Politik | Wie die Corona-Epidemie die Karrierepläne von Mathias Reynard durcheinanderbringt
Langsam genug vom Wahlfieber
Dieses Jahr ist ein wichtiges für Mathias Reynard und seine Karriere. Und der Walliser SP-Nationalrat hatte auch einen Plan, wie er es angehen will. Jetzt gerät plötzlich alles durcheinander.
Als Mathias Reynard im vergangenen Herbst die Wahl in den Ständerat und damit die Sensation nur knapp verpasst hatte, waren sich seine Parteifreunde und viele Beobachter einig: Der 32-Jährige ist jetzt reif für die Walliser Kantonsregierung.
Auf dem SP-Sitz im Staatsrat sitzt seit mehr als 20 Jahren ein Vertreter aus dem Oberwallis. 2021 wird sich Esther Waeber-Kalbermatten zurückziehen. Der Anspruch der welschen Genossen, nun auch endlich mal mitregieren zu wollen, ist daher unbestritten. Zumal die Oberwalliser SP von ihrem Staatsratssitz nicht profitieren konnte. Bei den Nationalratswahlen im Oktober 2019 holte die SPO (mit JUSO zusammen) gerade mal knapp über 20000 Stimmen. Das entspricht einem Wähleranteil von zwei Prozent für den ganzen Kanton, 6,5 Prozent im Oberwallis.
Als einziger Linker mehrheitsfähig
Reynard hingegen hat bei den vergangenen Nationalratswahlen nicht nur als bester Kandidat von allen abgeschlossen. Von den insgesamt 34175 Stimmen kamen 4600 von den bürgerlichen Parteien, der Unterwalliser CVP sowie FDP, was immerhin 13,5 Prozent seines Scores ausmacht. Gut 8000 Stimmen bekam Reynard von Wechselwählern, also fast jede vierte. Und seine unglaublich starken Resultate bei den Ständeratswahlen haben gezeigt: Reynard kann im Wallis auch Majorz. Der Sekundarlehrer aus Savièse ist mehrheitsfähig, wohl als einziger Linker überhaupt in diesem bürgerlich geprägten Kanton.
Das weiss auch seine Partei. Entsprechend gross ist dort der Druck, dass Reynard für die Staatsratswahlen ins Rennen steigt. Und es ist nicht so, dass ihn ein Sitz in der Regierung überhaupt nicht reizen würde. Aber nicht jetzt. Nicht mit 32. Reynard könnte vier Amtszeiten in Sitten mitregieren und wäre dann noch keine 50, wenn er wieder rauskäme, ins «normale Leben». Und dann? So weit mag er jetzt noch gar nicht denken.
In den vergangenen Wochen hat Reynard mehrfach betont, dass er glücklich sei als Nationalrat in Bern, ihm die Arbeit im Parlament noch nicht ausgegangen sei und sie ihm weiterhin Spass bereite. Und sowieso: «Ich will nicht zur reinen Wahlmaschine werden», sagt er sinngemäss im Gespräch übers Wochenende. Wenn er jetzt schon sagen werde, dass er im nächsten Jahr als Staatsrat kandidiert, wären alle anderen möglichen Kandidaten in der Partei bereits vergrault. Reynard hat Angst, dass sich seine Partei allzu sehr auf ihn konzentriert und auch verlässt. «Es sollen auch andere ran», sagt der Politiker, der sich seit jeher als Teamplayer versteht.
Auch deshalb greift er nun nach dem Präsidium der SP Schweiz. Gemeinsam mit der Zürcherin Priska Seiler Graf kandidiert er für die Nachfolge von SP-Boss Christian Levrat. Seit Wochen liefern sie sich ein mediales Duell mit dem Duo Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Am SP-Parteitag Anfang April wäre die Entscheidung gefallen. Und Reynard hätte Klarheit gehabt: Wird er Co-Präsident, dann – tant mieux – hat sich die Kandidatur für die Walliser Kantonsregierung erledigt. Und die Unterwalliser Genossen hätten sich in Ruhe auf einen anderen Kandidaten einigen können, Fraktionschef Emmanuel Amoos oder Olivier Turin, derzeit Vizepräsident des Grossen Rats, werden hierzu immer wieder genannt. Und wenn es für das Präsidium der SP Schweiz nicht gereicht hätte, wäre für Reynard und die SP Unterwallis genug Zeit geblieben, sich neu zu sortieren. So seine Pläne. Aber die geraten nun durcheinander.
Weil der Bundesrat zur Eindämmung des Coronavirus beschlossen hat, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen zu untersagen, steht der SP-Parteitag vom April nun auf der Kippe. Die Partei hat übers Wochenende bereits kommuniziert, dass man den Parteitag allenfalls auf den Herbst verschieben würde – und damit auch die Präsidiumswahl. Wenn dieses Szenario eintrifft, hätte Reynard ein Problem: Beide Entscheide, sowohl für das Parteipräsidium wie auch die Ausmarchung für die Staatsratskandidatur, würden auf den gleichen Zeitraum, weit in der zweiten Jahreshälfte, fallen. Die SP Unterwallis würde sich die nächsten Monate weiterhin schwertun. Der Druck auf Reynard bliebe konstant hoch.
Momentum futsch?
«Nicht ganz glücklich», nennt Barbara Lanthemann, Präsidentin der SP Unterwallis, die mögliche Konstellation. Sie muss den inneren Frieden in der Partei sicherstellen. Das heisst, Reynard motivieren und mögliche andere Kandidaten bei Laune halten. Reynard selbst sagte am Wochenende, dass er zunächst Wermuth und Meyer für eine «Waffenruhe» bitten werde. «Auf diesem intensiven Level können wir die nächsten Monate nicht weitermachen.» Und dann? «Und dann schauen wir mal.»
Reynard will Co-Präsident der SP Schweiz werden und hat in letzter Zeit viel dafür gemacht, das Momentum nicht zu verpassen. Jetzt drohen Monate der Ungewissheit. Möglich, dass er sich zuletzt für die Staatsratskandidatur entscheiden muss. Dann warten wieder Monate des Wahlkampfs. Vielleicht wieder mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Möglich nämlich, dass die CVP ihren vormaligen Präsidenten Serge Métrailler aufstellen wird. Falls er Kandidat sei, hat dieser bereits angekündigt, werde er wohl den Bezirk wechseln und nach Sitten umziehen, in Reynards Bezirk. Bekanntlich darf aber nicht mehr als ein Kandidat pro Bezirk gewählt werden. Reynard gegen die CVP mit Christophe Darbellay und Roberto Schmidt? Nach dem aufreibenden Herzschlagfinale vom vergangenen Herbst spürt der junge SP-Mann derzeit wenig Lust auf erneutes Wahlfieber.
David Biner
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