Flora | Nur noch wenige Standorte sind von den filigranen Frühlingsblühern besiedelt
Die seltenen Tulpen von Törbel

Seltenheit. Auf den Bergwiesen rund um Törbel ist die wilde Blume stellenweise noch anzutreffen.
Foto: Walliser Bote

Wärmeliebend. Die rot-gelbe Wildtulpe öffnet ihre Blüten nur bei Sonnenschein.
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Leuchtend gelb. Die Tulpia sylvestris australis in voller Blüte.
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Blumenfreund. Roman Juon weiss, wo die Törbjer Tulpen anzutreffen sind.
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Neben der Grengjer Tulpe gedeiht hierzulande eine weitere rare Wildtulpenart, die schweizweit nur im Oberwallis anzutreffen ist. Der Törbjer Roman Juon weiss, wo die wenigen Exemplare zu finden sind.
Wenn man sie in diesem Jahr noch blühen sehen wolle, sei jetzt, Mitte Juni, höchste Zeit, sich auf die Suche nach den zierlichen Pflanzen zu machen, mahnt Roman Juon zur Eile. Der 75-jährige Törbjer kennt rund um sein Heimatdorf wohl sämtliche Plätze, auf denen die streng geschützte Südalpine Tulpe (Tulipa sylvestris australis) wächst, die in der Schweiz gemäss «info flora», dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora, auf das Oberwallis beschränkt ist. Pro Natura Wallis informiert auf ihrer Webseite über insgesamt zwölf Standorte im Oberwallis. «In tieferen Lagen», so Juon, der den gelb-roten Frühlingsblühern alljährlich auf den Bergwiesen rund um Törbel nachspürt, «sind die Wildtulpen heuer schon verblüht.»
Blüte öffnet sich nur bei Sonnenschein
So etwa auch auf einer rund 2600 Quadratmeter grossen Weide beim Weiler Hohstetten oberhalb des Dorfes, auf der eine Kolonie der äusserst seltenen Tulipa sylvestris australis wächst. Um die Tulpen von Törbel zu schützen, ist die Matte im Jahr 1968 vom Schweizer Bund für Naturschutz gekauft worden. Mit dem zuständigen Landwirt konnte ein Vertrag abgeschlossen werden, der die Bewirtschaftungsbedingungen der Wiese regelt. Pro Natura Wallis schreibt dazu: «Würde die Wiese sich selbst überlassen, durch Schafe überweidet, übermässig gedüngt oder mehrmals vor der Blüte gemäht, führte dies möglicherweise innert Kürze zum Verschwinden der Tulpe.» Eine Fläche zu kaufen, um sie zu schützen, sei der letzte Ausweg und nur für kleine Flächen und sehr bedrohte Arten möglich, heisst es weiter.
Im Gebiet «Moosflüe» unterhalb der Moosalp auf rund 2000 Meter über Meer, dort, wo die Vegetation aufgrund des strengen Winters und der dicken Schneedecke um einige Tage im Rückstand liegt, wird Roman Juon Mitte Juni doch noch fündig. Zwischen einer kleinen Gruppe bereits verwelkter Exemplare stehen einige wenige jener wild wachsenden Törbjer Tulpen noch in voller Blüte. Ihre filigranen und auf der Aussenseite rotfarben überhauchten Blütenköpfe sind wegen des nasskalten, nebligen Wetters fest verschlossen, wirken unaufdringlich und schlicht. Die Blüten der Pflanze, die eine Wuchshöhe von 20 bis 50 Zentimeter erreichen kann, öffnen sich laut «info» fauna nur bei sonnigem und warmem Wetter. Dann erst wölben sich die zwischen vier bis sechs Zentimeter langen Blütenblätter sternförmig nach aussen und das leuchtende Gelb der zarten Blume wird sichtbar.
Auf der roten Liste
«Die Hauptverbreitung hat die Tulpe in mehreren (Teil-)Populationen zwischen Törbel, Hofstetten und der Moosalp sowie der Alpe Bad und oberhalb von Embd», heisst es auf einem Merkblatt von «info fauna». Aber auch zwischen Naters und Blatten, bei Simplon Dorf, oberhalb von Mund sowie über dem Gebidem-Stausee auf Felsterrassen gegen den Aletschwald hin habe die Wildblume schon bestimmt werden können. Dazu gebe es noch kleine unbeständige Fundstellen in der Gondoschlucht auf der Simplonsüdseite und am Riederhorn bei Mörel.
Blumenfreund Juon, der dem ursprünglichen Charme der wärmeliebenden Wildtulpen bereits in jungen Jahren erlegen ist, schätzt, dass der Bestand der Tulipa sylvestris australis in den letzten Jahrzehnten rund um Törbel merklich geschrumpft ist. «An einigen Standorten, an denen sie einst fast flächendeckend vorgekommen ist, wächst die kleine Blume heute nicht mehr», bedauert er. Gründe dafür seien nicht nur die Intensivierung oder die Aufgabe der Landwirtschaft, Viehverbiss oder Wildfrass. «Auch das unerlaubte Sammeln und Ausgraben der Tulpenzwiebeln durch Hobbygärtner, welche die bedrohten Blumen in ihren Privatgärten vermehren wollen, setzt ihr zu», ärgert sich Juon. Das Vorhaben, die Tulpen andernorts anzusiedeln, dürfte jedoch zum Scheitern verurteilt sein. Die Kultivierung der wilden Pflanze gilt nämlich als recht schwierig.
Perrine Andereggen
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