25 Jahre Bergsturz Randa | Einschätzungen, Anekdoten, Emotionen – die Zeit ist reif, sich zu erinnern
«Danke, dass ihr geblieben seid»

Wiedersehen des Krisenstabs. Von links: Pius Segmüller leitete den Militäreinsatz, Viktor Brantschen war Gemeindepräsident von Randa, alt Bundesrat Adolf Ogi und alt Ständerat Daniel Lauber. Der damalige Feuerwehrkommandant Josef Summermatter, der Geologe Charles-Louis Joris sowie Andreas Götz, damals Bundesamt für Wasserwirtschaft, gehörten ebenfalls zu den Podiumsteilnehmern.
Foto: wb
Randa. 25 Jahre oder eine Generation nach dem Bergsturz erinnert sich Randa zurück an die ereignisreichen Monate von damals. Dass es keine Toten zu beklagen gab, erleichtert die Vergangenheitsbewältigung.
Eine Handvoll kleiner Kinder spielt im Eingangsbereich der Mehrzweckhalle. Drinnen platzt der Raum fast aus allen Nähten. Gefühlt das ganze Dorf hat sich versammelt. Mit ihnen damalige und heutige Vertreter aus der Politik, dem Militär, der Feuerwehr, Geologen und Ingenieure. Nach dem Apéro referierten die Naturwissenschaftler Charles-Louis Joris und Valentin Gischig über die Ereignisse von damals und wie die instabile Felsmasse heute als wichtige Fallstudie für wissenschaftliche Arbeiten und Diskussionen gilt–weltweit.
Lauber gerührt
Während der Felssturz von Randa aus geologischer Warte, wo man in Zeitspannen von Tausenden und Zehntausenden Jahren denkt, als «normales» Ereignis und deshalb «frei von jeglichen Emotionen» (Joris) eingeordnet wird, kommt ein Grossereignis im damaligen Ausmass aus Sicht eines Direktbetroffenen einer grossen Zäsur gleich. Eine Gruppe von Direktbetroffenen wiederum–dies aus der Warte der Historiker–braucht gut und gerne 25 Jahre oder eine Generation lang, um die Erinnerungen einordnen zu können. Sehr spontan und eher nebenbei stellt der Moderator Pierre-Alain Steiner beim späteren Podiumsgespräch deshalb die richtige Frage. «Kann man den Felssturz überhaupt feiern?» Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Die Stimme von Daniel Lauber etwa, zur damaligen Zeit Ständerat, geriet mehrmals ins Stocken, als er die Umstände beschrieb, die ihn damals nicht in seinem Ferienhaus im «Lerch» übernachten liessen und ihn somit vor dem sicheren Tod bewahrten. Und trotzdem: «Es hat sehr wehgetan», beschrieb er nicht nur den Verlust des Hauses, sondern auch die Erinnerungen, die damit verbunden waren.
Volksheld Ogi
Anders Adolf Ogi. Nicht nur als Ehrenbürger, sondern beinahe als Volksheld wurde er in Randa empfangen. Damals habe man eben nicht «bernerisch», sondern sehr schnell und unbürokratisch gehandelt, war eines seiner Hauptvoten, das für spontan-frenetischen Szenenapplaus sorgte. Und der damalige Gemeindepräsident Viktor Brantschen fügte lobend hinzu: «Ogi war damals der richtige Mann am richtigen Ort.» Ebenfalls zur Stelle war in den Monaten nach dem Felssturz das Militär mit Einsatzleiter Pius Segmüller. Er könne sich noch gut an die Episode mit einem Einwohner erinnern, der mit der Priorisierung der Arbeiten offenbar nicht zufrieden war und deshalb mit einem Karabiner auf die errichtete Pontonbrücke feuerte. Ganz unkompliziert habe er ihn bei einem Kaffee zur Vernunft bringen können. «Seither spendiert er mir immer eine Runde, wenn ich in Randa bin.» Segmüller nutzte auch die Gelegenheit, um der Bevölkerung den Dank seiner Frau weiterzureichen. Zusammen mit den Kindern folgte sie dem Ehemann ins Krisengebiet, wo sie von den Einwohnern Randas herzlich aufgenommen worden seien. Josef Summermatter, damaliger Feuerwehrkommandant, erinnerte sich ebenfalls an die Solidarität, an jene der Oberwalliser Feuerwehren. Mann und Material wurden zur Unterstützung angeboten. «Das hat mich doch sehr beeindruckt», sagte Summermatter in einer Mischung aus Rührung und Stolz.
Eine Jubiläumsfeier
Einschätzungen, Anekdoten, Emotionen–war das am Samstag in Randa also eine Gedenk-, eine Mahn- oder eine Feierveranstaltung? Als Mahnmal, dass die Natur immer stärker sein wird als der Mensch, dient der Schuttkegel vor Randa, der heute zum Ortsbild gehört. Zum Glück muss keiner Opfer gedenken, was am Samstag mit einem vielfachen «Gott sei Dank!» unterstrichen worden ist. Also war es doch eine Jubiläumsfeier. Der jetzige Gemeindepräsident Leo Jörger zollte zum Schluss allen Randäern Respekt, die damals trotz aller Mühsal dem Dorf die Stange hielten. «Danke, dass ihr geblieben seid.» Die Nachkommen der Standhaften spielen nun draussen im Eingangsbereich der Mehrzweckhalle. Sie kennen nur das Randa nach dem Felssturz. Aber auch sie werden die Geschichten von damals weitererzählen.
David Biner
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