Tourismus | Postkarten verkaufen sich wieder besser. Der Kassenschlager bleibt das Matterhorn
Der Retrogruss per Postkarte

Verkaufsschlager. Diese Ansicht des Matterhorns ist die meistverkaufte Postkarte von Photoglob im Oberwallis.
Foto: FOTOS ZVG
Oberwallis. Vor hundert Jahren erlebte die Postkarte ihre Blütezeit. Nach jahrelangem Rückgang ziehen die Verkaufszahlen heute wieder an. Aus dem Oberwallis landet vor allem das Matterhorn als Karte in den Briefkästen fremder Länder.
Unter einem Sonnenschirm sitzend hält man einen Stift in der Hand und hat einen Stapel Postkarten vor sich. Daneben ein kleines Adressbuch. Man knöpft sich ein paar ruhige Minuten vor, schreibt ein paar Sätze und übergibt die mit einer exotischen Briefmarke beklebten Ansichtskarten dem Rezeptionisten. Um die Liebsten in der Heimat wissen zu lassen, dass man die Zeit in der Ferne geniesst, führte lange Zeit kein Weg an der Postkarte vorbei. War der Kodak-Farbfilm nach 24 Fotos ausgeschossen, kaufte man zur Sicherheit noch ein Postkartenset der besuchten Sehenswürdigkeiten. Heute sitzt in beinahe jeder Hosentasche ein halb professionelles Fotostudio.
19 Millionen pro Jahr
Der Feriengruss per Karte drohte verloren zu gehen. Das zeigen zumindest die Zahlen des Verbands Schweizerischer Kartenverleger. Im Jahr 1913 verschickte man in der Schweiz rund 112 Millionen Postkarten. Bis zum Jahr 1990 brachen die Verkaufszahlen fast auf die Hälfte zusammen. Aktuell sind es rund 18 bis 19 Millionen Ansichtskarten pro Jahr.
Zur Blütezeit der Postkarte entwickelte sich die Firma Photoglob zum grössten schweizerischen Ansichtskartenverlag. Und ist es noch heute. Schon der Grossvater des heutigen Geschäftsführers arbeitete mit Postkarten. Neben seinem Job als Concierge in einem Flimser Hotel war er ein talentierter Schwarz-Weiss-Fotograf und gründete einen Postkartenverlag: «Noch heute verkaufen wir eine Farbaufnahme von meinem Grossvater, auf dem der Rhonegletscher noch fast bis nach Gletsch reicht», sagt Gion Schneller.
Mitte der 1990er-Jahre wollte Schneller den Grund für die zusammengebrochenen Zahlen herausfinden: «Eine Studie der Hochschule Bern hat damals ergeben, dass das Reiseverhalten schuld an den schlechteren Verkaufszahlen ist.» Man halte sich nicht mehr 14 Tage an demselben Ort auf, sondern reise herum. Schneller realisierte, dass er nur überleben konnte, wenn er mit den Grossverteilern zusammenspannte. So arbeitet er mit Coop, Migros und Valora, zu der auch die über 800 K-Kiosks gehören, zusammen. Noch im Jahr 1999 hatte Valora 74 Lieferanten von Ansichtskarten–heute ist dafür Photoglob alleine zuständig.
Im Gegensatz dazu, muss die Firma eine schweizweite Abdeckung bieten: «Das ist nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch. Im noch so kleinsten Nest müssen wir Ansichtskarten garantieren. Auch wenn sich dort kein einziger Tourist verirrt.» Deshalb ist das Sortiment von Photoglob auf 15000 verschiedene Motive angewachsen. «Logistisch ist das viel schwieriger geworden», sagt Schneller: «Früher haben wir kartonweise Postkarten des Rhonegletschers geliefert. Heute wollen die Kunden viele verschiedene Motive zur Auswahl.»
Matterhorn der Verkaufsschlager
In Applikationen für das Smartphone, wie etwa die Postcard-App, besteht die Möglichkeit, ein individuelles Foto zu versenden. Dafür muss man jedoch auf die handgeschriebene Rückseite verzichten. Solche Entwicklungen seien jedoch keine Konkurrenz, im Gegenteil: «Es belebt das Geschäft», sagt Schneller. «In den Städten und an den Verkaufsstellen, wo die Sichtbarkeit hoch ist, zieht der Verkauf der Postkarten in letzter Zeit wieder an.»
Blickt man auf die meistgekauften Ansichtskarten von Photoglob aus dem Oberwallis, sticht besonders das Matterhorn hervor. Gleich Platz eins bis sieben belegt das Matterhorndorf und taucht unter den Top 15 gleich dreizehnmal auf. Die ersten Motive ausserhalb von Zermatt sind der Grosse Aletschgletscher mit Platz acht und mit Platz 14 das Burgerbad in Leukerbad.
Wie die Zukunft der Postkarte aussieht, ist schwierig zu sagen. Viele Kunden scheinen sich aber nach der verloren gegangenen Haptik zu sehnen und greifen auf die physische Postkarte zurück. Der Retrotrend erfasst also auch die Postkartenwelt.
Mathias Gottet
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