Kommunikation | Carmen Studer unterrichtet Zwergensprache an Eltern und Kinder im Oberwallis
Mehr als «Winke-Winke»

Zeichen setzen. Die Zwergensprache, so Kursleiterin Carmen Studer, ermögliche es Kindern, sich leichter zu verständigen.
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Carmen Studer unterrichtet Zwergensprache.
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Visp. Die Oberwalliserin Carmen Studer unterrichtet Zwergensprache. Ziel dabei ist, die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kleinkindern zu verbessern.
Auch wenn Babys in den ersten Monaten noch nicht sprechen können, teilen sie sich ihrem Umfeld dennoch eifrig mit. Diese Signale stets richtig zu interpretieren, um entsprechend darauf reagieren zu können, ist für Eltern nicht immer einfach. Nichtverstehen und Nicht-verstanden-Werden kann auf beiden Seiten gleichermassen zu Frustration führen.
Die sogenannte Zwergensprache – Gesten, welche auf der deutschen Gebärdensprache gründen und ergänzend zum gesprochenen Wort verwendet werden – sei ein hilfreiches visuelles Instrument, diese sich bisweilen einstellende Sprachlosigkeit zwischen Kleinkindern und Erwachsenen zu überwinden, verrät Carmen Studer im Gespräch. Eine Kommunikationsmöglichkeit, die es Erwachsenen – «welche nicht selten zu schnell und zu viel reden» – erlaubt, intensiv an der kindlichen Erlebniswelt teilzuhaben und die es den Knirpsen wiederum ermöglicht, ihre spezifischen Bedürfnisse durch Gesten auszudrücken.
Viele Gesten werden intuitiv gebraucht
Als einzige ausgebildete Kursleiterin in der Region vermittelt die Natischerin die einfache Baby-Zeichensprache in ihren Visper Praxisräumen in sogenannten Eltern-Kind-Kursen an Erwachsene und deren Bébés weiter. Dabei beschäftigen sich die Teilnehmenden aber nicht nur mit jener interaktiven Kommunikationsform, die sich rund um Gegenstände, Tätigkeiten und Eigenschaften aus dem Babyalltag dreht – «es wird auch gesungen, musiziert, gespielt. Die Sinne der Kinder werden angeregt, es findet ein Austausch statt.» Ungezwungene Treffen, welche von der Baby-Zeichensprache begleitet würden. «Pro Stunde werden so etwa sechs bis acht Zeichen vermittelt.»
In einer Zeitschrift hat Carmen Studer erstmals von der Zwergensprache gelesen und war sofort fasziniert davon. Damals war ihr Sohn neun Monate alt. «In unmittelbarer Umgebung habe ich jedoch kein Kursangebot gefunden.» Daher habe sie nicht lange gezögert und vor Kurzem selbst eine Zwergensprache-Ausbildung absolviert. Seither praktiziert sie mit ihrem heute zweijährigen Sohn ziemlich begeistert und inzwischen wohl auch recht versiert, jene besondere Ausdrucksweise, die so besonders gar nicht sei, wie Studer ausführt. Denn in der alltäglichen Interaktion zwischen Erwachsenen und Nachwuchs würden ohnehin bereits zahlreiche Gesten instinktiv verwendet.
«Ich denke da etwa ans Winken, ans Verschicken einer Kusshand oder an das ‹Pst!›-Zeichen, bei dem ein Zeigefinger vor den Mund gelegt wird», nennt Studer nur drei von unzähligen Gesten, die Kleinkinder rasch nachahmen oder deren Bedeutung sie schon früh zu deuten wissen. «Weil diese oft vom Gegenüber erwidert werden, stellt sich ein Erfolgserlebnis für die Kleinen ein, welches sie motiviert, die Zeichen zu imitieren und immer wieder zu gebrauchen. Die Kinder werden verstanden, ihnen wird Aufmerksamkeit entgegengebracht.» Und darum gehe es schlussendlich bei der Baby-Zeichensprache: Nicht um perfekte Gebärden, sondern darum, Kleinkinder in ihrer Gedankenwelt besser zu verstehen, sie in Gespräche miteinzubeziehen und ihnen ein Instrument an die Hand zu geben, sich auszudrücken.
Keine Frühförderung
Die meist sehr schlüssigen Handzeichen sind derart vereinfacht, sodass Babys ab dem sechsten bis neunten Lebensmonat mit der Zeichensprache starten können. «Bis zu dieser Lebensphase haben sie die notwendigen motorischen Fähigkeiten entwickelt, um ihre Hände koordiniert zu benutzen», erklärt die 31-jährige Mama. Das Grundprinzip sei einfach: «Jeweils ein Wort pro Satz wird dem Kind sowohl verbal als auch mithilfe einer Geste vermittelt. Man redet und gebärdet folglich gleichzeitig», umschreibt Studer das Sprechen mit den Händen, das bei ihr und ihrem Sohn inzwischen zur täglichen Verständigung gehört. Wenn er etwa «mehr möchte», klopft er mit seinem Zeigefinger an die Handfläche der anderen Hand. Hat er Hunger, führt er seine Hand zum Mund. «Mit zwei Jahren spricht er dazwischen natürlich auch schon einige Wörter.»
Studer betont: «Die Zeichen stellen keineswegs einen Ersatz zur ‹normalen› Sprache dar.» Vielmehr solle mit der Zwergensprache die ganzheitliche Kommunikation unterstützt werden. «Das Wort wird gehört, die Geste gesehen. Und sobald das Kleinkind ein oder mehrere Zeichen imitiert, wird auch die Motorik miteinbezogen.» Und ein weiterer Aspekt ist der Oberwallis Zwergensprache-Expertin wichtig: «Das Konzept soll kein Trainingsprogramm für Kinder darstellen oder gar den Frühförderungswahn bedienen. Die Eltern entscheiden, welche Zeichen den Interessen ihres Kindes entsprechen und daher sinnvoll für den gemeinsamen Alltag sind. Die Bindung zum Kind wird verstärkt.»
Ab welchem Zeitpunkt ein Kind die Gesten nachahme, sei individuell und hänge auch davon ab, mit welcher Entwicklungsphase dieses beschäftigt sei, weiss Studer. Und genauso individuell würden die Kleinen die Zeichen auch wieder verlieren – dann nämlich, wenn sie allmählich mit dem Schwadronieren beginnen. Um Babys schon in der Zeit davor in ihrer Sprachentwicklung zu unterstützen, könne die Baby-Zeichensprache helfen, ist Studer überzeugt. «Es ist immer wieder überraschend, wie Kleinkinder ihre Umgebung Tag für Tag mit wachen Sinnen entdecken und worüber sie sich mit uns austauschen möchten.»
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