IV-Betrug | Oberwalliser düpiert während Jahren Ärzte und Gerichte

Wundersame Heilung: Mann steigt aus Rollstuhl auf Aprikosenbaum

Das «Wunder»: Sobald sich der vermeintlich Invalide unbeobachtet fühlte, konnte er sich ohne Rollstuhl fortbewegen und stieg selbst auf Leitern in Aprikosenbäume hoch. (Symbolfoto)
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Das «Wunder»: Sobald sich der vermeintlich Invalide unbeobachtet fühlte, konnte er sich ohne Rollstuhl fortbewegen und stieg selbst auf Leitern in Aprikosenbäume hoch. (Symbolfoto)
Foto: pixelio

Quelle: 1815.ch 22.04.16 7
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Die Staatsanwaltschaft Oberwallis hat Mitte April 2016 einen heute 65-jährigen Oberwalliser wegen versuchtem IV-Betrug verurteilt. Über Jahre führte dieser unter Vortäuschung von Gebrechen Gerichte und Gutachter an der Nase herum.

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Der Mann erlitt im Jahr 1998 einen Fahrradunfall, bei dem er sich Rückenverletzungen zuzog. 2006 reichte er bei der kantonalen IV-Stelle ein Gesuch um eine Rente ein. Ein ärztliches Gutachten der Genfer Klinik Colera hielt in der Folge fest, dass sich die Leiden des Gesuchstellers nicht objektivieren lassen und er deshalb zu 100 Prozent arbeitsfähig sei.

Bundesgericht pfeifft Kantonsgericht zurück

Die Ärzte der Rehab Basel, wo der Gesuchsteller in Behandlung war, hielten demgegenüber fest, «dass klinisch links betonte Veränderungen nachweisbar seien, welche eine Arbeitsunfähigkeit begründen».

Der regionale ärztliche Dienst der Invalidenversicherung kam daraufhin zum Schluss, dass sich aus den Erkenntnissen der Rehab Basel keine neuen Ergebnisse ergäben, welche die Schlussfolgerung der Genfer Klinik in Frage stellten. Im März 2010 lehnte die IV deshalb das Gesuch um eine Rente ab.

Eine Beschwerde gegen diesen Entscheid vor Kantonsgericht wurde abgeschmettert, worauf der Mann vor das Bundesgericht zog. Dieses wies das Kantonsgericht an, ein Gerichtsgutachten bei einer spezialisierten Klinik einzuholen. Es holte in der Folge Beurteilungen des Paraplegikerzentrums Balgrist sowie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ein.

Gerichtsmediziner düpiert

Die Ärzte in Balgrist kamen zum Schluss, dass für den Mann eine Fortbewegung ohne jegliche Hilsmittel absolut unmöglich sei und ein Laufen lediglich mit Krücken angesichts der auch an den Armen festgestellten Defizite höchst unwahrscheinlich sei. Deshalb sei er zwingend auf einen Rollstuhl angewiesen.

Das Psychiatrische Gutachten in Zürich konnte nicht in dem dafür vorgesehenen Untersuchungszentrum stattfinden, weil der Mann im Rollstuhl sitzend zum Termin erschien. Es sei ihm nicht möglich eine Treppe zum vorgesehenen Raum der Klink hochzusteigen, liess er die Psychiater wissen. Er leide vorab an somatischen Beschwerden sowie unter Schwierigkeiten beim Bewegen des Kopfes und Lähmungserscheinungen im linken Bein, gab er zu Protokoll.

Diese gerichtsmedizinischen Gutachten überzeugten die Richter am Kantonsgericht in Sitten schlussendlich von einer 100-prozentigen Arbeitsunfähigkeit des Gesuchstellers. Im Juni 2013 sprach es dem Mann deshalb eine volle IV-Rente zu.

Anonyme Verdachtsmeldung

Schon wenige Wochen nach dem Urteil erreichte die IV-Stelle eine anonyme Verdachtsmeldung. Der Mann lasse sich in der Öffentlichkeit nur im Rollstuhl blicken. Bei sich zu Hause aber sei er in der Lage, Holz zu sägen, Bäume zu spritzen und zu schneiden sowie mit Schaufel und Pickel zu arbeiten.

Die Invalidenversicherung liess den Mann daraufhin von IV-Detektiven observieren. «Die zusammengetragenen Fotos und Videos zeigen in einer frappierenden Deutlichkeit auf, dass die Feststellungen der Gerichtsgutachter nicht der Realität entsprechen», heisst es im Urteil der Oberwalliser Staatsanwaltschaft.

Mit dem «gelähmten» Bein auf der Leiter

So hielten die Detektive auf Videos und Fotos fest, dass sich der IV-Bezüger, so lange er sich unbeobachtet fühlte, problemlos ohne jegliche Hilsmittel vor seinem Haus fortbewegen konnte. So wurde festgestellt, dass das Hochheben von Backsteinziegeln (20 kg) oder das Rasenmähen keine Probleme für den Mann darstellen. Daneben wurde er auch dabei beobachtet, wie zur Aprikosenlese eine Leiter hochstieg, ohne Anzeichen von Schmerzen oder Trittunsicherheit. Dabei stand er auch für kurze Zeit nur auf dem linken Bein, dass laut Gutachten von Lähmungserscheinungen betroffen ist.

Die zuständige IV-Stelle verlangte in der Folge nach Konsultation des regionalen ärztlichen Dienst der IV beim Kantonsgericht eine Revision des Urteils. Das Kantonsgericht hob die IV-Rente noch im Oktober 2013 gänzlich auf, worauf der Gesuchsteller nochmals ans Bundesgericht zog, wo er ebenfalls abblitzte. Der Mann habe jahrelang gegenüber Äzrten Schmerzen vorgetäuscht, welche offensichtlich nicht bestehen, urteilte das Bundesgericht.

IV spart 140'000 Franken

Wäre das Urteil des Kantonsgerichts vom Juni 2013 rechtskräftig geworden, wären dem vermeintlich Invaliden rückwirkend auf das Jahr der Gesuchstellung 2006 bis zu seiner Pensionierung im Mai 2016 IV-Gelder im Umfang von rund 140'000 Franken ausbezahlt worden.

Nach einer Strafuntersuchung hat die Staatsanwaltschaft Oberwallis den Mann im April 2016 des versuchten Betruges schuldig gesprochen. Er muss eine auf drei Jahre bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken bezahlen. Zudem muss er eine Busse von 1000 Franken sowie die Verfahrenskosten von 450 Franken berappen. Nun muss sich der enttarnte IV-Bezüger auf einen Zivilprozess für allfällige Forderungen der Geschädigten gefasst machen.

zen
22. April 2016, 07:00
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Kommentare

  • Andy - vor 9 Jahre ↑2↓1

    der gute Journalist hätte sich zumindest die Mühe machen können, den Betroffenen nach seiner Sicht der Dinge zu fragen. Der Artikel ist doch sehr einseitig und tendenziös. Nicht immer ist Recht auch richtig. Da hätte ich von einem gut recherchierten Artikel schon etwas mehr Objektivität und Fairness erwartet. Es gibt bekanntlich ja immer zwei Seiten bei einer Münze.

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  • Zimmermann - vor 9 Jahre ↑6↓1

    Das finde ich in allen Belangen gegenüber denen, die eher eine Rente bekommem sollten als aus Gründen der "gesetzlichen Bestimmungen" Wiedereingliederung kommt vor Rente" von einer Sozialversicherunng zur anderen umgelagert werden eine "bodenlose und unhumane Frechheit". Die vorhandenen Insrumente müssen unbedingt vermehrt und gezielter eingesetzt werden.

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  • petschi - vor 9 Jahre ↑43↓3

    Ich kenne Männer welche im Ausland auf dem Bau arbeiten und von der Schweiz eine 100% Invalidenrente beziehen.Ich glaubte so etwas sei nur im Ausland möglich und stelle jetzt fest ,dass dises auch vor der Haustür vorkommt.Scheinbar gibt es noch Ärzte ,welche für solche Schmarotzer arbeiten!!

    antworten

  • Schweizer - vor 9 Jahre ↑40↓1

    Warum stellt das Wallis keine Inspektoren ein? Und diesem Bereich wäre viel Sparpotential! Die würden sich alleine finanzieren und der IV viel Geld einbringen.

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  • Erwin - vor 9 Jahre ↑41↓2

    Warum setzt man nicht Detektive auf weitere IV-Bezüger, die einerseits die volle IV-Rente beziehen, aber anderseits jeweils schwere Lasten zu schleppen in der Lage sind. Die IV-Versicherung könnte Millionen einsparen.

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  • Resi - vor 9 Jahre ↑29↓1

    Ja es wäre unbedingt nötig das die IV Stellen vermehrt Konrtollen machen würden.Da könnte die IV sehr, sehr viel Geld sparen.Den manch einer läuft mit Krücken umher und spielt den Invaliden wenn man ihn sieht und lacht sich wphl ins Fäustchen das man ihm nichts anhaben kann.

    antworten

  • Maria - vor 9 Jahre ↑60↓4

    Tja, Pech gehabt! Nun ist er selber gepflückt worden.
    Oder - wie könnte man auch sagen? "Faules Früchtchen!"

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