finanziert werden muss.
Thomas Rieder
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