Technik | Riesige Vliese konservieren den Schnee auf dem Hohstock für die nächste Wintersaison
Mit der Nähmaschine am Berg

Dass es hält. Anton Ott, technischer Leiter Belalp Bahnen (links), beim Vernähen der Vliese auf dem Hohstock.
Foto: Walliser Bote
Belalp | Auf dem Hohstock, auf 3112 m ü. M., liegt der Schnee auch Anfang Juni noch meterhoch. Normalerweise ist die Gegend um diese Jahreszeit verlassen. Heute allerdings werden dort ein knappes Dutzend Männer zu Werke gehen. Einer bringt sogar eine Nähmaschine mit.
Es ist Vormittag, als sich die Pistenfahrzeuge in Bewegung setzen. Beständig bahnen sie sich ihren Weg zum obersten Teil des Skigebiets; irgendwo hoppelt schnell ein Murmeli davon.
Eine halbe Stunde zuvor haben alle noch gemütlich in der Garage für die Pistenfahrzeuge zusammengesessen. Es gibt Kaffee zur Stärkung; einer bringt Gipfeli für alle. Ein paar Witze fallen, dann geht Anton Ott, technischer Leiter der Belalp Bahnen, mit seinen Männern nochmals kurz den anstehenden Einsatz durch. Elf riesige, weisse Vliese und an die 20 dicke Schläuche haben die Fahrer bereits am Vortag den Berg hinaufgekarrt. Dann gehts los, die Pistenfahrzeuge bringen nun auch die insgesamt elf Männer auf den Hohstock.
Vliese konservieren die Hälfte der Schneemenge
Ihre Mission: den obersten Teil des Bügellift-Trassees vor der Sonne schützen. Im Verlauf des Sommers schmilzt der Schnee auch hier oben fast komplett weg, und eine künstliche Beschneiung ist auf dem Hohstock noch nicht möglich.
Zum Problem wird dies vor allem für den Bügellift. Ohne oder mit nur wenig Schnee liegt sein Trassee auf dem letzten Abschnitt derart tief, dass die Seile der Bügel nicht bis hinunter zu den Wintersportlern reichen – sie würden buchstäblich in die Luft gezogen.
Seit rund 20 Jahren müssen die Belalp Bahnen deshalb die Schneedecke auf dem obersten Abschnitt des Bügellift-Trassees vor der sommerlichen Sonneneinstrahlung schützen. Das Weiss erreicht während des Winters eine Höhe von bis zu 25 Metern – und nun sollen Vliese dafür sorgen, dass während der nächsten Monate nur etwa die Hälfte davon wegschmilzt.
Knapp 3000 Quadratmeter Schnee abdecken
Oben angekommen, machen sich die Männer daran, die dicken Vliesrollen hangabwärts abzurollen. Fünf Meter breit und 50 Meter lang ist eine einzelne Blache, insgesamt werden elf Blachen verlegt. Knapp 3000 Quadratmeter Schnee werden so nach und nach abgedeckt, und nun holt Anton Ott seine Nähmaschine hervor.
Zwei bis drei Blachen liegen jeweils nebeneinander. Damit diese nicht verrutschen, näht der technische Leiter die Ränder der Riesentücher zusammen. Den Strom dazu liefert ein mitgebrachter Generator.
Das Vlies ist dick, und ab und an verhakt sich auch die Nadel der Industrienähmaschine darin. Dann heisst es Sackmesser hervorholen und die Nadel irgendwie befreien. Währenddessen flöckelt es leicht; immer wieder verdüstern dichte Nebelschwaden die Sicht. Immerhin: Richtig kalt ist es nicht.
Nach elf Uhr wird aus dem Flöckeln für eine Stunde lang dann doch ein beachtliches Schneegestöber. Eine Pause gibt es deswegen noch nicht, die Zeit ist knapp bemessen. Erst um 12.00 Uhr suchen die Männer Schutz im Hohstock-Tunnel, um dort kurz ihr Mittagessen einzunehmen.
Wasserschläuche statt Sandsäcken
Dann geht es auch schon weiter. Zu zweit vernähen Ott und ein Helfer die Vliese, während die übrigen weitere Blachen ausrollen und -richten.
Und beschweren – damit der Wind sie nicht eines Tages davonsegeln lässt. Bisher habe man dafür jeweils Dutzende Sandsäcke benutzt. Diese herumzutragen, sei aber kein Zuckerschlecken gewesen – und im September, wenn oben kein Schnee mehr liegt und das Material mithilfe von Helikoptern zurück ins Lager geflogen werden muss, seien auch dementsprechend viele Rotationen nötig gewesen, sagt Jean-Marc Heinzmann.
Das soll sich ab diesem Jahr ändern. Mit der Leitung des Projekts betraut, hatte sich Heinzmann bei anderen Stationen umgehört. Seine Idee: Statt Sandsäcken sollen Wasserschläuche die Vliese an Ort und Stelle behalten. Fündig wurde er nach mehreren Telefonaten bei den Bergbahnen Titlis sowie in Sölden. Beide Destinationen versicherten ihm, dass ein Beschweren der Vliese auch mit Wasser möglich sei.
Zehn Tonnen Wasser schützen vor dem Wind
Während die Vliese also zusammengenäht werden, werden an ihnen gleichzeitig lange, dicke Schläuche befestigt. Zuoberst am Hang steht Heinzmann und füllt diese. Das Wasser dazu stammt aus dem etwa zehn Fahrminuten entfernten Speichersee; zwei Pistenfahrzeuge pendeln unablässig hin und her. Bestückt sind sie mit einem Tank, Fassungsvermögen 1000 Liter. Gut 500 Liter passen in einen Schlauch, knapp 20 Schläuche müssen gefüllt werden. Somit liegen am Ende rund zehn Tonnen Wasser auf den Vliesen und sollen dafür sorgen, dass die Installation auch bei heftigen Winden nicht verrutscht und den darunterliegenden Schnee der Sonne preisgibt. Kontrolliert wird dies während des Sommers mittels Drohnenflügen.
In der ersten Septemberwoche – wenn alles wieder abgebaut wird – soll es dann einfacher gehen als bis anhin mit den Sandsäcken. Das Wasser wird aus den Schläuchen abgelassen, die Helikopter müssen nebst den Vliesen nur noch die leeren Schläuche mitnehmen.
Gegen 17 Uhr ist schliesslich auch der letzte Schlauch gefüllt. Ein letzter Blick, bevor es mit den Pistenfahrzeugen zurück auf die Belalp geht. Besonders spektakulär sieht das Tagwerk eigentlich nicht aus: Ein paar Schläuche sowie weisse Blachen, die auf weissem Schnee liegen. Ihren Dienst werden sie allerdings tun, wie das Foto unten beweist. Sobald die Hohstock-Piste im nächsten Winter wieder befahrbar ist, wird es auch der Bügellift sein. Dank der elf Männer, ein paar Vliesen und einer Nähmaschine.
Fabio Pacozzi
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Kommentare
Edmund Brigger, St. Niklaus VS - ↑0↓0
Die ganze Übung ist inakzeptabel. Dies noch aufzubauschen ist komplett lächerlich. Roland Brigger
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Edmund Brigger, St. Niklaus VS - ↑0↓0
Äusserst fragwürdige lächerliche Aktion.
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